Ukraine rüstet sich für Krieg
Berlin / Brüssel / Moskau – Die Ukraine rüstet sich für einen Krieg mit Russland. Präsident Wolodymyr Selenskyj kündigte eine Teilmobilmachung von Reservisten an. Es ist geplant, den Ausnahmezustand für 30 Tage auszurufen. Das Aussenministerium in Kiew rief die schätzungsweise mehr drei Millionen Ukrainer in Russland zur Ausreise auf.
Am feierlichen Tag des Vaterlandsverteidigers rechtfertige Präsident Wladimir Putin in Moskau sein Vorgehen mit der Ignoranz des Westens. «Aber ich wiederhole: Die Interessen Russlands und die Sicherheit unserer Bürger sind für uns bedingungslos», sagte er an dem Feiertag, an dem ehemals sowjetische Staaten ihre Streitkräfte ehren. «Heute bleibt die Sicherung der Verteidigungsfähigkeit unseres Landes die wichtigste staatliche Aufgabe.»
Putin hatte am Montag die Unabhängigkeit der Separatistenregionen Donezk und Luhansk in der Ostukraine anerkannt und eine Entsendung russischer Soldaten angeordnet. Der Kremlchef plant zum zweiten Mal nach 2014 einen Einmarsch in die Ukraine.
Der Westen wirft Putin vor, gegen Völkerrecht zu verstossen. Russland hat nach westlichen Angaben etwa 150 000 Soldaten an der Grenze zur Ukraine zusammengezogen.
Im Konfliktgebiet in der Ostukraine zählten internationale Beobachter erneut mehr als 1000 Explosionen. Dort stehen sich die ukrainische Armee und prorussische Separatisten gegenüber.
Breit abgestützte Strafmassnahmen
Die USA und ihre Verbündeten antworteten geschlossen auf die russische Aggression: Nach der Europäischen Union, Grossbritannien und den Vereinigten Staaten zogen Japan, Australien und Kanada mit Strafmassnahmen nach.
Die Sanktionen zielen vor allem auf russische Banken, Geschäftsleute und Entscheidungsträger, die die Politik von Präsident Wladimir Putin mittragen. Putin selbst steht nach EU-Angaben nicht auf der Liste. Die EU-Strafmassnahmen sollten noch am Mittwoch in Kraft treten.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Vortag die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2, ein milliardenschweres russisches Prestigeprojekt, auf unbestimmte Zeit auf Eis gelegt. Aus Moskau kam die Drohung mit höheren Gaspreisen.
Aussenministerin Annalena Baerbock warf Putin Lügen vor, signalisierte aber auch Bereitschaft zu Verhandlungen. «Wenn man vor einer Woche A gesagt hat und jetzt das Gegenteil tut, dann hat man nicht die Wahrheit gesagt. Oder auf Deutsch: Dann hat man gelogen», sagte sie. «Auch in der härtesten Krise müssen wir das Fenster für Gespräche immer offen halten. Wir wollen Krieg verhindern.»
Russland kündigt «starke Antwort» an
Russland kündigte auf die von den USA verhängten Sanktionen eine «starke Antwort» an. Diese müsse «nicht unbedingt symmetrisch, aber austariert und spürbar für die amerikanische Seite» sein, teilte das Aussenministerium in Moskau mit.
Ein Energieembargo der EU würde die russische Wirtschaft nach Einschätzung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) hart treffen – die Wirtschaft in Deutschland und der EU aber kaum. «Demnach hätte ein Handelsstopp mit Gas einen Einbruch der russischen Wirtschaftsleistung um knapp 3 Prozent zur Folge, ein Handelsstopp mit Öl einen Einbruch um gut 1 Prozent», lautet der Befund.
Angesichts der Kriegsgefahr sagte der ukrainische Präsident am Dienstagabend in einer Videobotschaft: «Wir müssen operativ die Armee und andere militärische Formationen auffüllen.
Nach Angaben des Sicherheitsrates ist während des Ausnahmezustandes die Verhängung von Ausgangssperren möglich. Die Zustimmung des ukrainischen Parlaments stand aus, galt aber als sicher.
Der ukrainische Grenzschutz erliess mehrere Verbote. Der Aufenthalt in der Nähe der Grenzen zu Russland, Belarus und den ostukrainischen Separatistengebieten sei zur Nachtzeit verboten.
Das Weisse Haus schloss ein Treffen von US-Präsident Joe Biden mit Putin vorerst aus. Die USA verlegen zusätzliche Soldaten und Ausrüstung nach Osteuropa. Biden nannte Putins Vorgehen den «Beginn einer Invasion». Er rechnet weiter mit einem grossangelegten Angriff. (awp/mc/ps)