US-Medtech-Firmen ziehen ganze Branche ins Minus

US-Medtech-Firmen ziehen ganze Branche ins Minus
(Foto: Pixabay)

Zürich – Die weltweiten Umsätze der Medtech-Unternehmen schrumpfen erstmals seit fast zehn Jahren. Grund dafür sind die US-Firmen, denen es zurzeit nicht rund läuft. Wie der aktuelle EY-Medtech-Report weiter zeigt, wird aber nach wie vor in Forschung und Entwicklung investiert: 2015 stiegen die Ausgaben im Vergleich zum Vorjahr um sechs Prozent. Der Marktwert der über 500 untersuchten Firmen erhöhte sich 2015 um 13 Prozent und legte seit Jahresbeginn 2016 erneut 15 Prozent zu.

Nach Jahren niedrigen Wachstums sind die Umsätze der globalen Medtech-Branche 2015 um 1,2 Prozent auf noch gut 337 Milliarden US-Dollar geschrumpft. Dabei fiel die Entwicklung in den USA und in Europa höchst unterschiedlich aus: Während die hiesigen Medtechs ihre Umsätze um 21 Prozent auf 129 Milliarden US-Dollar steigern konnten, fiel der Umsatz der US-Konkurrenz um 11 Prozent auf 209 Milliarden US-Dollar. Der kumulierte Nettogewinn der gesamten Branche sank 2015 insgesamt um 15 Prozent auf noch 13,7 Milliarden US-Dollar.

Trotz der rückläufigen Zahlen stand die Medtech-Branche an den Kapitalmärkten sehr gut da, auch im laufenden Jahr. Die Marktkapitalisierung aller untersuchten Medtech-Unternehmen stieg bis Ende 2015 um 13 Prozent auf 717 Milliarden US-Dollar. Zwar hatte diese in den Vorjahren noch stärker zugelegt, die Börsenwerte der wichtigsten Vergleichsindizes entwickelten sich aber deutlich schwächer. Im laufenden Jahr deutet alles auf eine weiter wachsende Börsenbewertung der Branche hin: In den ersten neun Monaten 2016 stieg der Marktwert bereits um 14,7 Prozent auf 822 Milliarden US-Dollar.

Zahl der Transaktionen auf Höchststand
Die Attraktivität der Medtech-Unternehmen zeigt sich auch bei den Transaktionen: Der M&A-Markt lief gegenüber dem Vorjahreszeitraum noch einmal zur Hochform auf. Die Gesamt­investitionen im untersuchten Zeitraum von Juli 2015 bis Juni 2016 betrug 77,4 Milliarden US-Dollar, eine Zunahme von 28 Prozent.

Die Investments waren sehr breit verteilt. So entfielen auf die 77,4 Milliarden US-Dollar alleine 47,2 Milliarden US-Dollar auf kleinere Deals mit einem Wert von unter zehn Milliarden US-Dollar. Die Zahl der Transaktionen stieg im Vergleich zum Vorjahr daher um 37 Prozent auf 213 und erreichte einen neuen Rekordwert.

Differenzierung bei der Finanzierung
Für Neulinge auf dem Börsenparkett war es kein gutes Jahr: Nach 41 IPOs von Juli 2014 bis Juni 2015 trauten sich im gleichen Zeitraum 2015/16 nur noch 15 Medtech-Unternehmen neu an die Börse. Die eingenommenen Mittel sanken um 74 Prozent auf 590 Millionen US-Dollar – den niedrigsten Wert seit 2012. Im laufenden Jahr wagten sich bis Ende September noch gerade mal zwei Unternehmen weltweit neu an die Börse.

Die Finanzierung durch den Kapitalmarkt oder über Schulden fiel zwar Ende Juni 2016 auf 20,2 Milliarden US-Dollar und damit auf den geringsten Wert in fünf Jahren – allerdings war in den vergangenen Jahren der überwiegende Anteil der Finanzierung durch Fremdkapital abgedeckt: Die Fremdkapitalfinanzierung fiel von 42 Milliarden (2014/15) auf 12 Milliarden US-Dollar (2015/16).

Der Medtech Leader von EY Schweiz, Jürg Zürcher, kommentiert: «Die Medtech-Unternehmen schaffen es nicht, mit ihren Produkten mehr Wachstum zu generieren. Ihnen fehlen Innovationen, die dem Kunden einen klaren Mehrwert bieten. Deswegen ist die Branche mitten in einer Transformation: Während einige im Wettbewerb vor allem auf Grösse und Portfoliotiefe setzen und nach geeigneten Übernahmekandidaten suchen, versuchen andere, die Kundenbedürfnisse breiter abzudecken.»

Mischkonzerne nach Verkäufen mit Umsatzeinbussen
Vor allem die Mischkonzerne mussten Umsatzeinbussen hinnehmen. Ihr Gesamtumsatz fiel um sechs Prozent auf 143 Milliarden US-Dollar. Die reinen Medizintechnik-Unternehmen erzielten zwar ein Wachstum von zwei Prozent auf 194 Milliarden US-Dollar. Aber auch sie blieben damit deutlich hinter der Entwicklung der Vorjahre zurück.

«Viele Mischkonzerne sind auf Schrumpfkurs, straffen ihr Portfolio und verkaufen Bereiche, die sie nicht mehr zu ihrem Kerngeschäft zählen», erklärt Zürcher. So hat sich etwa der deutsche Konzern Bayer von seiner Diabetes-Sparte getrennt und der amerikanische Konzern Johnson & Johnson von seiner Medizingerätetochter Cordis. Bei den reinen Medtechs ist die Entwicklung genau entgegengesetzt: Sie profitierten 2015 mit einem Umsatzanstieg von den im Vorjahr getätigten Übernahmen.

Vor allem junge Start-ups können mehr Geld einsammeln
Zudem setzten Investoren auf junge Medtech-Unternehmen und statteten Start-ups mit so viel Venture Capital (1,7 Milliarden US-Dollar) aus wie noch nie. Vor allem in der ganz frühen Early-Stage-Phase konnten Start-ups viel Geld einsammeln: «Es macht Mut, dass Investoren zunehmend die jungen Start-ups entdecken und fördern», findet Zürcher. «Lange Zeit standen vor allem kurzfristige Erfolge im Fokus, so dass sich Investoren auf grosse Medtech-Unternehmen konzentrierten, die Dividenden-Ausschüttungen versprachen. Diese Strategie kann für die Branche jedoch gefährlich werden, weil dadurch Gelder für Forschung und Entwicklung fehlen und echte Innovationen verhindert werden.»

Auf Innovationen hoffen die Unternehmen vor allem aus den Forschungs- und Entwicklungs-abteilungen, die 15 Milliarden US-Dollar und damit sechs Prozent mehr als im Vorjahr erhielten. Damit sind die Mittel in dem Bereich seit 2009 jedes Jahr gestiegen.

Immer stärkerer Zwang zur Veränderung
Für Zürcher wird der Zwang zur Veränderung und zur Innovation für die Medtech-Unternehmen sogar noch stärker: «Das Tempo der Veränderung nimmt zu. Megatrends wie Big Data oder digitale und mobile Technologien eröffnen auch den Medtech-Unternehmen neue Wachstums­chancen. Intelligente Medtech-Geräte können sich über das Internet verbinden und wichtige Daten austauschen. Mittels Big-Data-Analyse lassen sich etwa für Diabetes-Patienten bessere und effektivere Behandlungen erstellen.»

Zürcher geht von einer leichten Erholung der Branche im laufenden Jahr aus und rechnet nicht mit einer langfristigen Stagnation. Die Umsätze sind im ersten Halbjahr 2016 im Vergleich zur Vorjahresperiode wieder klar angestiegen. Die Herausforderungen bleiben jedoch gross und die aufgezeigte Transformation werde sich intensivieren. «Wachstum durch Akquisition war die vorherrschende Strategie der Medtech-Branche in den vergangenen Jahren. Das dürfte so bleiben, da sich die Unternehmen weiterhin auf ihre strategischen Prioritäten konzentrieren. In diesem Umfeld können Unternehmen nicht Geld an die Aktionäre auszahlen, sondern müssen in strategische Übernahmen und Partnerschaften investieren und die Forschung effizienter gestalten, um die dringend benötigten innovativen Produkte entwickeln zu können.» (EY/mc/pg)

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