Wahlkommission: Erdogan gewinnt Präsidentenwahl

Wahlkommission: Erdogan gewinnt Präsidentenwahl
Recep Tayyip Erdogan, türkischer Staatspräsident.

Istanbul – Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan hat die von Manipulationsvorwürfen der Opposition überschattete Präsidentenwahl in der Türkei nach Angaben der Wahlkommission in der ersten Runde gewonnen. Er wird damit künftig Staats- und Regierungschef und mit weitreichenden Vollmachten ausgestattet. Das Amt des Ministerpräsidenten wird abgeschafft. Das von Erdogans AKP angeführte Parteienbündnis errang der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu zufolge bei der Parlamentswahl am Sonntag ausserdem die absolute Mehrheit der Sitze in der Nationalversammlung.

Mit den Wahlen wurde die Einführung des von Erdogan angestrebten Präsidialsystems abgeschlossen. Die Opposition hatte für den Fall eines Erdogan-Sieges vor einer «Ein-Mann-Herrschaft» gewarnt.

«Aus den Ergebnissen geht hervor, dass Herr Recep Tayyip Erdogan die absolute Mehrheit der gültigen Stimmen erhalten hat», sagte Kommissionschef Sadi Güven nach Angaben der staatlichen Nachrichtenagentur Anadolu in der Nacht zum Montag in Ankara. Rund 97,7 Prozent der Stimmen seien in das System der Kommission eingegeben worden. «Die Zahl der Stimmen, die noch nicht vom System erfasst wurden, werden das Ergebnis nicht beeinflussen.»

Erdogan sagte bei seiner Siegesrede am frühen Montagmorgen in Ankara, es habe sich um Wahlen gehandelt, «die das künftige halbe Jahrhundert, die das Jahrhundert unseres Landes prägen werden». Der bisherige und künftige Präsident sagte auf dem Balkon des AKP-Hauptquartiers vor jubelnden Anhängern: «Meine Brüder, die Sieger dieser Wahl sind die Demokratie, der Wille des Volkes und das Volk höchstpersönlich. Der Sieger dieser Wahl ist jeder einzelne unserer 81 Millionen Bürger.»

Vorzeitig zum Wahlsieger erklärt
Erdogan selber hatte sich schon zum Sieger der Wahl erklärt, als die Auszählung der Stimmen noch lief. «Die inoffiziellen Ergebnisse stehen fest», sagte er am Sonntagabend in Istanbul. «Demnach hat unser Volk meiner Person den Auftrag der Präsidentschaft und der Regierung gegeben.» Bei der Parlamentswahl hätten die Wähler ausserdem dem von seiner AKP geführten Parteienbündnis die absolute Mehrheit im Parlament verschafft.

Die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu meldete, nach Auszählung von mehr als 99 Prozent der Stimmen bei der Präsidentenwahl komme Erdogan auf 52,55 Prozent. Der Kandidat der grössten Oppositionspartei CHP, Muharrem Ince, landete demnach mit 30,67 Prozent auf Platz zwei. Auch die «Plattform für faire Wahlen» aus Wahlbeobachtern der Opposition sah Erdogan nach Auszählung von mehr als 96 Prozent der Stimmen bei 52,56 Prozent. Ince kam dort auf 31,34 Prozent. Ince wollte sich erst am Montagmittag zum Ausgang der Wahl äussern.

Die CHP rief ihre Anhänger dazu auf, Ruhe zu bewahren. Wie auch immer das Endergebnis ausfalle, das Volk solle sich «nicht provozieren lassen», sagte CHP-Sprecher Bülent Tezcan. Die CHP werde die Situation beobachten, bis die Wahlkommission sich geäussert habe. Die Opposition hatte bei der Stimmenauszählung Manipulationsvorwürfe erhoben. Vereinzelt kam es zu Protesten von Anhängern der Opposition.

Wahlbeobachter: Unregelmässigkeiten – Erdogan: Fest der Demokratie
Bei der Parlamentswahl kommt das von Erdogans AKP geführte Parteienbündnis nach Anadolu-Angaben auf deutlich mehr als 340 der 600 Sitze. Anadolu zufolge lag die Wahlbeteiligung in der Türkei bei gut 88 Prozent. Wahlbeobachter meldeten Unregelmässigkeiten bei der Abstimmung am Sonntag. Erdogan sprach dagegen von einem «Fest der Demokratie». Knapp 60 Millionen Türken waren zur Wahl aufgerufen, mehr als drei Millionen davon leben im Ausland.

Bei der Wahl in Deutschland erzielte Erdogan ein deutlich besseres Ergebnis als zu Hause. Nach Auszählung von 78,6 Prozent der Stimmen in Deutschland lag er mit 65,7 Prozent weit vor Ince mit 21,5 Prozent. Erdogan hatte auch schon bei früheren Abstimmungen deutlich mehr Rückhalt bei den Türken in Deutschland als bei denen zu Hause. Bei der Parlamentswahl im November 2015 kam seine AKP in Deutschland auf 59,7 Prozent. Beim Referendum über Erdogans Verfassungsreform stimmten 63,1 Prozent mit Ja. Das oppositionelle Lager der Reformgegner kam in Deutschland damals nur auf 36,9 Prozent.

Die Einführung des Präsidialsystems ist Erdogans wichtigstes politisches Projekt. Die Opposition hatte die Rückkehr zum parlamentarischen System versprochen und wollte ausserdem den Ausnahmezustand aufheben. Das hatte Erdogan dann im Wahlkampf für den Fall seiner Wiederwahl auch zugesagt.

Bei der Präsidentenwahl lagen der inhaftierte Kandidat der pro-kurdischen HDP, Selahattin Demirtas, und Meral Aksener von der national-konservativen Iyi-Partei mit gut acht beziehungsweise gut sieben Prozent in etwa gleichauf. Zwei weitere Kandidaten spielten keine Rolle.

Ince hatte vor Schliessung der Wahllokale auf Twitter geschrieben: «Was sie auch tun, sie werden verlieren. Die Zeiten, in denen mit Betrug und Schwindeleien Wahlen gewonnen wurden, sind nun vorbei. (…) Ich werde Eure Stimmen mit meinem Leben verteidigen, wir werden es schaffen.» Erdogan unterstrich nach der Abgabe seiner Stimme in Istanbul die Bedeutung der Wahlen. «Im Moment durchlebt die Türkei mit dieser Wahl regelrecht eine demokratische Revolution», sagte er.

Drei Deutsche, die auf Einladung der pro-kurdischen Oppositionspartei HDP die Wahl beobachten wollten, wurden bei der Wahl festgenommen. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur wurden die beiden Männer aus Köln und die Frau aus Halle in Sachsen-Anhalt in Uludere in der südosttürkischen Provinz Sirnak von der Polizei festgenommen. Das Auswärtige Amt in Berlin bestätigte die Festnahme.

Wahlbeobachter meldeten besonders aus dem Südosten der Türkei Unregelmässigkeiten. Bei Auseinandersetzungen während der Wahlen wurde ein Oppositionspolitiker getötet. Dabei handele es sich um den Bezirksvorsteher der national-konservativen Iyi-Partei in der osttürkischen Provinz Erzurum, wie die Oppositionspartei mitteilte. Die Nachrichtenagentur DHA sprach von einer weiteren getöteten Person. Es habe sich um eine Fehde zwischen zwei Familien gehandelt. (awp/mc/ps)

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