Berlin – Wegen der Ausbreitung des neuartigen Coronavirus stehen in Deutschland Absagen von Grossveranstaltungen kurz bevor. Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) kündigte am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin» an, der Empfehlung von Gesundheitsminister Jens Spahn nachkommen zu wollen, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Besuchern im bevölkerungsreichsten Bundesland «und anderswo» abzusagen. NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) fügte in der ARD-Sendung «Anne Will» hinzu, das Land werde Spahns Empfehlung umsetzen – «und zwar morgen oder jetzt, vollkommen klar».
Davon betroffen ist auch die Fussball-Bundesliga. Zwar sollen wohl keine Partien gestrichen werden, aber die Spiele könnten ohne Publikum im Stadion stattfinden. Das gilt nach Laumanns Worten für das Bundesliga-Derby Borussia Mönchengladbach gegen den 1. FC Köln am Mittwoch. Er fügte hinzu: «Wenn wir jetzt ganz klar sagen, wir wollen in Nordrhein-Westfalen keine Veranstaltungen mehr (mit) über 1000 Menschen zulassen, dann ist das eine Empfehlung des Landesgesundheitsministers an die unteren Gesundheitsbehörden.» Diese müssten entscheiden. Er sei aber sicher, dass es nun eine einheitliche Umsetzung gebe. «In Wahrheit ist es wie eine Anordnung.»
Auch der Weltärztebund begrüsste die Empfehlung Spahns als «völlig richtig». «Man kann nicht Fussballspiele mit 35’000 Besuchern stattfinden lassen, als wäre nichts geschehen», sagte Frank Ulrich Montgomery, Chef des Weltärztebundes, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND, Montag).
Wie in anderen Ländern Europas und weltweit breitet sich Sars-CoV-2 auch in Deutschland rasch aus. Beim Robert Koch-Institut (RKI) waren bis zum Sonntagnachmittag 902 Infektionen erfasst, wobei nicht alle Nachweise aus den Bundesländern dort bereits registriert sind. Die meisten Fälle deutschlandsweit verzeichnen Nordrhein-Westfalen, Baden-Württemberg und Bayern. In Ägypten war am Sonntag erstmals ein deutscher Staatsbürger nachweislich an der neuartigen Lungenerkrankung Covid-19 gestorben. Aus welchem Bundesland der 60-Jährige stammte und wo er sich ansteckte, war zunächst unklar.
Bundesregierung beschliesst zusätzliche Massnahmen
Derweil beschloss auch die Koalition Massnahmen, Unternehmen vor den Auswirkungen der Coronakrise zu schützen. Dazu soll das Kurzarbeitergeld ausgeweitet werden, wie der Koalitionsausschuss am frühen Montagmorgen in Berlin beschloss. Die Auszahlung von Kurzarbeitergeld soll erleichtert und länger ermöglicht werden. Zudem will die Regierung besonders betroffenen Unternehmen finanziell unter die Arme greifen: Sie kündigte Vorschläge für entsprechende Liquiditätshilfen und ein Gespräch mit den Spitzenverbänden der Wirtschaft und den Gewerkschaften dazu an.
Italien riegelt Norden ab
Auch Italien, das in Europa am stärksten vom Coronavirus betroffene Land, ergriff weitere Massnahmen: Nach der Abriegelung grosser Teile im Norden aktivierte die italienische Regierung Kontrollen an Bahnhöfen, Flughäfen und Autobahnen in den Sperrgebieten. In die Gegenden in Norditalien oder aus ihnen hinaus darf man nur im Notfall oder aus Arbeitsgründen. Dies muss durch eine Selbsterklärung bezeugt werden, wie das Innenministerium am späten Sonntagabend mitteilte. Vor Ort könne man dazu Formulare ausfüllen.
In Italien gibt es bereits mehr als 360 Tote und 7300 Infektionen. Um die Krise in den Griff zu bekommen, hatte die Regierung grosse Teile des Nordens zur Sperrzone erklärt, darunter die Lombardei mit dem Finanzplatz Mailand sowie die Provinzen Venedig, Parma und Modena. Rund 16 Millionen Menschen sind von den Sperrungen betroffen.
Veranstaltungen in Frankreich mit mehr als 1000 Personen verboten
Frankreich beschloss, grundsätzlich Veranstaltungen mit mehr als 1000 Menschen zu verbieten. Das kündigte Gesundheitsminister Olivier Véran in Paris nach einer Sitzung des Sicherheitsrats an, liess aber erkennen, dass es Ausnahmen geben werde. Bisher hatte Frankreich Veranstaltungen mit mehr als 5 000 Menschen verboten.
Tschechien führt zum Schutz vor einer weiteren Ausbreitung des Virus Stichproben-Kontrollen für Einreisende an der Landesgrenze ein. Polen kontrolliert künftig an der A4 am früheren Grenzübergang Hennersdorf (Jedrzychowice) bei Görlitz Busreisende aus Deutschland.
In China starben derweil weitere 22 Menschen an den Folgen des Virus. Die Zahl neu Infizierter sank laut offiziellen Angaben weiter auf landesweit 40 Fälle. Es wird jedoch eine hohe Dunkelziffer vermutet. An der Lungenkrankheit Covid-19 sind in China bislang mehr als 3000 Menschen gestorben. Über 80’735 Infektionen wurden nachgewiesen, jedoch gelten mehr als 58’000 Patienten mittlerweile als geheilt.
In Südkorea mehren sich die Anzeichen für einen langsameren Anstieg der Infizierungen. Am Sonntag seien 248 neue Fälle mit Sars-CoV-19 erfasst worden, teilten die Gesundheitsbehörden am Montag mit. Die Gesamtzahl stieg auf 7382. Die Zahl der bisherigen Todesfälle in Verbindung mit dem Virus wurde mit 51 angegeben.
Börsen brechen ein
Die Coronavirus-Krise beeinflusst auch die Börsen erheblich: Asiens Leitbörse in Tokio brach zum Wochenauftakt ein. Der Nikkei-Index für 225 führende Werte stürzte am Montag um mehr als 1000 Punkte ab und damit erstmals seit über einem Jahr unter die psychologisch wichtige Marke von 20’000 Punkten. Hintergrund sind die wachsenden Sorgen über die Folgen des neuartigen Coronavirus auf die globale Wirtschaft. Auch ein Nachgeben des Ölpreises belastete die Stimmung.
Weltweit haben sich inzwischen weit mehr als 100’000 Menschen nachweislich mit dem neuen Coronavirus infiziert, die Dunkelziffer liegt Experten zufolge noch wesentlich höher. Eine schützende Impfung oder eine spezielle Therapie zur Behandlung der Erkrankung Covid-19 gibt es nicht. Die meisten Infizierten haben nur eine leichte Erkältungssymptomatik mit Frösteln und Halsschmerzen, die binnen weniger Tage verschwindet, oder gar keine Symptome. Etwa 15 von 100 Infizierten erkranken schwer, betroffen sind vor allem ältere Menschen oder solche mit Vorerkrankungen.
Behörden in vielen Ländern erlassen derzeit Massnahmen wie Schulschliessungen und eine Quarantäne für Verdachtsfälle. Das passiert nicht, weil es sich bei Covid-19 um eine besonders gefährliche Erkrankung handelt, sondern um eine ungebremste Infektionswelle zu vermeiden, die unter anderem das Gesundheitssystem überlasten würde. Ziel ist, die Ausbreitung über einen möglichst langen Zeitraum zu strecken. In etwa einem Jahr könnte es eine schützende Impfung gegen den neuen Erreger geben. (awp/mc/ps)