EU streitet über Spitzenposten – CSU-Vize Weber vor dem Aus?
Brüssel – Nach dem EU-Gipfel in Brüssel hat der CSU-Politiker Manfred Weber kaum noch Chancen auf das Amt des EU-Kommissionspräsidenten. Selbst Bundeskanzlerin Angela Merkel unterstützte ihn nach den Beratungen der 28 Staats- und Regierungschefs zur Besetzung der EU-Topjobs am Freitag nicht mehr ausdrücklich.
Auch die anderen Spitzenkandidaten der Parteien im Europaparlament haben schlechte Aussichten. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron erklärte, es seien neue Namen nötig. Dies stösst im EU-Parlament aber auf Widerstand. Merkel und ihre Kollegen haben ihre Entscheidung auf einen Sondergipfel nächste Woche Sonntag vertagt.
Keine Einigung auf Klimaschutzziel für 2050
Ebenso wenig konnten sie sich auf ein neues Klimaschutzziel für 2050 einigen. Bei Macrons Prestigeprojekt – dem Eurozonenbudget – gab es immerhin leichte Fortschritte. Zudem werden die Wirtschaftssanktionen, die 2014 wegen des Ukraine-Konflikts gegen Russland verhängt worden waren, verlängert.
Beim Personalpaket geht es neben der Nachfolge von EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker um vier weitere Spitzenposten: den EU-Ratspräsidenten, den Chef der Europäischen Zentralbank (EZB), die EU-Aussenbeauftragte sowie den EU-Parlamentspräsidenten. Die Staats- und Regierungschefs haben bei der Juncker-Nachfolge das Vorschlagsrecht, anschliessend ist allerdings auch eine Mehrheit im Europaparlament nötig.
Merkel und Macron gehen von anderen Spitzenkandidaten aus
Weil die konservative Europäische Volkspartei (EVP) bei der Europawahl Ende Mai erneut stärkste Kraft geworden ist, erhebt deren Spitzenkandidat Weber Anspruch auf das Amt. Beim Gipfel gab es allerdings deutlichen Widerstand gegen den Deutschen und die beiden anderen Bewerber – den niederländischen Sozialdemokraten Frans Timmermans und die dänische Liberale Margrethe Vestager.
Merkel sagte: «Für mich steht jetzt erstmal das Konsultationsergebnis von (EU-Ratschef) Donald Tusk fest, dass keiner dieser Spitzenkandidaten eine Mehrheit im Europäischen Rat hat. Und ich sehe im Augenblick nicht, dass sich an dieser Feststellung etwas ändern kann.» Macron schloss sogar ausdrücklich aus, dass Weber oder ein anderer Spitzenkandidat noch eine Chance auf den Posten des EU-Kommissionspräsidenten hätte. Eine Mehrheit des Parlaments hat sich allerdings darauf verständigt, nur einen Kandidaten zu wählen, der bei der Europawahl als Spitzenkandidat seiner Parteienfamilie angetreten war.
Tusk verhandelt weiter
Tusk will seine Gespräche mit dem Parlament und den Parteien nun fortsetzen und eine Mehrheit für ein Personalpaket ausloten. Auch im Parlament gibt es derzeit für niemanden eine Mehrheit. Weber verhandelt mit Sozialdemokraten, Liberalen und Grünen seit einigen Tagen über eine Art Koalitionsvertrag. Er hofft, dass der ihm eine Mehrheit sichern wird. Allerdings hatten Sozialdemokraten und Liberale Weber am Donnerstag signalisiert, dass sie ihn nicht unterstützen. Wie endgültig diese Ansage ist, war zunächst aber unklar. Für Webers Ambitionen könnte sie jedoch das Ende bedeuten.
Die liberale Europaabgeordnete Nicola Beer betonte nach dem Gipfel: «Wir halten weiter an unserer Kandidatin fest, sie ist nicht aus dem Rennen.» Beer rechnet nach dem Gipfel mit einer neuen Dynamik, wie sie der Deutschen Presse-Agentur sagte. Für einen Erfolg von Vestager bräuchte es allerdings etliche Stimmen aus Webers EVP.
Am Ende muss ein Personalpaket auf dem Tisch liegen, mit dem alle Seiten leben könnten. Dabei sollen sowohl die verschiedenen Parteien berücksichtigt werden als auch die Geschlechter und europäischen Regionen. (awp/mc/pg)