US-Inflation steigt auf höchsten Stand seit über 40 Jahren
Washington – Die Inflationsrate in den USA ist im Mai auf den höchsten Stand seit über 40 Jahren geklettert. Die Verbraucherpreise stiegen gegenüber dem Vorjahresmonat um 8,6 Prozent, wie das Arbeitsministerium am Freitag in Washington mitteilte. Dies ist der höchste Stand seit Dezember 1981. Volkswirte hatten hingegen mit einer unveränderten Inflationsrate von 8,3 Prozent gerechnet.
«Wir hatten darauf gesetzt, dass die US-Inflation ihren oberen Wendepunkt schon hinter sich hat, und wurden heute eines Besseren belehrt», kommentierte Volkswirt Dirk Chlench, Volkswirt bei der Landesbank Baden-Württemberg. «Grösste Preistreiber waren zwar erwartungsgemäss einmal mehr Kraftstoffe und Nahrungsmittel, aber die Preisanstiege erfolgen schon seit geraumer Zeit auf breiter Front.»
Energiepreise fast 35% höher als im Vorjahr
Die Energiepreise stiegen im Mai um 34,6 Prozent im Jahresvergleich. Dies ist der höchste Anstieg seit 2005. Die Benzinpreise legten sogar um 49 Prozent zu. Auch die Lebensmittelpreise stiegen mit 11,9 Prozent im Jahresvergleich deutlich. Dies ist der höchste Anstieg seit dem Jahr 1979. Rekordhohe Benzinpreise und geopolitische Faktoren dürften den Preisdruck auch künftig hoch halten. Der Krieg in der Ukraine und die Lockdowns in China sorgen für anhaltende Lieferkettenprobleme.
Im Vergleich zum Vormonat stiegen die Verbraucherpreise im Mai um 1,0 Prozent. Auch dies war mehr als erwartet. Im April waren die Preise lediglich um 0,3 Prozent zum Vormonat gestiegen.
Kerninflation bei 6,0%
Die Kernverbraucherpreise, bei der schwankungsanfällige Energie- und Lebensmittelpreise, herausgerechnet werden, stiegen im Jahresvergleich um 6,0 Prozent. Im Vormonat hatte die Rate noch bei 6,2 Prozent gelegen. Volkswirte hatten allerdings eine stärkere Abschwächung auf 5,9 Prozent prognostiziert.
Der US-Dollar und die Kapitalmarktzinsen in den USA stiegen in einer ersten Reaktion an. So gab der Euro deutlich nach und fiel auf ein Tagestief von 1,0521 Dollar. Die US-Währung legte auch gegenüber anderen Devisen zu. Das spricht dafür, dass die Finanzmärkte mit weiteren und deutlichen Zinsanhebungen durch die US-Notenbank Fed rechnen. Die Aktienmärkte gerieten daher unter Druck.
«Inflations- und Zinserwartungen werden nochmals unterstützt, zumal auch die Ölpreise weiterhin unerwartet hoch sind und die Benzinpreise in den letzten Wochen eine zusätzliche Aufwärtsdynamik entwickelt haben», kommentierte Ralf Umlauf, Analyst bei der Landesbank Hessen-Thüringen. «Die Fed wird sich daher in der Absicht bestätigt sehen, in der nächsten Woche das Leitzinsniveau um 0,5 Prozentpunkte zu erhöhen und auch im Juli weiter aggressiv gegen die Inflation vorzugehen», erwartet Umlauf.
Konsumklima fällt auf Rekordtief
Belastet durch die hohe Inflation ist die Stimmung der US-Verbraucher im Juni auf ein Rekordtief gefallen. Das von der Universität Michigan erhobene Konsumklima sank zum Vormonat um 8,2 Punkte auf 50,2 Punkte, wie die Universität am Freitag nach einer ersten Umfragerunde mitteilte. Dies ist niedrigste jemals gemessene Wert.
Die Erwartungen der Haushalte und die Beurteilung der aktuellen Lage verschlechterten sich merklich. Vor allem die hohe Inflation belaste die Erwartungen der Verbraucher, kommentierte Joanne Hsu, Leiterin der Umfrage. Vor allem die deutlich gestiegenen Benzinpreise machten Sorgen. Die Inflationserwartungen der Verbraucher legten auf hohem Niveau nochmals etwas zu. Sie erwarten auf Sicht von einem Jahr eine Inflationsrate von 5,4 Prozent, nachdem sie zuvor noch 5,3 Prozent erwartet hatten.
Der Indikator der Uni Michigan ist ein Mass für das Kaufverhalten der US-Verbraucher. Er basiert auf einer telefonischen Umfrage unter rund 500 Haushalten. Abgefragt werden die finanzielle und wirtschaftliche Lagebeurteilung sowie die entsprechenden Erwartungen. (awp/mc/pg)