Krim-Krise: Westen erhöht Druck auf Russland

Krim-Krise: Westen erhöht Druck auf Russland

Bundeskanzlerin Angela Merkel. (Foto: Bundeskanzlerin.de)

Brüssel / Berlin – Im Streit um den Anschluss der Halbinsel Krim an Russland treibt der Westen die internationale Isolierung Moskaus voran. Vor dem EU-Gipfel in Brüssel machte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Regierungserklärung deutlich, dass sie Moskau derzeit nicht mehr als Mitglied der westlichen Staatengemeinschaft G8 sieht. Bei einer weiteren Eskalation der Lage drohte Merkel am Donnerstag mit Wirtschaftssanktionen. Auf ihrem zweitägigen Gipfel wollen die EU-Staats- und Regierungschefs nach Merkels Angaben Reisebeschränkungen und Kontensperren gegen weitere Personen verhängen.

Auf der Krim leitete die Ukraine den Abzug ihrer Soldaten ein – als Reaktion auf die militärische Übermacht der prorussischen Kräfte. Russland will bis zum Ende der Woche den Beitritt der völkerrechtlich zur Ukraine gehörenden Krim vollenden. Dies wird international als gewaltsamer Anschluss verurteilt. Bei einem vom ukrainischen Staat nicht anerkannten Referendum hatte sich eine grosse Mehrheit der Krim-Bewohner Mitte März für einen Anschluss an Russland ausgesprochen.

USA werfen Russland Diebstahl vor
Im UN-Sicherheitsrat kam es am Mittwoch (Ortszeit) in New York zu hitzigen Wortgefechten zwischen den Botschaftern Russlands und der USA. Die US-Diplomatin Samantha Power warf dem Kreml Diebstahl vor: «Ein Dieb kann Eigentum stehlen, aber damit geht der Besitz nicht automatisch auf den Dieb über.»

Russland beschuldigte die USA daraufhin vor, sich auf «Boulevardzeitungs-Niveau» herabzulassen. Ansonsten zeigte sich Botschafter Witali Tschurkin aber betont gleichgültig: «Wir haben die Reaktionen der westlichen Länder zur Kenntnis genommen.»

Obama schliesst US-Militärintervention aus
US-Präsident Barack Obama schloss eine amerikanische Militärintervention in der Krim-Krise aus. «Wir werden uns in der Ukraine nicht auf ein militärisches Eingreifen einlassen», sagte er dem lokalen TV-Sender NBC 7 San Diego. Stattdessen werde man alle diplomatischen Wege gehen, damit die internationale Gemeinschaft eine «klare Botschaft» an die Adresse Russlands schicke.

Die USA und die Ukraine wollen einem Bericht des britischen «Guardian» zufolge an ihrer für Juli geplanten gemeinsamen Militärübung «Rapid Trident» festhalten. Auch Grossbritannien werde Soldaten schicken, habe sich aber noch nicht entschieden wie viele, berichtete die Zeitung unter Berufung auf Londoner Regierungsquellen. Das Manöver findet seit 2006 jährlich statt.

Merkel fordert «entschlossene wie geschlossene Antwort Europas»
Kanzlerin Merkel betonte in Berlin, der Anschluss der Krim an Russland erfordere «die entschlossene wie geschlossene Antwort» Europas und seiner Partner. «Solange das politische Umfeld für ein so wichtiges Format wie die G8 nicht gegeben ist, gibt es die G8 nicht mehr, weder den Gipfel noch das Format als solches.»

Die USA, Japan, Deutschland, Grossbritannien, Kanada sowie Frankreich und Italien haben die Vorbereitungen für das G8-Treffen im Juni im russischen Sotschi ausgesetzt. Die Gruppe wurde Mitte der Siebziger Jahre als G7 gegründet, Russland war 1998 als Mitglied aufgenommen worden.

Phase zwei des dreistufigen Sanktionsverfahrens
Die EU hatte Anfang März die Umsetzung der zweiten Stufe des dreistufigen Sanktionsverfahrens beschlossen und Einreise- und Vermögenssperren gegen 21 Ukrainer und Russen ausgesprochen. Bei einer weiteren Verschärfung der Lage sei die Europäische Union (EU) jederzeit bereit, weitere Schritte einzuleiten, sagte Merkel: «Und dabei wird es ganz ohne Zweifel auch um wirtschaftliche Sanktionen gehen.» Offen sei, ob die Ende April geplanten deutsch-russischen Regierungskonsultationen stattfinden.

Die russische Regierung kritisierte das Vorgehen des Westens. «Einseitige Sanktionen haben nie etwas Gutes gebracht, sie sind illegitim», sagte Aussenminister Sergej Lawrow vor dem Parlament in Moskau.

«Mit Nachdruck am europäischen Energiebinnenmarkt arbeiten»
Auf dem zweitägigen EU-Gipfel soll der politische Teil des EU-Assoziierungsvertrages über einen Reformdialog mit der Ukraine unterzeichnet werden. Debattiert werden soll auch darüber, wie die EU-Staaten unabhängiger von russischen Gas- und Öllieferungen werden können. «Wir müssen mit Nachdruck am europäischen Energiebinnenmarkt arbeiten», sagte Merkel. Bezugsquellen und Transporte müssten erweitert und Abhängigkeiten weiter verringert werden. Der Wirtschaftsteil des Assoziierungsabkommens mit dem Freihandel im Mittelpunkt soll erst später unterschrieben werden.

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk lehnte eine Visapflicht für russische Staatsbürger fürs Erste ab. Dieser Schritt müsse sehr genau geprüft werden, «denn an der Beibehaltung des visafreien Verkehrs ist eine grosse Zahl der Bürger in erster Linie im Süden und Osten des Landes interessiert», sagte Jazenjuk in Brüssel. Er widersprach damit Sicherheitsratschef Andrej Parubij, der zuvor die Einführung von Visa als Reaktion auf den umstrittenen Beitritt der Krim zu Russland angeordnet hatte. Etwa drei Millionen Ukrainer arbeiten im Nachbarland. Es bestehen zudem enge verwandtschaftliche Beziehungen.

Russisches Parlament billigt Beitritt der Krim
Das Parlament in Moskau hat derweil mit grosser Mehrheit den Weg für die Aufnahme der Krim in die Russische Föderation freigemacht. Die Staatsduma ratifizierte am Donnerstag in nur einer Lesung den Beitrittsvertrag, wie die Agentur Interfax meldete. Nur ein Parlamentarier stimmte dagegen. Der Oppositionspolitiker Dmitri Gudkow hatte am Vortag gesagt, der Anschluss der Krim sei eine «geopolitische Niederlage».

Kremlchef Wladimir Putin und die moskautreue Führung der von Kiew abtrünnigen Halbinsel hatten den Beitrittsvertrag am Dienstag unterzeichnet. Die neue ukrainische Regierung sowie die EU und die USA kritisieren den Schritt als Verletzung des Völkerrechts. An diesem Freitag soll noch der russische Föderationsrat dem Beitritt zustimmen.

Der Fraktionschef der kremlnahen Partei Gerechtes Russland, Sergej Mironow, schlug vor, den 18. März zum Feiertag der Wiedervereinigung von Russland und der Krim zu erklären. (awp/mc/upd/ps)

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