In Wartestellung: Matteo Renzi, Vorsitzender der Demokratischen Partei Italiens.
Rom – Nach zügigen Beratungen lässt sich Italiens Staatspräsident Giorgio Napolitano überraschend Zeit mit seiner Entscheidung über eine neue Regierung. Der 88-Jährige erteilte am Sonntag noch nicht den erwarteten Auftrag zur Regierungsbildung an den Favoriten Matteo Renzi. Mit dem Startsignal für den 39 Jahre alten Chef der Demokratischen Partei (PD) wurde nun am Montag gerechnet. «Wer beauftragt wird, braucht all die nötige Zeit für Konsultationen, Vertiefungen und Vereinbarungen», sagte Napolitano nach Abschluss der Gespräche mit den Parteien.
Beobachter waren am Samstag davon ausgegangen, Napolitano werde Renzi bereits am Sonntag den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen. Nun könnte Renzi nach einem Besuch bei Napolitano am Montag mit der Suche nach einer Mehrheit im Parlament beginnen, in dieser Woche sein neues Kabinett präsentieren und sich danach den Vertrauensabstimmungen in den beiden Parlamentskammern stellen. Er würde der jüngste Ministerpräsident in der Geschichte Italiens.
Auch der wahrscheinliche Koalitionspartner mahnte zur Geduld. «Man kann nicht in 48 Stunden eine Regierung auf die Beine stellen, ich will mit Renzi das Programm diskutieren», sagte Angelino Alfano, der Chef der Mitte-Rechts-Partei Ncd. «Wenn die Ambitionen hoch sind, darf man keine Eile haben.» In Rom wird davon ausgegangen, dass Renzi mit der gleichen Koalition wie der scheidende Ministerpräsident Enrico Letta regiert. Letta war nach einem parteiinternen Machtkampf mit Renzi zurückgetreten.
Renzi bastelte Medienberichten zufolge an seinem neuen Kabinett, traf sich am Wochenende mit einigen Kandidaten. Spekuliert wird unter anderem über eine Beteiligung von Ferrari-Chef Luca di Montezemolo. Dabei sollen sich den Berichten zufolge für Renzi schon die ersten Schwierigkeiten auf dem Weg zur Macht aufgetan haben – so verliefen die Gespräche nicht alle nach seinen Wünschen, wie es heisst.
Und auch der potenzielle Koalitionspartner Ncd will die neue Regierung mit Renzi nicht ohne vorherige Verhandlung über die Inhalte eingehen. «Italien braucht und verdient grosse Dinge. Wir sind bereit für diese grossen Dinge», sagte Alfano. «Es ist klar, dass das an bestimmte Bedingungen geknüpft ist.» Seine Partei sei «ganz einfach entscheidend» für die Bildung der neuen Regierung, sagte er am Sonntag.
Am Freitag und Samstag hatte sich Napolitano in den Konsultationen für die Bildung einer neuen Regierung mit Vertretern aller wichtigen Parteien getroffen. Während die Oppositionsparteien Lega Nord und die 5-Sterne-Bewegung (M5S) die Gespräche aus Protest gegen das ausserparlamentarische Ende der Regierung boykottiert hatten, traf auch der rechtskräftig verurteilte Ex-Regierungschef Silvio Berlusconi mit seiner Delegation im Quirinale-Palast ein.
Er bekräftige, dass sich seine Partei Forza Italia (FI) nicht an der neuen Regierung beteiligen werde, Zusagen für die Unterstützung von Reformen, etwa ein neues Wahlrecht, seien jedoch weiterhin gültig. «Diese Konsultationen hatten einen sehr starken Rhythmus und hatten nichts Gewöhnliches oder Formelles», sagte Napolitano. Nach den schnellen Gesprächen bleibe nun mehr Zeit für die folgenden Schritte. Die PD hatte ihm zuvor Renzi als neuen Regierungschef empfohlen.
Die Erwartungen an den Bürgermeister von Florenz sind hoch, nachdem Renzi angekündigt hatte, Italien mit konsequenten Reformen aus der Krise führen zu wollen. Auf ihn warten grosse Herausforderungen wie ein neues Wahlrecht oder der Kampf gegen die Jugendarbeitslosigkeit. Renzi wäre bereits der dritte Ministerpräsident seit dem Rücktritt Berlusconis 2011.
Lange galt Italien mit seinem riesigen Schuldenberg als Wackelkandidat in der Euro-Schuldenkrise. Mittlerweile hat sich die Lage der drittgrössten Volkswirtschaft der Eurozone stabilisiert. (awp/mc/ps)