(Foto: Shell)
Anchorage – Das heftig umstrittene Arktis-Projekt des Rohstoffriesen Shell hat eine grosse Hürde genommen: Die zuständige US-Behörde stimmte der Förderung von Öl und Gas unter Auflagen zu. Es ist ein Erfolg für den britisch-niederländischen Konzern, der sich seit Jahren um die Erlaubnis bemüht, und eine empfindliche Niederlage für Umweltschützer. Allerdings fehlen noch weitere Zulassungen.
Shell will in der Tschuktschensee – 113 Kilometer entfernt von dem Dorf Wainwright an der Nordwest-Küste Alaskas – an bis zu sechs Stellen in relativ flachem Wasser bohren. Es soll bereits im Sommer losgehen. Andere Investitionen hat Vorstandschef Ben van Beurden wegen des niedrigen Ölpreises hinten angestellt. An die Bodenschätze in der Arktis zu kommen, blieb aber oben auf der Agenda.
Gigantische Öl- und Gasreserven
Nach Schätzungen der US-Energieagentur EIA könnten in der Region etwa 22 Prozent der weltweiten noch unentdeckten Öl- und Gasreserven liegen. Eine so grosse Rohstoffquelle zu erschliessen, würde die Abhängigkeit von Gaslieferungen aus Russland senken. Im Schnitt beziehen die EU-Staaten nach Angaben der EU-Kommission etwa 30 Prozent ihrer Erdgas- und 35 Prozent ihrer Rohölimporte aus Russland. Am Montag und Dienstag berieten die G7-Energieminister in Hamburg über die Sicherheit der Energieversorgung.
Umweltschützer empört
Umweltschützer befürchten unumkehrbare Schäden in dem empfindlichen Ökosystem der Arktis. «Diese Entscheidung stellt das grosse Ölgeschäft über die Menschen und setzt die Tier- und Pflanzenwelt der Arktis – und die Gesundheit unseres Planeten – aufs Spiel», kommentierte die Umweltschutzorganisation Earthjustice. sHellNO, eine lokale Kampagne aus Seattle (US-Bundesstaat Washington), will ab Samstag unter dem Motto «You Shell not Pass!» (Du wirst nicht durchkommen) Tausende Mitstreiter für einen dreitätigen Protest mobilisieren.
«Es gibt keine bewährte Methode, einer Ölpest im eisigen arktischen Wasser zu begegnen», sagte Susan Murray von der Organisation Oceana. Das Vorhaben von Shell sei riskant und unausgereift.
«Deepwater Horizon» als mahnendes Beispiel
Auch Greenpeace kämpft seit Jahren dafür, dass die Arktis frei von Bohrschiffen und -inseln bleibt. «Wissenschaftlich bewiesen ist, dass Öl aus der Arktis im Boden bleiben muss, wenn wir unter einer globalen Erwärmung von zwei Grad Celsius bleiben wollen», teilte Arktis-Expertin Larissa Beumer von der Umweltschutzorganisation mit. Zudem machten die extremen Bedingungen der Arktis einen Ölunfall sehr wahrscheinlich.
2010 hatte eine Explosion auf der vom Shell-Konkurrenten BP betriebenen Bohrinsel «Deepwater Horizon» die bislang schlimmste Ölkatastrophe verursacht. Elf Menschen kamen dabei ums Leben, Hunderte Millionen Liter Öl flossen in den Golf von Mexiko und richteten massive Schäden an.
Shell-Sprecher Curtis Smith teilte mit, dass die Zustimmung das «Vertrauen, das die Aufseher in unseren Plan haben», zeige. Aber es sei zwingend, dass die ausstehenden Genehmigungen, an denen die endgültige Zulassung noch hänge, rechtzeitig geliefert würden. Die zuständige US-Behörde BOEM (Bureau of Ocean Energy Management) betonte, sich die Entscheidung nicht einfach gemacht und die Risiken sorgfältig abgewogen zu haben. (awp/mc/pg)