Bern – Die Schweiz wird mit der US-Regierung unter Joe Biden bei vielen globalen Themen mehr gemeinsam haben als mit jener von Donald Trump. Dies betrifft zum Beispiel die Klimapolitik, die Menschenrechte und die Entwicklungspolitik.
Das ist im Interesse der Schweiz, die mit dem internationalen Genf über ein Zentrum der internationalen Diplomatie verfügt. Die Schweiz als exportorientierte Volkswirtschaft mit einem kleinen Binnenmarkt dürfte von einer Stabilisierung des internationalen Handelssystems profitieren. Auch die Welthandelsorganisation WTO würde unter Biden wohl wieder gestärkt, auch dies zu Gunsten der Schweiz.
Donald Trump pflegte in seiner ersten Amtszeit so enge Beziehungen zur Schweiz wie kein kaum ein Amtsvorgänger zuvor. Noch nie kam es in so kurzer Zeit zu so vielen Spitzentreffen.
Weniger direkte Kontakte
Joe Biden besuchte 2016 zwar als Vizepräsident das WEF und wurde vom damaligen Bundespräsidenten Johann Schneider-Ammann empfangen. Doch eine so enge Beziehung wie mit der Trump-Administration werde es unter Biden kaum geben, sagte Martin Naville, Chef der Schweizerisch-Amerikanischen Handelskammer, kürzlich dem «Tages-Anzeiger».
Im Konflikt zwischen Iran und den USA nimmt die Schweiz eine wichtige Vermittlerrolle ein. Biden strebt in der Iran-Politik einen Kurswechsel an und wird früher oder später wohl das Gespräch mit dem iranischen Regime suchen. Der Demokrat könnte auch versuchen, das Atomabkommen mit dem Iran wiederzubeleben – was die Schweiz ebenfalls begrüssen würde, wie Martin Dahinden, der frühere Schweizer Botschafter in den USA, kürzlich dem «Tages-Anzeiger» sagte.
Freihandel keine Priorität
Die USA sind nach Deutschland der wichtigste Handelspartner der Schweiz. Ein wichtiges handelspolitisches Thema ist ein Freihandelsabkommen zwischen der Schweiz und den USA. Ein solches hat Edward T. McMullen, Trumps Botschafter in Bern, der Schweiz seit Jahren versprochen. Doch die Verhandlungen sind ins Stocken geraten. In der Schweiz ist es vor allem die Landwirtschaft, die einem Abschluss im Wege steht. Naville glaubt, dass unter Biden jedoch ein Abschluss «sehr, sehr unwahrscheinlich» wird.
Der demokratische Kongressabgeordnete Don Beyer, unter Barack Obama US-Botschafter in Bern, geht zwar davon aus, dass sich Biden weiterhin für ein Freihandelsabkommen einsetzen werde, weil es dafür viele wirtschaftliche und politische Gründe gebe. Aber auch er räumte unlängst in einem Interview mit der «Handelszeitung» ein, dass der Abschluss eines Abkommens mit der Schweiz für die neue Regierung keine Priorität haben werde.
Der Streit ums Bankgeheimnis, der unter Barack Obama eskalierte, ist heute weitgehend abgeschlossen. «Ich gehe nicht davon aus, dass es reaktiviert wird», sagte Ex-Botschafter Dahinden dem «Tages-Anzeiger».
Pharmabranche im Visier
Die Pharmaindustrie ist mit Abstand die wichtigste Exportbranche im Geschäft mit den Vereinigten Staaten. Sie geriet wegen des grossen Handelsbilanzüberschusses der Schweiz ins Visier der Trump-Administration. Sowohl Trump als auch Biden hatten angekündigt, dass sie gegen die hohen Medikamentenpreise in den USA vorgehen wollen.
«Was daraus wird, ist jedoch fraglich» kommentierte die «NZZ». Entsprechende Ankündigungen habe es immer wieder gegeben. «Die Corona-Pandemie wird auch die Vereinigten Staaten noch eine Weile stark beschäftigen. In dieser Situation dürfte es wenig opportun sein, auf der Pharmaindustrie herumzuhacken, die ihre wertvolle Forschung finanzieren muss», schrieb die Zeitung. (awp/mc/pg)