Ukraine-Krise: G20 besorgt – «Bedrohung für Weltkonjunktur»

Ukraine-Krise: G20 besorgt – «Bedrohung für Weltkonjunktur»

Joe Hockey, australischer Finanzminister. (Foto: g20.org)

Washington – Die G20-Gruppe der führenden Industrie- und Schwellenländer sieht die Ukraine-Krise als eine mögliche Bedrohung für die Weltkonjunktur. «Wir beobachten die wirtschaftliche Situation in der Ukraine mit Blick auf jegliche Risiken für die ökonomische und finanzielle Stabilität», erklärten die Finanzminister und Notenbankchefs der G20 am Freitag nach einem Treffen bei der Frühjahrstagung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank in Washington.

Zugleich hob die Gruppe, zu der auch Russland gehört, die wichtige Rolle des IWF bei der Verhandlung über Milliardenhilfen mit der ukrainischen Regierung hervor, die zur Arbeit an «bedeutenden Reformen» bereit sei. Laut dem australischen Finanzminister Joe Hockey, deren Land derzeit die G-20-Präsidentschaft innehat, führte das Thema nicht zu Spannungen bei dem Treffen. Dagegen hiess es aus Teilnehmerkreisen, dass Moskau die Ukraine-Krise eigentlich nicht im Communiqué berücksichtigt haben wollte.

Schäuble: Problem gemeinsam lösen
Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble sprach sich in dem Konflikt für eine partnerschaftliche Lösung zusammen mit Russland aus. «Wir sind uns einig, dass wir gemeinsam dieses Problem lösen müssen», sagte er. Das Interesse aller an einer kooperativen Lösung überwiege: «Wir laden Russland wieder und wieder ein und wollen es Russland nicht schwer machen.» Es dürfe keine Eskalation geben.

Vor Aussenpolitik-Experten sagte Schäuble aber: «Russland bietet gegenwärtig kein sehr attraktives Modell für Schwellenländer. Und Russlands Wirtschaftsausblick ist eher düster.» Globalisierung gelinge nur auf Basis von Partnerschaft und gegenseitiger Anerkennung und nicht mit Hegemoniebestreben. «Deshalb wird der gegenwärtige imperiale Moment Russlands das bleiben, was er ist – ein Moment.»

USA blockieren geplante IWF-Reform
Am Rande der Frühjahrstagung waren auch die Finanzminister und Notenbankchefs der G7-Länder zu Beratungen über die Krise zusammengekommen. Schäuble hatte sich zudem mit seinem russischen Amtskollegen Anton Siluanow zu bilateralen Gesprächen getroffen. Am Samstag will er auch den ukrainischen Ressortchef sprechen.

In ihrer Abschlusserklärung forderten die G20-Vertreter ferner die USA mit ungewöhnlich klaren Worten zur Ratifizierung der geplanten IWF-Reform auf. Sollte der Kongress in Washington die Veränderungen nicht bis zum Jahresende beschliessen, behalte sich die Gruppe alternative Schritte vor. Welche Massnahmen dann ergriffen werden könnten, wurde offengelassen.

Die 2010 beschlossene Quotenreform ist eine Neuordnung der Stimmrechte im IWF und eine Aufstockung seiner Mittel. Aufstrebende Länder wie China und Brasilien sollen mehr Gewicht erhalten. Eigentlich hätte sie bis zum Herbst 2012 verabschiedet werden sollen. Die Reform scheiterte vor wenigen Wochen im US-Kongress, obwohl die Regierung von Präsident Barack Obama sie ausdrücklich begrüsst. Ohne die Zustimmung der USA als grösster Anteilseigner kann sie nicht umgesetzt werden. Die G20 und der Währungsfonds äusserten sich «zutiefst enttäuscht» über die Blockade.

Niedrige Inflation in der Eurozone
Die USA zeigten sich bei der Tagung besorgt über die niedrige Inflation in der Eurozone. «Es muss mehr getan werden, um das Wachstum zu unterstützen und eine weiter sinkende Inflation zu vermeiden», sagte US-Finanzminister Jack Lew laut einer Mitteilung. Das würde auch den schwächeren Euroländern helfen, das Wachstum, Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen anzukurbeln. Der Präsident der deutschen Bundesbank, Jens Weidmann, wies die Sorgen zurück.

Lew lobte Fortschritte bei der Bankenunion und nannte den geplanten Stresstest für die europäischen Finanzinstitute «sehr wichtig», um die Zuversicht und die Kreditvergabe in der Währungsunion zu verbessern. Es müsse aber in der Eurozone noch mehr für die Stabilität des Bankensystems getan werden.

Länder mit «exzessiv grossen Leistungsbilanzüberschüssen» hätten noch immer nicht genügend für die Binnennachfrage getan, kritisierte Lew weiter, ohne Deutschland namentlich zu erwähnen. Solche Länder sollten helfen, weltweit für einen Ausgleich des Wachstums zu sorgen, anstatt den Prozess zu behindern. (awp/mc/ps)

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