Weiter Warten auf Waffenruhe in Nahost

Weiter Warten auf Waffenruhe in Nahost

Rauchsäulen über Gaza nach einem israelischem Luftangriff am vergangenen Wochenende.

Kairo / Tel Aviv – Enttäuschung in Nahost: Die Hoffnungen auf eine schnelle Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas im Gazastreifen haben sich zerschlagen. Nach tagelangen heftigen Kämpfen sollten nach Angaben aus Ägypten eigentlich noch am Dienstag die Waffen schweigen. Doch am späten Abend teilte die im Gazastreifen herrschende radikal-islamischen Hamas über den Kurznachrichtendienst Twitter mit, dass es am Dienstag keine Übereinkunft mit Israel auf ein Ende der Gewalt geben werde.

«Bisher gibt es keine Einigung auf ein Abkommen, und es wird auch heute Nacht keine mehr geben. Alle Optionen sind offen. Unser Volk und unser Widerstand sind auf alle Möglichkeiten vorbereitet», schrieb das Mitglied des Hamas-Politbüros, Isat Rischek.

Zuvor hatte schon ein Sprecher des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu mitgeteilt, bisher gebe es keine Einigung. Entsprechende Hoffnungen hatte der ägyptische Präsident Mohammed Mursi ausgelöst, der zwischen beiden Seiten vermittelt.

Luftangriffe gehen weiter
Ursprünglich hatte sogar die radikal-islamische Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad für den Abend eine Pressekonferenz mit der Hamas und den ägyptischen Vermittlern angekündigt. Auch das Zweite Israelische Fernsehen hatte zuversichtlich berichtet, dass um 20.00 Uhr MEZ in Kairo eine Waffenruhe ausgerufen werden sollte. Doch die Zeit verstrich ohne die entsprechende Ankündigung.

Die Luftangriffe auf den Gazastreifen gingen am Abend mit unverminderter Härte weiter. Auch auf israelischer Seite stiegen die Opferzahlen. Schon zuvor hatte die israelische Luftwaffe eine neue Offensive geflogen, bei der mindestens 16 Palästinenser getötet wurden. Auch ein israelischer Soldat und ein Zivilist kamen am Dienstag ums Leben. Damit starben bei Angriffen 133 Menschen im Gazastreifen und fünf in Israel. Fast 1000 Menschen wurden verletzt, die meisten von ihnen Palästinenser.

Bereits am Nachmittag hatte Ägyptens Präsident Mursi die Waffenruhe angekündigt: «Der israelische Angriff auf den Gazastreifen wird heute enden. Die Bemühungen um eine Waffenruhe zwischen der palästinensischen und der israelischen Seite werden in den nächsten Stunden positive Ergebnisse bringen.»

Überwachung einer Waffenruhe durch Vertreter Israels, Ägyptens und der USA
Der israelische Rundfunk hatte spekuliert, die Waffenruhe solle voraussichtlich während des Israel-Besuchs von US-Aussenministerin Hillary Clinton am späten Dienstagabend verkündet werden. Grundlage der Vereinbarung sei, dass Vertreter Israels, Ägyptens und der USA die Waffenruhe überwachten, hiess es. Wie der israelische Rundfunksender unter Berufung auf die Regierung in Jerusalem am Nachmittag berichtet hatte, soll die Vereinbarung den Menschen im Süden Israels zumindest ein bis zwei Jahre Sicherheit vor Angriffen garantieren.

Israels Luftwaffe bombardierte nach Augenzeugenberichten verschiedene Ziele in Gaza und Beit Hanun im nördlichen Gazastreifen. Die Angriffe begannen, als gerade eine 56-köpfige Delegation arabischer Aussenminister und Diplomaten auf Solidaritätsbesuch durch Gaza-Stadt fuhr. Dazu gehörten auch der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil al-Arabi, und der türkische Aussenminister Ahmet Davutoglu.

Bei den Bombardements kamen nach palästinensischen Berichten auch zwei Kameramänner einer Fernsehstation der Hamas ums Leben. Die Luftwaffe habe ihr Auto angegriffen, obwohl es als Presse-Fahrzeug gekennzeichnet gewesen sei. Israel bestätigte nur die Luftangriffe.

Diplomatische Bemühungen um Deeskalation
Neben Clinton bemühten sich am Dienstag der deutsche Aussenminister Guido Westerwelle und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon in Nahost um Deeskalation. Westerwelle begrüsste die geplante Waffenruhe. «Wenn sich das bestätigt, wäre das eine sehr gute Nachricht», sagte er am Abend in Kairo. «Vielleicht ergibt sich daraus ein Zeitfenster, das genutzt werden kann, um einen tragfähigen Waffenstillstand zu erreichen.» Er warnte aber auch: «Die Arbeit ist noch nicht getan.»

Der deutsche Aussenminister hatte sich am Dienstag kurzfristig zur Weiterreise nach Ägypten entschlossen. Zuvor war er mit Netanjahu, Israels Staatspräsident Schimon Peres und Palästinenserpräsident Mahmud Abbas zusammengetroffen. Während seines Besuchs in Jerusalem heulten die Sirenen wegen eines Luftalarms. Eine Rakete aus dem Gazastreifen schlug nach Polizeiangaben ausserhalb der Stadt ein.

Bei einer Pressekonferenz mit Ban Ki Moon in Jerusalem präsentierte Netanjahu sein Land als «Partner für eine langfristige Lösung». Zugleich warnte er aber auch, Israel könne jederzeit wieder zu militärischen Massnahmen zurückkehren, sollten die Raketenangriffe militanter Palästinenser kein Ende haben.

Israelische Städte erneut unter Beschuss
Nach einer relativ ruhigen Nacht wurden am Dienstag wieder israelische Städte beschossen. Ein 18-jähriger Soldat wurde nach Militärangaben in der Negev-Wüste von Raketensplittern getroffen und starb an seinen Verletzungen. Auch ein 33 Jahre alter Beduine wurde getötet. In Beerscheva sei ein Haus direkt getroffen worden, teilte die Polizei mit. In der Stadt Aschkelon wurde ein Mann schwer verletzt.

In Gaza-Stadt richteten Hamas-Mitglieder sechs Palästinenser wegen angeblicher Kollaboration mit Israel öffentlich hin. Die Opfer seien ohne Gerichtsverhandlung auf der Strasse erschossen worden, berichteten Augenzeugen. Anschliessend blieben die Leichen für Schaulustige liegen.

Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International forderte die Vereinten Nationen auf, ein sofortiges Waffen-Embargo gegen Israel, die Hamas und andere bewaffnete Gruppen im Gazastreifen zu verhängen und internationale Beobachter in die Region zu entsenden. Das Internationale Rote Kreuz (IKRK) äusserte sich besorgt über die vielen zivilen Opfer. (awp/mc/upd/ps)

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