Volkskongress endet: China steht zu Putin – lässt Einfluss ungenutzt

Chinesischer Volkskongress in der Grossen Halle des Volkes in Peking.

Peking – Ungeachtet der Grausamkeiten des Ukraine-Krieges steht China zu Russlands Präsident Wladimir Putin. Zum Abschluss der diesjährigen Tagung des Volkskongresses in Peking sprach Regierungschef Li Keqiang am Freitag zwar von einer «wirklich beunruhigenden Lage» in der Ukraine, rief aber nur zu «äusserster Zurückhaltung» auf, um eine grössere humanitäre Katastrophe zu verhindern. Auf eine Journalistenfrage vermied es der Premier unverändert weiter, Russland für die Invasion zu kritisieren.

Vielmehr lehnte der Premier die internationalen Sanktionen gegen Russland ab. «Die betreffenden Sanktionen schaden der wirtschaftlichen Erholung der Welt», sagte Li Keqiang. «Niemand hat Interesse daran.» Entgegen seinen Beteuerungen, eine «aktive Rolle» spielen zu wollen, ist China nach Angaben von Diplomaten aber nicht bereit, seinen Einfluss auf seinen «strategischen Partner» zu nutzen, um einen Waffenstillstand oder eine Lösung zu erreichen.

Tiefes Wachstumsziel
Die Jahrestagung des chinesischen Parlaments endete mit einer starken Steigerung der Militärausgaben und einem niedrigeren, aber ambitionierten Wachstumsziel für die zweitgrösste Volkswirtschaft. Die knapp 3000 Delegierten in der Grossen Halle des Volkes billigten erwartungsgemäss den Wirtschaftskurs der Regierung. In den wirtschaftlichen Unsicherheiten auch durch den Ukraine-Krieg gibt der Premier in diesem Jahr ein Wachstum von 5,5 Prozent vor.

Wegen der schlechten Weltkonjunktur, gestörter Lieferketten und hausgemachter Probleme wie Immobilienkrise oder Überschuldung ist es das niedrigste Ziel seit drei Jahrzehnten. Es gilt gleichwohl als ehrgeizig und liegt über den Erwartungen des Internationalen Währungsfonds (IWF), der in China nur mit 4,8 Prozent rechnet. 2021 hatte Chinas Wirtschaft um 8,1 Prozent zugelegt, was aber auch an der niedrigen Vergleichsbasis durch die Pandemie im Vorjahr lag. Zum Jahresende hatte das Wachstum schon deutlich nachgelassen. Der Premier kündigte an, der Wirtschaft mit der Senkung von Steuern und Abgaben unter die Arme zu greifen.

Starke Steigerung der Militärausgaben
In den Spannungen um das demokratische Taiwan und mit den USA stimmte der Volkskongress für eine starke Steigerung der Militärausgaben um 7,1 Prozent. Die Gesamtausgaben sollen hingegen nur um 3,9 Prozent wachsen. Auf der einwöchigen Tagung war die Entschlossenheit Chinas zu einer «Wiedervereinigung» mit Taiwan bekräftigt worden. Peking betrachtet Taiwan nur als Teil der Volksrepublik und droht mit einer Eroberung. Die russische Invasion hat Besorgnis ausgelöst, dass China in Taiwan dem Beispiel Russlands in der Ukraine folgen könnte.

Während der Premier bei der Ukraine einerseits hervorhob, dass die «Souveränität und territoriale Integrität respektiert» werden sollte, betonte der Premier andererseits mit Blick auf Russland, dass die «legitimen Sicherheitsinteressen» aller Länder berücksichtigt werden müssten. «Die drängende Aufgabe ist jetzt zu verhindern, dass die Spannungen eskalieren oder sogar ausser Kontrolle geraten.» Russland und die Ukraine sollten bei ihren Verhandlungen unterstützt werden.

Diplomaten und Experten sehen aber keine Chance für eine Vermittlung durch China. «Nein, nicht für eine Sekunde», sagte China-Experte Jude Blanchette vom Center of Strategic Studies (CSIS). «China ist nicht neutral. Chinas Unterstützung für Moskau ist stillschweigend an der Grenze zu eindeutig.» Chinesische Offizielle machten am Rande der Tagung auch deutlich, dass sich China lieber aus dem Konflikt heraushält, wie geschildert wurde.

Verstärke verbale Angriffe auf die USA
Während Li Keqiang bewusst zurückhaltend auftrat, verstärkt Pekings Aussenministerium seit Tagen die Angriffe auf die USA, die als Verursacher des Konflikts dargestellt werden. Auch wiederholte ein Aussenamtssprecher russische Unterstellungen über angeblich von den USA in der Ukraine hergestellte Bio-Waffen, die internationale Faktenchecker und die UN längst entkräftet haben. Chinas Staatsmedien verbreiten bewusst das russische Narrativ oder übernehmen häufig auch gezielte Desinformation.

Die Auseinandersetzung Russlands mit den USA wird ähnlich dargestellt wie Chinas eigener Konflikt mit der Supermacht. Auf der Tagung wurde aber auch eine systemische Überlegenheit betont: «Der Westen ist im Niedergang, während der Osten aufsteigt.» In einem Aufsatz meinte Chinas Ex-Botschafter in der Ukraine und Kasachstan, Zhou Li: «Egal, wie sehr die USA versuchen, Sanktionen gegen uns zu erlassen oder China zu unterdrücken, wird es uns nicht daran hindern, «aufzusteigen», während sie «absteigen».»

Auch Staats- und Parteichef Xi Jinping stellte «die ordentliche Regierung Chinas» dem «Chaos des Westens» gegenüber. Xi Jinping, der schon den Zusammenbruch der Sowjetunion zutiefst bedauert hatte, will seinen «Freund» Putin nicht fallen lassen: «Er unterstützt Putin, weil beide die globale Dominanz der USA herausfordern wollen», erklärte Steve Tsang vom China-Institut der Londoner School of Oriental and African Studies (SOAS) in «The Telegraph».

«Wenn Xi Jinping zulassen würde, dass Putin scheitert und seine Macht verliert, würde das nicht seine Feinde in China oder in der Kommunistischen Partei auf Ideen bringen?», schrieb Tsang. Selbst eine Demütigung Putins durch die USA und den Westen würde Xi Jinpings eigene Stellung untergraben, glaubt Tsang. Es wäre auch das Ende seiner Ambitionen, Taiwan zu erobern. (awp/mc/ps)

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