US-Präsident Barack Obama.
New York – US-Präsident Barack Obama hat noch nicht über einen Militärschlag gegen Syrien entschieden. Obama machte am Mittwoch zwar das Regime von Präsident Baschar al-Assad für den mutmasslichen Giftgasangriff mit Hunderten Toten vor einer Woche verantwortlich. Über einen Angriff als Reaktion darauf habe er aber noch nicht entschieden, sagte Obama im TV-Sender PBS. Klar sei jedoch, dass es «internationale Konsequenzen» geben müsse.
Der US-Präsident hatte einen Giftgaseinsatz in dem seit mehr als zwei Jahre andauernden Bürgerkrieg in dem Land als «rote Linie» bezeichnet. Die Vorbereitungen für einen Militärschlag laufen auf Hochtouren.
Erkenntnisse der US-Geheimdienste werden noch diese Woche veröffentlicht
Die USA seien zu dem Schluss gekommen, das Assad-Regime sei für den Einsatz chemischer Waffen gegen die Bevölkerung verantwortlich. «Und wenn das so ist, müssen internationale Konsequenzen folgen», sagte Obama. Die Opposition hätte die Angriffe nicht ausführen können. Mehrere ranghohe US-Regierungsmitglieder hatten bereits zuvor klar gemacht, dass für sie das syrische Regime schuld an dem Angriff ist. Noch in dieser Woche sollten Erkenntnisse der US-Geheimdienste über den Giftgaseinsatz offengelegt werden.
Entscheid noch nicht gefallen?
Die Armee habe ihm verschiedene Handlungsmöglichkeiten dargelegt, fügte Obama hinzu. Zudem habe er ausführliche Diskussionen mit seinen Sicherheitsberatern geführt. Die Entscheidung, ob und wie die USA in Syrien eingreifen werden, sei aber noch nicht gefallen. Ein solcher Eingriff könne nicht alle Probleme in Syrien lösen. Er würde dem Assad-Regime aber ein «ziemlich starkes Signal» geben, den Giftgaseinsatz besser nicht zu wiederholen.
Krisenstäbe tagen – Keine Entscheidung im UNO-Sicherheitsrat
Auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel hält eine internationale Reaktion für «unabdingbar». Sie sprach am Mittwochabend am Telefon mit dem britischen Premierminister David Cameron über die Lage in dem Land. Beide seien sich einig gewesen: «Dieser Giftgasangriff ist eine Zäsur in dem schon lange andauernden internen Konflikt», erklärte Regierungssprecher Steffen Seibert. Welche Konsequenzen infrage kommen, lässt die Bundesregierung weiterhin offen. Merkel hat immer wieder betont, dass sie auf eine politische Lösung hofft.
Krisenstäbe berieten am Mittwoch in Washington, London und Paris parallel über eine Strafaktion unter US-Führung. Eine mit Spannung erwartete Sitzung des UN-Sicherheitsrats endete ohne Beratungen über eine Resolution. Die fünf vetoberechtigten Mitglieder des Gremiums – Grossbritannien, Frankreich, China, Russland und die USA – hatten sich auf Einladung der Briten vor der Sitzung getroffen. Dabei habe Russland seine ablehnende Haltung betont, hiess es. Es sei noch zu früh für eine solche Resolution. Die USA zeigten sich enttäuscht.
UNO-Experten noch immer in Damaskus unterwegs
Experten der UN sind bei Damaskus noch immer auf der Suche nach Spuren des vermuteten Giftgas-Angriffs. Das Team braucht nach den Worten von UN-Generalsekretär Ban Ki Moon vier Tage, zwei hat es hinter sich. Der Syrienbeauftragte von UN und Arabischer Liga, Lakhdar Brahimi, sprach in Genf von Anzeichen für den Einsatz chemischer Kampfstoffe. Syrien bat die UN-Inspekteure derweil um die Untersuchung von drei weiteren Orten, an denen «bewaffnete Terrorgruppen» zwischen dem 22. und 25. August Chemiewaffen eingesetzt hätten. Solange sich die UN-Inspekteure noch in dem Land befinden, gilt ein Militärschlag als wenig wahrscheinlich.
UN-Generalsekretär Ban mahnte: «Der UN-Sicherheitsrat muss seine politische Verantwortung behalten.» Wenn der Expertenbericht vorliege, sei es seine Aufgabe, darüber zu entscheiden.
Flüchtlingssituation immer dramatischer
Auch aus Angst vor einem US-Luftangriff sind derweil immer mehr Syrer auf der Flucht: Allein die Grenze zum Libanon überquerten binnen 24 Stunden mehr als 10 000 Menschen. Aus Furcht vor syrischen Vergeltungsschlägen versetzte Israel seine Raketenabwehr in erhöhte Alarmbereitschaft und mobilisierte einen Teil seiner Reservisten.
An der jordanisch-syrischen Grenze wurden Bewegungen gemeinsamer Militärverbände der USA und Jordaniens beobachtet. Dutzende Panzer und Kampfjets würden entlang der rund 370 Kilometer langen Grenze mobilisiert, sagten Augenzeugen und ein Armeesprecher. Der Sprecher des Weissen Hauses, Jay Carney, bekräftigte, dass Obama mit Ausnahme des Einsatzes von Bodentruppen alle Optionen in Betracht ziehe. Ziel sei aber nicht ein Regimewechsel. Die Planungen laufen auf einen Angriff mit Marschflugkörpern hinaus, der maximal drei Tage dauern dürfte. (awp/mc/pg)