Weltmeister Argentinien: 47 Millionen – für einen Moment vereint
Fussball hat in Argentinien den Rang einer Religion. Der WM-Erfolg sorgt für heftige Gefühlsausbrüche – und lenkt die Menschen für kurze Zeit von der Misere im Land ab.
Sie liegen sich in den Armen und weinen. Eine halbe Minute umklammern sich Mariano Martínez und Brian Zalazar. Dann wischen sie sich die Tränen aus den Augen und beginnen zu lachen. „Wir sind Weltmeister, verdammt!“, schreien sie sich ins Gesicht. Wieder eine Umarmung. Die beiden Männer sind aus der Peripherie von Buenos Aires in die Innenstadt gekommen, um sich das Finalspiel zwischen Argentinien und Frankreich anzusehen und anschliessend mit der Masse zu feiern.
In den Restaurants und Bars ist kein Platz mehr, also haben sie sich vor einem Quartierladen eingerichtet, wo das Spiel in einem Fernseher läuft. Hier erleben sie und vier Dutzend andere Argentinier in der wachsenden Menschentraube die Geschichte dieses unglaublichen Endspiels, diesen 18. Dezember, der ihnen und allen Argentiniern für immer in Erinnerung bleiben wird. Zweimal sterben sie an diesem Tag, zweimal wiederauferstehen sie. Und am Ende werden sie erlöst. Es gibt kein Halten mehr, nur noch den Titel und die Tränen.
Minuten nach dem entscheidenden Elfmeter strömen Millionen Argentinier im ganzen Land auf die Strassen, um ihren dritten Weltmeistertitel der Geschichte zu feiern. Um den Obelisken in Buenos Aires wächst ein blau-weisses Menschenmeer, das erst in den frühen Morgenstunden wieder verebbt. Alle kosten den Moment so intensiv wie möglich aus. Seit 1986 hat Argentinien auf einen Weltmeistertitel gewartet. Das ist eine lange Zeit für ein Land, das sich so stark über den Fussball definiert. „Niemand wollte diesen Titel so sehr wie Argentinien“, glaubt Martínez.