Wer jetzt in Italien jubelt – Die «Sieger» des Referendums
Rom – Sie haben lautstark für das «Nein» beim Referendum geworben, bei dem Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi als Verlierer hervorgeht. Die breite Front an Gegnern jubelt. Wer vom Ausgang des Referendums profitieren könnte:
Fünf-Sterne Bewegung
«Hurra!» war das erste Wort, das der Anführer des «Movimento 5 Stelle» in die Welt schickte, nachdem Renzi seine Niederlage eingestanden hatte. Kabarettist Beppe Grillo konnte mit seiner 2009 als eurokritische Protestinitiative gestarteten Partei wohl auch deshalb so schnell Erfolge verbuchen: Unkonventionell wie sie sich gibt, hebt sie sich vom verrufenen Politikbetrieb ab. Die Fünf-Sterne-Bewegung will sich weder rechts noch links einordnen, bezeichnt sich lieber als unabhängig und anti-elitär. Bei der Parlamentswahl holte sie 2013 aus dem Stand 25,5 Prozent und stellt seither die stärkste Oppositionspartei im Parlament. Umfragen sehen sie mittlerweile bei etwa 30 Prozent. Nach dem Referendum liess die Partei verlauten: Sie sei bereit, Italien zu regieren.
Evviva! #HaVintoLaDemocrazia https://t.co/ezFowLACFW
— Beppe Grillo (@beppe_grillo) 4. Dezember 2016
Die Fünf-Sterne-Bewegung hofft, nach der Niederlage Renzis bei Neuwahlen ihren Einfluss zu vergrössern. Wenn es nach Roms Bürgermeister Virginia Raggi geht, beflügelt der Ausgang der Volksabstimmung die Partei: «Jetzt bauen wir das Land wieder auf. Unsere Revolution macht nicht in Rom und Italien Halt.» Dabei hat die junge Rechtsanwältin in Rom selbst noch einige Baustellen: Seit ihrer Wahl im Juni wird ihr immer wieder Organisationschaos vorgeworfen, mehrere ihrer Mitstreiter sind schon zurückgetreten. Die Fünf-Sterne müssen erst beweisen, dass sie Führung können – und dass sie einen Kandidaten haben, der bei einer Parlamentswahl bestehen kann. Anführer Grillo kommt dafür jedenfalls nicht in Frage: Er darf selbst gar nicht im Parlament sitzen, da er nach einem Autounfall wegen fahrlässiger Tötung vorbestraft ist.
Lega Nord
Der Chef der ausländerfeindlichen Lega Nord nutzte die Gunst der Stunde – er war der erste, der vor die Kameras trat, als sich der Sieg des «Nein» beim Referendum abzeichnet. Matteo Salvini sieht die Rechtspopulisten seiner Partei als Sieger der Abstimmung und machte umgehend klar: «Wir können es nicht erwarten, auf die Probe gestellt zu werden.»
Nicht nur die polarisierte Stimmung vor dem Referendum wusste der 43-Jährige geschickt zu nutzen. Wo er nur konnte – meistens in den Sozialen Netzwerken – positionierte er seine Slogans und wetterte gegen «die Mächtigen» im Politikbetrieb. In der Flüchtlingskrise konnte er der Partei neue Popularität verschaffen, indem er die ausländerfeindliche Ausrichtung weiter vorantrieb. Hatte die Lega Nord bei den Wahlen 2013 gerade so die Vier-Prozent-Hürde geknackt, liegt sie in Umfragen derzeit bei mehr als 12 Prozent. Italien ist eines der Hauptankunftsländer für Flüchtlinge. In diesem Jahr kamen bereits fast 170’000 Menschen an den Küsten an.
Für die Lega Nord sitzen 19 Abgeordnete im Parlament. Salvini ist bekennender Euro-Gegner und bezeichnet die Währung immer wieder als «kriminell». Auf Facebook postet er Fotos, die ihn mit Donald Trump, Wladimir Putin und Marine Le Pen zeigen. Die rechtspopulistische Partei, die es schon seit Ende der 80er Jahre gibt, ist vor allem im Norden Italiens erfolgreich: In Venetien und in der Lombardei stellt sie jeweils den Regionalpräsidenten. Im Süden versucht sie derzeit, Boden zu fassen.
Berlusconi und seine Forza Italia
Ex-Premier Silvio Berlusconi hat eigentlich längst den Zenit seiner Macht in Italien überschritten – doch hat er noch immer seine Finger im Spiel. Den Ausgang des Referendums kommentierte er zunächst nicht. Doch auch er dürfte sich die Hände reiben, warb er vor dem Referendum in Talkshows und auf Facebook für ein «Nein». Im Falle eines «No» spekulierte der «Cavaliere» auf sein politisches Comeback. Der Gründer der konservativen Forza Italia sieht sich als den einzigen Oppositionsführer, der in der Lage ist, mit den regierenden Demokraten nach dem gescheiterten Verfassungsreferendum zu verhandeln – auch über eine Reform des Wahlrechts. Der 80-Jährige hatte ein Gesetz nach deutschem Vorbild vorgeschlagen, das ihn und Ministerpräsident Matteo Renzi nach den Parlamentswahlen eine grosse Koalition bilden lassen könnte. Konsequent aber war seine Stimmungsmache gegen die Verfassungsreform nicht: Immerhin hat seine Partei im Parlament für die Änderung gestimmt. Dort ist sie derzeit mit 50 Abgeordneten vertreten. (awp/mc/pg)