Weiche für Jamaika gestellt: Schäuble wird Bundestagspräsident

Weiche für Jamaika gestellt: Schäuble wird Bundestagspräsident
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble. (Foto: World Economic Forum/swiss-image.ch)

Berlin / München – Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat kurz nach der Bundestagswahl eine erste wichtige Weiche für ein Jamaika-Bündnis mit FDP und Grünen gestellt. CDU-Schwergewicht Wolfgang Schäuble (CDU) soll Bundestagspräsident werden – auch um die erstmals ins Parlament gewählte AfD in Schach zu halten. Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte am Mittwoch in Berlin, er werde Schäuble am 17. Oktober für das Amt vorschlagen. Wenn Schäuble das Finanzministerium räumt, könnten die Liberalen das Schlüsselressort übernehmen – oder aber die Grünen.

Allerdings steht nach den schweren Verlusten von CDU und CSU infrage, ob die Union bei den Verhandlungen mit FDP und Grünen mit einer Stimme spricht. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer ist parteiintern angeschlagen. Die CSU vertagte den Machtkampf um die Zukunft des Parteichefs erst einmal. Nun steht Seehofer massiv unter Druck, bei möglichen Koalitionsverhandlungen umstrittene CSU-Positionen wie die Obergrenze für Flüchtlinge durchzusetzen. Die Union war zwar am Sonntag stärkste Kraft geworden, hatte aber nur 32,9 Prozent erreicht – ihr schwächstes Ergebnis seit 1949. Die CSU verlor sogar noch stärker als ihre Schwesterpartei.

Kauder sagte zu der Personalie Schäuble: «Wir freuen uns, dass sich Wolfgang Schäuble bereit erklärt hat, für das Amt zu kandidieren.» Schäuble ist seit 2009 Finanzminister und seit 45 Jahren im Parlament. Der 75-Jährige ist der erfahrenste sowie populärste Minister im Kabinett Merkel. Als künftiger Bundestagspräsident könnte Schäuble nicht an den Koalitionsverhandlungen teilnehmen.

Nach dem Einzug der rechtspopulistischen AfD in den Bundestag waren zuletzt Forderungen lauter geworden, Schäuble und damit einen erfahrenen Parlamentarier mit der nötigen Autorität zum Bundestagspräsidenten und Nachfolger von Norbert Lammert (CDU) zu wählen. Es ist das zweithöchste Amt im Staate.

Offen ist, wer künftig das Finanzressort führen wird. Dies ist auch im Ausland und an den internationalen Finanzmärkten von grossem Interesse. Sowohl Liberale als auch Grüne könnten in den Koalitionsverhandlungen auf Übernahme des Finanzministeriums pochen – als starkes Gegengewicht zum unionsgeführten Kanzleramt.

FDP liebäugelt mit Finanzministerium
FDP-Vize Wolfgang Kubicki signalisierte, dass die Liberalen das Ressort gern übernehmen würden. «Ich freue mich über das Zeichen der Kanzlerin für eine mögliche Jamaika-Regierung. Damit steht das Finanzministerium für eine mögliche Personalentscheidung im Fall einer Regierung aus Union, FDP und Grünen zur Verfügung», sagte Kubicki dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Donnerstag). «Für den Fall, dass die FDP in eine Regierung eintritt, ist eine neue Finanzpolitik von ganz zentraler Bedeutung.» Nun muss Parteichef Christian Lindner entscheiden, ob er selbst zugreift und Vizekanzler und Finanzminister werden will.

Seehofer gelang es bei der Sitzung der CSU-Landtagsfraktion in München, die Entscheidung über seine Zukunft als Parteichef zu verschieben. «Ich bin auch froh, dass man, was den Parteivorsitz angeht, Einverständnis geäussert hat, dass diese Frage auf dem Parteitag entschieden wird, wo ohnehin Neuwahlen anstehen», sagte der CSU-Vorsitzende. Es sei wichtig, dass die Verhandlungen in Berlin mit den potenziellen Koalitionspartnern als auch mit der CDU nun nicht weiter belastet würden. «Ich finde, wir hatten jetzt eine sehr vernünftige Diskussion. Sehr ehrlich. Sehr offen. Und ich bin damit sehr zufrieden.» Der Parteitag ist für November geplant.

Die CSU war bei der Bundestagswahl um 10,5 Punkte auf 38,8 Prozent abgestürzt. Aus der Fraktion, aber auch von mehreren Kreis- und Ortsverbänden waren daraufhin Forderungen nach einem Rücktritt Seehofers laut geworden, was dieser ablehnt. Bis zu dem Parteitag, zu dem auch Merkel eingeladen werden soll, will Seehofer auch die Kursbestimmung mit der CDU abgeschlossen haben.

Nahles neue SPD-Fraktionschefin
Auch die SPD will ihren Kurs neu bestimmen – mit einer neuen Fraktionschefin Andrea Nahles. «Wir gehen nicht in die Opposition, um in der Opposition zu bleiben», sagte die 47-Jährige nach ihrer Wahl. Die bisherige Arbeitsministerin erhielt rund 90 Prozent der Stimmen ihrer Fraktionskollegen. «Ich bin sehr dankbar für diesen Vertrauensbeweis. Das ist für mich der Beginn eines Erneuerungsprozesses der SPD.» Zum ersten Mal in der SPD-Geschichte führt damit eine Frau die Abgeordneten an.

Nahles gab einen Vorgeschmack darauf, wie sie in der Opposition auftreten wird. Nach ihrer letzten Kabinettssitzung am Mittwoch mit den Ministerkollegen der Union sei sie zwar ein bisschen wehmütig – «ab morgen kriegen sie in die Fresse», sagte sie mit einem breiten Lachen. Die SPD, die mit 20,5 Prozent ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis einfuhr, müsse ihr Profil schärfen. Ihr Ressort soll bis zur Bildung einer neuen Regierung von Familienministerin Katarina Barley (SPD) mitgeführt werden. (awp/mc/ps)

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