Washington – Die US-Wirtschaft ist deutlich schwächer in das Jahr gestartet als erwartet. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg im ersten Quartal zum Vorquartal auf das Jahr hochgerechnet um 1,1 Prozent, wie das Handelsministerium am Donnerstag in Washington auf Basis einer ersten Schätzung mitteilte. Bankvolkswirte hatten im Schnitt mit einem Zuwachs um 2,0 Prozent gerechnet. Im vierten Quartal war die weltgrösste Volkswirtschaft noch um 2,6 Prozent gewachsen.
Der Preisauftrieb bleibt unterdessen hoch. Im ersten Quartal legte der von der US-Notenbank Fed besonders beachtete Kern-Preisindex PCE um 4,9 Prozent zu. Das lag sowohl über den Erwartungen von Analysten als auch über dem Wert des vierten Quartals.
Das Wirtschaftswachstum wurde laut Ministerium getragen durch den Konsum der privaten Haushalte, die Staatsausgaben, den Export und die Investitionen der Unternehmen. Für erhebliche Belastung sorgte dagegen die Lagerhaltung der Unternehmen. In dieselbe Richtung wirkten die Bauausgaben und die Importe.
«Das US-Wachstum enttäuscht deutlich, kann sich aber im positiven Bereich halten», kommentierten Ökonomen von der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Es bleibe spannend, ob die US-Notenbank Fed nach der erwarteten Zinserhöhung in der kommenden Woche zunächst eine Pause einlege. Viele Fachleute geben sich für die US-Wirtschaft pessimistisch. Es wird befürchtet, dass die weltgrösste Volkswirtschaft in eine Rezession abgleiten könnte. «Wir erwarten weiterhin, dass die Wirtschaft wegen der heftigen Zinserhöhungen der Fed im zweiten Halbjahr leicht schrumpft», erklärte Commerzbank-Experte Christoph Balz.
Bleibt Fed zunächst auf Zinsanhebungskurs?
Allerdings könnte der hohe Preisdruck die Fed dazu zwingen, zunächst auf Zinsanhebungskurs zu bleiben. Der US-Dollar legte in einer ersten Reaktion auf die PCE-Daten gegenüber vielen Währungen zu. Hinzu kamen robuste Daten vom Arbeitsmarkt: Die Erstanträge auf Arbeitslosenhilfe, ein zeitnaher Indikator für den Jobmarkt, waren in der vergangenen Woche deutlich zurückgegangen. Der Arbeitsmarkt spielt für die Fed eine grosse Rolle, da von ihm Lohnauftrieb und damit zusätzliche Inflationsgefahr ausgehen kann.
US-Wachstumszahlen werden annualisiert, also auf das Jahr hochgerechnet. Sie geben damit an, wie stark die Wirtschaft wachsen würde, wenn das aktuelle Tempo vier Quartale anhielte. In Europa wird auf diese Vorgehensweise verzichtet, weshalb die Wachstumszahlen nicht direkt miteinander vergleichbar sind. Um auf eine mit Europa vergleichbare Wachstumsrate zu kommen, müsste man die US-Rate durch vier teilen. (awp/mc/ps)