Ukraine-Krise: Diplomatischer Vorstoss – Viele Tote in Slawjansk

Ukraine-Krise

Trauer um die Brandtoten in Odessa.

Kiew / Berlin – Mit einem diplomatischen Vorstoss will die internationale Gemeinschaft die bürgerkriegsähnlichen Kämpfe in der Ostukraine stoppen. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa startet einen Vermittlungsversuch. Dazu wird der OSZE-Vorsitzende und Schweizer Bundespräsident Didier Burkhalter am Mittwoch in Moskau erwartet, wie der Kreml mitteilte. Dabei dürfte es auch um einen neuen Ukraine-Gipfel in Genf gehen.

Der deutsche Aussenminister Frank-Walter Steinmeier schlug vor, noch vor dem Wahltermin am 25. Mai eine zweite Ukraine-Konferenz abzuhalten. Die Ergebnisse des ersten Genfer Treffens Mitte April seien ein «wichtiger Zwischenschritt, aber ohne Zweifel nicht ausreichend» gewesen. Die Vereinbarungen, darunter ein Gewaltverzicht und die Räumung besetzter Gebäude, werden bislang kaum umgesetzt.

Bereits am Dienstag beraten beim Jahrestreffen des Europarats in Wien 30 Aussenminister über die Krise in dem zweitgrössten Flächenstaat des Kontinents. Erwartet werden auch Russlands Chefdiplomat Sergej Lawrow und sein ukrainischer Amtskollege Andrej Deschtschiza.

Schwere Verluste bei Separatisten und Regierungstruppen
Beim Vorrücken ukrainischer Regierungstruppen gegen die von prorussischen Separatisten gehaltene Stadt Slawjansk erlitten beide Seiten schwere Verluste. Ein Sprecher der selbst ernannten, prorussischen Volksmiliz sprach am Montag von etwa 20 getöteten Aktivisten. Auch aufseiten der Regierungstruppen gab es Tote, wie Innenminister Arsen Awakow sagte. Aus seinem Ministerium verlautete, dass 4 Einsatzkräfte getötet und 30 verletzt worden seien.

Prorussische Kräfte schossen in Slawjansk erneut einen Kampfhubschrauber der ukrainischen Armee ab. Die Besatzung des Mi-24 habe den Absturz in einen Fluss überlebt und sei von einem Spezialkommando in Sicherheit gebracht worden, teilte das Verteidigungsministerium mit. Bereits am Freitag waren zwei Mi-24 abgeschossen und ein Helikopter vom Typ Mi-8 stark beschädigt worden.

«Anti-Terror-Einsatz»
In Slawjansk nördlich der Gebietshauptstadt Donezk sind seit Tagen ukrainische Soldaten mit Panzerfahrzeugen und Hubschraubern im «Anti-Terror-Einsatz». Die 125’000 Einwohner zählende Stadt ist strategisch bedeutsam und ein wichtiger Eisenbahnknotenpunkt.

Die Separatisten rühmten sich, den Angriff der Regierungstruppen zurückgeschlagen zu haben. «Wir konnten unter grossen Anstrengungen ein Eindringen des Gegners in die Stadt verhindern. In unseren Reihen gibt es viele Tote», zitierte die Agentur Interfax einen Sprecher der Separatisten. Kugeln hätten eine Gastankstelle getroffen, die explodiert sei, meldete die Agentur unter Berufung auf Aktivisten.

Innenminister Awakow sprach von etwa 800 bewaffneten Separatisten, die die Stellungen in Slawjansk hielten. «Sie setzen schwere Waffen ein, schiessen mit grosskalibrigen Waffen, benutzen Granatwerfer und sonstige Technik», schilderte er. Die Regierungstruppen hätten trotz der Gegenwehr den Fernsehturm der Stadt eingenommen. Nun würden wieder ukrainische Fernsehsender ausgestrahlt.

Kaum Chancen auf Rückgewinnung der besetzten Gebiete
Trotz «Anti-Terror-Einsätzen» auch in anderen Regionen rechnet die Übergangsregierung in Kiew kaum noch mit einer Rückgewinnung der von Separatisten beherrschten Gebiete. Interimspräsident Alexander Turtschinow machte dafür erneut Russland verantwortlich und warf Moskau Kriegstreiberei vor. «Es ist ein Krieg gegen unser Land im Gange vonseiten der Russischen Föderation – sowohl im Osten als auch im Süden des Landes», sagte er dem Kiewer Fernsehsender 5. Kanal. Russland versuche die Lage vor der Präsidentenwahl am 25. Mai «völlig zu destabilieren».

Steinmeier warnte Russland davor, die Wahl in der Ukraine zu torpedieren. «Wir nehmen zur Kenntnis, dass Moskau sagt: «Die ukrainische Regierung ist illegitim.» Aber wenn man das sagt, kann man nicht gleichzeitig versuchen, Wahlen zu verhindern», sagte er in der ZDF-Sendung «Was nun?». Russland könne selbst kein Interesse daran haben, dass sein Nachbarland «völlig kollabiert».

Der deutsche Bundespräsident Joachim Gauck forderte Schritte aller Beteiligten zur Entspannung und Gesprächsbereitschaft. «Es ist für uns in Europa nicht hinnehmbar, dass mit Drohungen Politik gemacht wird», sagte er bei einem Besuch in Tschechien.

Weitere Sanktionen im Gespräch
Lawrow forderte, das Aussenministertreffen des Europarats müsse bei der Umsetzung einer tiefgreifenden Verfassungsreform in der Ukraine helfen. Zudem müsse der Europarat Menschenrechtsverletzungen in der früheren Sowjetrepublik im Zuge des Machtwechsels genau untersuchen.

Unterdessen wollen sich die USA mit ihren europäischen Verbündeten über weitere Sanktionen gegen Russland wegen der Ukraine-Krise abstimmen. Staatssekretär David Cohen aus dem US-Finanzministerium beginnt dazu am Dienstag eine viertägigen Reise nach Deutschland, Frankreich und Grossbritannien. Dabei soll es auch um mögliche Strafmassnahmen gegen ganze russische Wirtschaftszweige gehen, wie das Finanzministerium in Washington mitteilte.

Deutschland wird nach der Freilassung der westlichen Militärbeobachter vorerst an keinen weiteren Militärmissionen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) in der Ukraine teilnehmen. Die sieben Militärbeobachter – darunter vier Deutsche – waren am Samstag wieder freigelassen worden. (awp/mc/ps)

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