Washington / Riad – In der Affäre um den getöteten saudischen Journalisten Jamal Khashoggi schliesst auch US-Präsident Donald Trump eine Verstrickung von Kronprinz Mohammed bin Salman nicht mehr aus. Der Prinz führe derzeit in zunehmendem Masse die Regierungsgeschäfte Saudi-Arabiens, sagte Trump dem «Wall Street Journal». «Er hat das Sagen, und wenn es also irgendjemand gewesen wäre, dann er.»
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan erklärte am Mittwoch in Ankara, sein Land werde dafür sorgen, dass der «Mord» nicht verschleiert werde. Die Verantwortlichen könnten sich der Justiz nicht entziehen. Man werde weiter Ermittlungsergebnisse mit den Partnern teilen, um «Licht ins Dunkel zu bringen», sagte Erdogan.
Die Spurensuche geht derweil weiter. Als nächstes wollen türkische Ermittler einen Brunnen im Garten des saudischen Konsulats in Istanbul untersuchen. Medienberichten zufolge hatten saudischen Behörden die türkische Polizei zuvor nicht an den Brunnen herangelassen. Erst am Mittwochnachmittag sei die Erlaubnis erteilt worden, meldete die regierungsnahe Zeitung «Sabah».
Das saudische Königshaus hatte erst nach massivem internationalem Druck zugegeben, dass der Regimekritiker Anfang Oktober im Istanbuler Konsulat des Landes getötet worden war, als er dort Papiere für seine Hochzeit abholen wollte. Nach Angaben aus Riad starb der Journalist versehentlich bei einer Schlägerei. 18 saudische Staatsangehörige wurden festgenommen. Jede Verstrickung von Kronprinz Mohammed bin Salman weist das Königshaus aber zurück.
Erhebliche Zweifel an saudischer Version
An der saudischen Version gibt es jedoch erhebliche Zweifel. Erdogan hatte am Dienstag von einem «brutalen Mord» gesprochen. Zahlreiche Spuren führen zudem ins direkte Umfeld des Kronprinzen. Trump sagte dem «Wall Street Journal» weiter, er glaube nicht, dass König Salman vorab über die Tötung informiert worden sei. Als starker Mann in dem Königreich gilt aber ohnehin der Thronfolger und Sohn des Königs.
Für das Weisse Haus steht in der Affäre viel auf dem Spiel, weil es enge Verbindungen zu Mohammed bin Salman pflegt. Vor allem Trumps Schwiegersohn und Nahostbeauftragter Jared Kushner pflegt gute Kontakte zu dem 33 Jahre alten Thronfolger. Das sunnitische Saudi-Arabien ist für die USA zudem ein wichtiger Abnehmer von Waffen und Partner im Kampf gegen den schiitischen Iran.
Trump sagte am Dienstagabend im Weissen Haus vor Journalisten, er habe am Vortag mit dem Kronprinzen gesprochen. Der habe nachdrücklich gesagt, dass er damit nichts zu tun gehabt habe. Die Sache habe sich auf einer niedrigeren Ebene abgespielt. Trump wolle dem Glauben schenken, zitierte ihn das «WSJ»: «Ich will ihnen wirklich glauben.»
«Eine der schlechtesten Vertuschung in der Geschichte von Vertuschungen»
Trump liess offen, wer für das «totale Fiasko» verantwortlich sein könnte. Aus seiner Sicht ist die Tötung Khashoggis aber dilettantisch verschleiert worden. «Die Vertuschung war eine der schlechtesten in der Geschichte von Vertuschungen.»
Die USA hatten am Dienstag erste Strafmassnahmen gegen Saudi-Arabien eingeleitet. Das Aussenministerium teilte mit, 21 saudischen Verdächtigen im Fall Khashoggi werde entweder ihr Visum entzogen oder sie würden zu Personen erklärt, die für ein Visum zur Einreise in die USA nicht mehr in Frage kämen. Aussenminister Mike Pompeo zufolge sind diese Strafen noch nicht als letzte Wort in dieser Angelegenheit.
Frankreich legte am Mittwoch nach und drohte erstmals mit Sanktionen gegen Saudi-Arabien. Bevor es dazu komme, müssten aber die Tatsachen und die Verantwortlichkeit Saudi-Arabiens klar erwiesen und von französischen Geheimdiensten bestätigt worden sein, sagte Regierungssprecher Benjamin Griveaux in Paris. «Ich wundere mich, dass sich die Debatte nur um die Frage der Waffenlieferungen dreht.»
Bin Salman nennt Khashoggis gewaltsamen Tod abscheulich
Bin Salman selbst bezeichnete den gewaltsamen Tod des Journalisten als «abscheulichen Vorfall» bezeichnet. Die Tat sei «schmerzhaft» für alle Saudis und durch nichts zu rechtfertigen, sagte der Thronfolger am Mittwoch bei einer Investorenkonferenz in der saudischen Hauptstadt Raid. Sein Land unternehme alles, um die «Verbrecher» vor Gericht zu bringen. (awp/mc/ps/pg)