Kiew – Inmitten der nun seit fast einem Jahr andauernden russischen Invasion will der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj den geplanten EU-Beitritt seines Landes weiter vorantreiben. Von einem EU-Ukraine-Gipfel Ende dieser Woche erwarte Kiew sich «Neuigkeiten», sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Dienstag.
Frankreich kündigt unterdessen die Lieferung weiterer Haubitzen an. Und Moskau räumte mit Blick auf die vielerorts chaotische Mobilisierung von Rekruten im vergangenen Herbst die rechtswidrige Einberufung Tausender Männer ein. Deutschlands Vizekanzler spricht sich gegen die Lieferung von Kampfjets an Kiew aus.
Selenskyj: Erwarten Entscheidungen unserer EU-Partner
«Wir erwarten Entscheidungen unserer Partner in der Europäischen Union, die (…) unserem Fortschritt entsprechen. Fortschritt, der offensichtlich da ist – und das sogar trotz des grossflächigen Kriegs», sagte Selenskyj. Er bekräftigte, dass in Kiew an Reformen gearbeitet werde. An dem EU-Ukraine-Gipfel am Freitag sollen dem Vernehmen nach unter anderem EU-Ratspräsident Charles Michel und Kommissionschefin Ursula von der Leyen teilnehmen.
Der Krieg hat bei vielen Ukrainern den Wunsch nach einer baldigen Aufnahme in die EU noch einmal verstärkt. Seit Juni ist das Land EU-Beitrittskandidat. Verbunden damit sind allerdings Auflagen unter anderem bei der Korruptionsbekämpfung.
Habeck spricht sich gegen Kampfjets für die Ukraine aus
Der deutsche Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) hat sich gegen die Lieferung von Kampfjets an die Ukraine ausgesprochen. In der ZDF-Sendung «Markus Lanz» sprach Habeck am Dienstagabend von einem «Balanceakt» zwischen der «maximalen Unterstützung» der Ukraine, ohne dass Deutschland dabei selbst Kriegspartei werde. «Und das ist natürlich nicht ganz klar, wo dort die Linie verläuft.»
Nach dem, was er wisse, brauche die Ukraine für die modernen, westlichen Kampfjets die Wartung des Westens, der damit «wahrscheinlich» dann einen Schritt zu weit gehen könnte, meinte Habeck. Es sei richtig, der Ukraine Kampfpanzer zu liefern. «Aber zwischen den Kriegspanzern und Kampfjets ist ein Unterschied.»
Frankreich liefert zwölf weitere Caesar-Haubitzen an die Ukraine
Frankreich liefert zwölf weitere Caesar-Haubitzen an die Ukraine. Das hat Frankreichs Verteidigungsminister Sébastien Lecornu bei einem Besuch seines ukrainischen Amtskollegen Oleksij Resnikow in Paris angekündigt. Frankreich habe der Ukraine bereits 18 dieser Haubitzen geliefert und habe nun mehrere Dutzend Millionen Euro zur Wartung der Kanonen freigemacht, sagte Lecornu. Ausserdem soll die Ukraine von Frankreich ein Luftüberwachungsradar vom Typ GM 200 erhalten sowie Treibstofflieferungen.
Griechenland liefert der Ukraine keine Leopard-Panzer
Griechenland wird wegen der Spannungen mit der Türkei keine Leopard-Panzer an die Ukraine liefern. Dies teilte der griechische Regierungschef Kyriakos Mitsotakis während eines Besuches in Japan mit. «Wir werden Leopard-2 aus dem einfachen Grund nicht geben, weil sie für unsere Verteidigungsstrategie absolut notwendig sind», so Mitsotakis. Die Beziehungen zwischen Griechenland und der Türkei gehen wegen eines Disputs um Hoheitsrechte im östlichen Mittelmeer zurzeit durch eine sehr angespannte Phase.
Moskau räumt ein: Mehr als 9000 Männer fälschlicherweise mobilisiert
Russland hat eingeräumt, seit dem vergangenen Herbst mehrere Tausend Männer zu Unrecht für den Krieg gegen die Ukraine in die Armee eingezogen zu haben. «Mehr als 9000 Bürger, die unrechtmässig mobilisiert wurden, wurden zurück nach Hause gebracht – darunter auch diejenigen, die aus gesundheitlichen Gründen auf keinen Fall hätten einberufen werden dürfen», sagte Generalstaatsanwalt Igor Krasnow bei einem Treffen mit Putin.
Kritische Beobachter gehen allerdings davon aus, dass bei der im vergangenen September von Putin angeordneten Mobilmachung noch deutlich mehr Menschen gesetzeswidrig rekrutiert wurden – und möglicherweise nie zurückkehrten. Insbesondere in den ersten Wochen wurden vielerorts chaotische Zustände in den Kreiswehrersatzämtern geschildert. Diese hatten landesweit insgesamt 300 000 Männer für die Front eingezogen.
Ukraine: Seit Kriegsbeginn gut 13 000 Menschen an Ausreise gehindert
Der ukrainische Grenzschutz hat seit dem russischen Einmarsch im vergangenen Jahr eigenen Angaben zufolge mehr als 13 000 Menschen am Verlassen des Landes gehindert. «Insgesamt wurden seit dem 24. Februar an der grünen Grenze mehr als 9100 Personen festgenommen», sagte der Sprecher der Behörde, Andrij Demtschenko. Der grösste Teil von ihnen sei an Grenzabschnitten zu Rumänien und Moldau aufgegriffen worden. Im Rahmen der allgemeinen Mobilmachung wurde zu Kriegsbeginn für wehrpflichtige Ukrainer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren ein Ausreiseverbot mit wenigen Ausnahmen verhängt. (awp/mc/pg)