Davos – Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj reist ans Weltwirtschaftsforum (WEF) von kommender Woche in Davos. Der Ukraine-Krieg ist dabei nur eines von vielen Krisenthemen an dem Elitetreffen. Die teilnehmenden Politiker und Wirtschaftsleute sollen helfen, weitere Eskalationen zu vermeiden und Vertrauen zu schaffen.
Das Weltwirtschaftsforum findet zum 54. Mal statt. Vom 15. bis 19. Januar treffen sich im Bündner Ferienort Davos 2800 Teilnehmer, darunter 60 Staats- und Regierungschefs, Unternehmensführer und Vertreter gesellschaftlicher Organisationen sowie Medien. Sie diskutieren über globale Herausforderungen. Hochkarätig besetzt sind die Delegationen aus der Ukraine, dem Nahen Osten und China.
Das diesjährige Treffen finde vor dem kompliziertesten geopolitischen Hintergrund seit Jahrzehnten statt, sagte WEF-Präsident Børge Brende an einer virtuellen Medienkonferenz am Dienstag zu den Schwerpunkten der diesjährigen Jahrestagung. Staaten müssten Wege finden, zusammenzuarbeiten und eine weitere Eskalation der Konflikte weltweit zu vermeiden. Das WEF wolle dazu eine Plattform bieten.
Der Leitsatz für dieses Jahr lautet «Rebuilding Trust» («Vertrauen wiederaufbauen»). Die Teilnehmenden diskutieren konkret über Kooperationen in der fragmentierten Welt, aber auch über die Schaffung von Jobs, den Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) sowie das Klima, die Umwelt und die Energieversorgung.
Im Schatten zweier Kriege
Das Treffen steht dieses Jahr im Schatten gleich zweier kriegerischer Konflikte: des jüngsten Krieges in Nahost zwischen Israel und der radikalislamischen Hamas sowie des seit knapp zwei Jahren andauernden Angriffskrieges Russlands gegen die Ukraine.
Der ukrainische Präsident Selenskyj will gemäss den WEF-Organisatoren nach Davos reisen. Selenskyj werde persönlich am WEF teilnehmen, teilte eine WEF-Sprecherin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. Der ukrainische Präsident will unter anderem eine Ansprache halten und bei einem Treffen mit CEOs teilnehmen.
Seit Februar 2022 führt Russland einen grossangelegten Angriffskrieg gegen die Ukraine. Deren Präsident Selenskyj ist bemüht, sich die Unterstützung der Weltgemeinschaft auch nach knapp zwei Jahre andauerndem Krieg zu sichern.
Unmittelbar vor Beginn des WEF findet am Sonntag in Davos das 4. sogenannte Friedensformel-Treffen zur Ukraine statt. Dabei diskutieren die Sicherheitsberater zahlreicher Länder über die Zukunft der Ukraine und die sogenannte ukrainische Friedensformel mit einem Zehn-Punkte-Plan für ein Ende des russischen Angriffskrieges. Um eigentliche Friedensgespräche handelt es sich aber nicht. Russland ist nicht dabei.
Die Konferenzen dienen vor allem dazu, die Verbündeten der Ukraine bei der Stange zu halten. Es wurden rund 120 Staaten zur Konferenz in Davos eingeladen.
Die geplante Reise nach Davos ist Selenskyjs erster Besuch in der Schweiz seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Im vergangenen Jahr war Selenskyjs Ehefrau Olena Selenska persönlich Gast am WEF. Der Präsident selber richtete sich wie schon im Jahr zuvor in einer Videoschaltung an die Teilnehmenden. Zuletzt war Selenskyj 2020 persönlich in der Schweiz, ebenfalls am WEF.
Chinas Premier, Israels Präsident und Macron
Zu den weiteren prominenten Teilnehmenden zählen laut den Organisatoren Chinas Premierminister Li Qiang, Israels Präsident Isaac Herzog, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Uno-Generalsekretär António Guterres.
Vor dem Hintergrund des Krieges in Nahost ist auch die Teilnahme von Ministern mehrere Staaten aus der Region, darunter Jordanien, Libanon, Irak und Katar, von Bedeutung. Aus den USA sollen Aussenminister Antony Blinken und der nationale Sicherheitsberater Jake Sullivan anreisen.
Aber auch aus Südamerika sind illustere Gäste dabei. Der ultraliberale argentinische Präsident Javier Milei plant einen Besuch in Davos.
Teilnehmen werden auch mehrere Bundesräte, angeführt von Bundespräsidentin Viola Amherd. Im Fokus stehen dürften dabei auch in diesem Jahr Treffen mit Vertretern der EU. Der Bundesrat will in diesem Jahr mit der EU über ein Paket von Abkommen verhandeln zu den künftigen Beziehungen.
Fast die Hälfte der Gäste am WEF sind Wirtschaftsvertreter. Rund 800 CEOs wollen nach Davos reisen. Aus Lateinamerika und Asien verzeichnet das WEF eine Rekordteilnahme. Dies reflektiere die globalen wirtschaftlichen Umwälzungen, hiess es von den Organisatoren.
Rund 150 Technologie-Pioniere aus den Bereichen KI, Quantenmechanik, Biologie, Raumfahrt und Klima seien dabei. Auch Sam Altman, Begründer des Chatroboters ChatGPT, wird in die Bündner Berge kommen. (awp/mc/ps)