Die US-Wirtschaft ist im zweiten Quartal mit einer auf das Jahr hochgerechneten Rate von 2.8 % gewachsen.
von Dr. Thomas Gitzel, Chief Economist VP Bank
Die grösste Volkswirtschaft der Welt scheint derzeit immun gegenüber den globalen wirtschaftlichen Problemen zu sein. Während Europa unter der schwachen Entwicklung des globalen verarbeitenden Gewerbes leidet, hält die US-Wirtschaft mit ihrem starken Binnenkonsum dagegen.
Damit wird das US-Wachstum einmal mehr vom privaten Konsum getragen, der um annualisierte 2.8 % gegenüber dem Vorquartal zulegt. Nicht nur die privaten Haushalte zeigen sich spendabel, auch der Staat verteilt freizügig Mittel. Der Staatsverbrauch verbucht im zweiten Quartal einen Zuwachs von 3.1 % (annualisiert) gegenüber dem Vorquartal. Dem stehen allerdings ein hohes Haushaltsdefizit von über 6 % des BIP und eine stark steigende Staatsverschuldung gegenüber, die derzeit bereits über 120 % des BIP liegt.
Die US-Unternehmen haben inzwischen ihre Lager aufgestockt. Auf den Lageraufbau ist knapp ein Drittel des Wachstums zurückzuführen. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass die Nettoexporte das Wachstum erneut deutlich dämpften. Es scheint also, dass die US-Unternehmen aus Angst vor Strafzöllen ihre Lager im zweiten Quartal noch mit günstigen Importen gefüllt haben. Positiv zu vermerken ist, dass die Ausrüstungsinvestitionen mit 11.6 % (annualisiert) gegenüber dem Vorquartal kräftig zulegten.
Das starke Wachstum spricht für sich allein gesehen gegen rasche Zinssenkungen der Fed. Allerdings möchten die Notenbanker in Washington angesichts des relativ hohen Leitzinsniveaus von 5.5 % nicht zu lange mit geldpolitischen Lockerungen warten. Denn es besteht die Gefahr, dass das Zinsniveau mittelfristig doch doch in eine Rezession führt, insbesondere wenn die US-Unternehmen ihre Schulden zu teureren Kreditkonditionen refinanzieren müssen. Eine harte Landung der US-Wirtschaft will die Fed vermeiden. Gute Wachstumszahlen stehen also nicht grundsätzlich im Widerspruch zu Zinssenkungen. Auch die Fed wird die heutigen Zahlen mit Überraschung aufgenommen haben. Nun kommt es darauf an, wie sich die Inflationszahlen im Juli und August entwickeln. Sollte der Inflationsdruck nachlassen, könnte die Fed im September die Zinsen senken – trotz guter Wachstumszahlen. (VPB/mc)