US-Konzerne machen deutlich mehr Gewinn als europäische
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Zürich – Amerikas Top-Konzerne lassen ihre europäischen Konkurrenten hinter sich: Während Europa unter den Folgen der Schuldenkrise leidet, profitieren die US-Konzerne von der besseren Entwicklung der heimischen Wirtschaft und dem Fracking-Boom. Im Jahr 2012 konnten die 300 umsatzstärksten US-Unternehmen ihren Gewinn trotz weltweiter konjunktureller Schwierigkeiten um 2 Prozent steigern, die Gewinne der 300 grössten europäischen Unternehmen hingegen schrumpften um 8 Prozent.
Zudem wirtschaften die US-Unternehmen deutlich profitabler: Während die europäischen Unternehmen bei einem Gesamtumsatz von 7,5 Billionen Euro (plus 6 Prozent gegenüber 2011) einen Gewinn von 744 Milliarden Euro erzielten, erreichten die US-Konzerne mit einem geringeren Umsatz von umgerechnet 7,2 Billionen Euro (plus 5 Prozent gegenüber 2011) einen deutlich höheren Gewinn von umgerechnet 828 Milliarden Euro.
Der Gesamtgewinn der US-Unternehmen lag damit um 11 Prozent oder umgerechnet 84 Milliarden Euro höher als derjenige der europäischen Konzerne. Und während in den USA zwei Drittel der Unternehmen ein Gewinnwachstum verzeichneten, waren es in Europa lediglich 50 Prozent.
Shell und BP die umsatzstärksten europäischen Unternehmen
Das Ranking der umsatzstärksten europäischen Unternehmen führten im vergangenen Jahr – wie schon im Vorjahr – Royal Dutch Shell und BP an. Volkswagen kletterte vom vierten auf den dritten Platz und verdrängte den französischen Ölkonzern Total auf Rang vier. In den USA stehen wie im Vorjahr Wal-Mart, Exxon Mobil und Chevron auf dem Treppchen. Der Aufsteiger des Jahres ist Apple: Der Technologiekonzern konnte gegenüber dem Vorjahr vier Plätze im US-Umsatzranking gutmachen und liegt aktuell auf Rang 5.
Das sind Ergebnisse einer Studie des Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmens Ernst & Young, die die Bilanzzahlen der jeweils 300 umsatzstärksten börsennotierten Unternehmen in Europa und den USA analysiert. Nicht in die Analyse einbezogen wurden Banken, Versicherungen und Investmentgesellschaften.
Top-300-Unternehmen in Europa: Margen unter Druck
Die EBIT-Marge der 300 umsatzstärksten Unternehmen Europas sank binnen Jahresfrist von 11,4 Prozent auf 9,9 Prozent im Jahr 2012. Insgesamt sanken die Margen bei knapp zwei Dritteln (64 Prozent) der europäischen Konzerne. US-Unternehmen wirtschaften deutlich profitabler: Die Marge der untersuchten Konzerne lag hier bei insgesamt 11,6 Prozent (2011: 11,9 Prozent), knapp die Hälfte (47 Prozent) der Unternehmen erzielte eine höhere Marge als 2011.
Margen der Schweizer Unternehmen über dem europäischen Schnitt
Dem allgemeinen Preisdruck konnten sich die wenigsten Unternehmen entziehen – auch nicht in der Schweiz: Die EBIT-Marge der Schweizer Unternehmen in den Top 300 sank um 0,9 Prozentpunkte auf aktuell 10,6 Prozent, was allerdings noch immer leicht über dem europäischen Wert von 9,9 Prozent liegt. Mit dem Rückgang der EBIT-Marge sind die Schweizer Top-Konzerne aber in guter Gesellschaft: In allen grossen europäischen Ländern sind die Margen rückläufig, besonders stark in Grossbritannien (minus 3,2 Prozentpunkte) und Russland (minus 4,4 Prozentpunkte).
«Preissenkungen alleine helfen nicht weiter»
«Die Unternehmen in Europa geraten zunehmend unter Druck», beobachtet Markus Schweizer, Leiter Advisory Services der Region GSA (Germany, Switzerland, Austria) bei Ernst & Young. Die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit in den Krisenländern, die Sparmassnahmen der Regierungen und die geringe Investitionsbereitschaft der Unternehmen liessen eine Konjunkturerholung derzeit sehr unwahrscheinlich erscheinen: «Wichtige europäische Märkte stecken tief in der Rezession, und deren Ende ist nach wie vor nicht in Sicht.»
Um konkurrenzfähig zu bleiben, versuchen viele Unternehmen, mit Preissenkungen den Absatz anzukurbeln, was allerdings die Profitabilität senkt und letztlich sogar an die Substanz gehen kann: «Preissenkungen alleine helfen nicht weiter. Stattdessen sollten Unternehmen stärker auf die Effizienz ihrer Produktionsprozesse achten, ihre Marke stärken und die Produktpalette im Blick behalten. Die Devise muss lauten: Schlank und flexibel durch die Krise», rät Markus Schweizer.
Aufschwung für US-Industrie – Europa bleibt zurück
Der Aufstieg der US-Wirtschaft ist nicht nur ein Strohfeuer: In Zukunftsbranchen wie der Informationstechnologie oder der Gesundheitswirtschaft sind die Staaten hervorragend aufgestellt. Unternehmen aus diesen Branchen sind in den US-Top 300 deutlich stärker vertreten als im Europa-Ranking. Auch Konsumgüterhersteller (Non-Food) haben in den USA eine relativ grosse Bedeutung. Europa hingegen punktet im Vergleich im Bergbau, in der Telekommunikationsbranche und traditionell in der Industrie.
Gerade in diesem Sektor holen die USA allerdings derzeit massiv auf, so Markus Schweizer: «Die Industrie wurde in den USA lange Zeit vernachlässigt – nun erlebt sie eine regelrechte Renaissance.» Angeheizt werde der Aufschwung vom Fracking-Boom. «Billige Energie und dadurch niedrigere Preise – davon profitieren insbesondere Energie-intensive Unternehmen aus der Industrie. Da wird es nicht lange dauern, bis auch europäische Konzerne diesen Vorteil für sich nutzen und verstärkt Produktionskapazitäten in den USA aufbauen.»
Und die Wirtschaftsdynamik macht die USA nicht nur als Produktionsstandort, sondern auch als Absatzmarkt attraktiver: «Das gilt insbesondere für europäische Unternehmen: Um sich der Abwärtsspirale in Europa zu entziehen, müssen sie sich Stück für Stück aus der weitgehenden Abhängigkeit von ihrem Heimatmarkt befreien – die USA bieten da derzeit gute Chancen.»
Europa in der Abwärtsspirale – Schweiz stabil
Mit Glencore International ist die Schweiz mit einem Konzern in den Top 10 der 300 umsatzstärksten Unternehmen Europas vertreten. Wie im Vorjahr liegen insgesamt vier Unternehmen in den Top 50: Nestlé (19; 2011: 19), Novartis (39; 2011: 37) und Roche Holding (50; 2011: 50).
Die Schweizer Konzerne konnten ein Umsatzwachstum von 8 Prozent verzeichnen. Im Vergleich zu Europa (6 Prozent Umsatzwachstum) erweisen sich die Schweizer Top-Unternehmen somit als weiterhin stabil. Der Anteil der Schweizer Unternehmen, die ihre Umsätze steigern konnten, liegt mit 76 Prozent praktisch auf dem europäischen Durchschnitt von 77 Prozent. Und ein Blick über die Grenze zeigt: In Deutschland findet sich der höchste Anteil an Unternehmen mit steigenden Umsätzen. Dort erzielten ganze 92 Prozent der Konzerne im Jahr 2012 ein Umsatzplus.
«Die nähere Betrachtung zeigt, dass es selbst in der Konjunkturkrise Europas Gewinner gibt», erläutert Markus Schweizer. «Die verschärften Bedingungen auf dem europäischen Markt legen offen, welche Unternehmen sich nachhaltig erfolgreich aufgestellt haben – und welche in den Boom-Jahren nur auf der Erfolgswelle mitgeschwommen sind. Hier trennt sich nun die Spreu vom Weizen.» (E&Y/mc/pg)