Uniper nach neun Monaten mit Verlust von 40 Milliarden Euro
Düsseldorf – Uniper geht mit einem mittleren zweistelligen Milliardenverlust in die finale Verhandlungsphase zur Verstaatlichung. Bis Ende September belief sich der ausgewiesene Nettoverlust in diesem Jahr auf 40,3 Milliarden Euro, teilte Deutschlands grösster Gasimporteur am Donnerstag bei der Vorlage des Zwischenberichts in Düsseldorf mit. Gut drei Viertel entfallen auf zu erwartende Bewertungseffekte bei Derivaten sowie Rückstellungen im Zusammenhang mit den russischen Gaskürzungen. Zehn Milliarden Euro Verlust sind bereits realisiert. Eine genauere Ergebnisprognose traut sich der vor der Verstaatlichung stehende Energiekonzern nicht zu. Dies sei derzeit und bis auf Weiteres nicht möglich, sagte Finanzchefin Tiina Tuomela in der Telefonkonferenz mit Analysten.
Die im SDax notierte Aktie verlor am Donnerstagvormittag zeitweise knapp vier Prozent auf etwas mehr als drei Euro. Laut Analyst Vincent Ayral von der US-Bank JPMorgan könnte eine Kapitalerhöhung mit einem Volumen von 36 Milliarden Euro erforderlich sein, was die Minderheiten von Uniper weiter verwässern würde. Bislang ist eine Kapitalerhöhung von 8 Milliarden Euro vorgesehen. Seit Jahresbeginn beläuft sich das Minus der Aktie auf mehr als 90 Prozent. Der Börsenwert ist auf 1,1 Milliarden Euro geschrumpft.
Das Düsseldorfer Unternehmen ist in Schieflage geraten, weil Russland kein Gas mehr nach Deutschland liefert. Der Gas-Grosshändler hatte sich stark auf Lieferungen aus Russland ausgerichtet und ist Lieferant für über 100 Stadtwerke und grosse Unternehmen. Er spielt damit eine zentrale Rolle für die Erdgasversorgung in Deutschland.
Liquiditätsbedarf im Q3 nochmals verschärft
Im dritten Quartal hatte sich der Liquiditätsbedarf der Düsseldorfer nochmal verschärft, da Russland nach zunächst teilweisen Lieferkürzungen seit Anfang September kein Gas mehr nach Deutschland liefert. Während die hohen Gaspreise Uniper vor einem Jahr noch ordentlich Schwung gegeben hatten, sind sie nun das Kernproblem. Das aus Russland fehlende Gas muss sich das Unternehmen nun teurer auf dem Gasmarkt beschaffen.
Entsprechend hängt Unipers Gesamtjahresergebnis extrem von dem stark schwankenden Gaspreis ab. Wie dieser sich entwickeln wird, dazu will Uniper keine konkreten Annahmen machen. «Es hängt alles vom Wetter ab», sagte Tuomela. Nach dem Rekordhoch Ende August ist der Gaspreis in den vergangenen Wochen deutlich gesunken, was bei Uniper dazu geführt hat, dass nahezu keine Verluste durch Ersatzbeschaffungsmengen anfielen.
Verluste von 60 bis 100 Millionen Euro – pro Tag
Laut Berechnungen der Analysten vom Bankhaus Metzler entsprechen die gebildeten Rückstellungen einem durchschnittlichen täglichen Verlust von 60 Millionen Euro in den nächsten anderthalb Jahren, also bis zum Ende der Heizperiode des Winters 2023/2024. Im August lagen die Verluste zwischenzeitlich bei mehr als 100 Millionen Euro am Tag.
Die gebildeten Rückstellungen für zukünftige Verluste unterliegen den Angaben des Unternehmens zufolge der Annahme, dass kein weiteres Gas aus Russland kommt. Ausserdem wurde ein bestimmter Preis für die Ersatzbeschaffung angelegt, welchen nannte Uniper nicht. Auch eine Gasumlage oder ein ähnliches staatlich eingeführtes Instrument wird nicht angenommen. Sollte der Konzern einen Teil seiner Verluste weitergeben können, könnten sich die Verluste reduzieren.
Wegen der Liquiditätsprobleme hatten sich der Konzern, die deutsche Regierung, und Unipers bisheriger Mehrheitsaktionär Fortum aus Finnland vor einem Monat auf eine Verstaatlichung von Uniper verständigt. Dabei ist unter anderem eine Kapitalerhöhung sowie der Erwerb der Uniper-Anteile von Fortum vorgesehen. Anschliessend soll der Bund etwa 98,5 Prozent der Anteile an Uniper besitzen. Die Abstimmung mit der Bundesregierung für das Stabilisierungspaket sei in der finalen Phase, hiess es nun. Die Aktionäre sollen auf einer ausserordentlichen Hauptversammlung in der zweiten Dezember-Hälfte zustimmen.
Zudem müssen die Anteilseigner ebenfalls zum Jahresende vermutlich noch ein zweites Mal zusammen kommen. Da sich Unipers Verluste auch auf das bilanzielle Eigenkapital auswirken, musste der Konzern Ende Oktober den Verlust von mehr als der Hälfte des Grundkapitals anzeigen. Aktienrechtlich zieht dies die Pflicht zur Einberufung einer ausserordentlichen Hauptversammlung nach sich. Bei der will das Management die Anleger über den Verlust informieren und die Lage der Gesellschaft erläutern.
14 von 18 Milliarden Euro Kreditlinie in Anspruch genommen
Bis das Stabilisierungspaket ausgestaltet ist, hilft die staatliche KfW-Bank. Bislang hat Uniper 14 von 18 Milliarden Euro der bereit gestellten Kreditlinie in Anspruch genommen, hiess es nun. Die vor gut einer Woche vorgelegten vorläufigen Zahlen bestätigte der Konzern. Demnach belief sich der bereinigte operative Verlust vor Zinsen und Steuern auf knapp 4,8 Milliarden Euro. Der bereinigte Konzernfehlbetrag beträgt 3,2 Milliarden Euro. Die beiden Kennziffern sollen die operative Entwicklung des Konzerns widerspiegeln und sind um Bewertungseffekte bereinigt. (awp/mc/ps)