WTO-Generaldirektor Roberto Azevêdo.
Nusa Dua – Nach langen Verhandlungen hat sich die Welthandelskonferenz in Bali auf ein Abkommen zum Abbau von Handelsschranken geeinigt. Das Vertragswerk wurde am Samstag von 159 Staaten im Konsens angenommen. Mit der Einigung über das sogenannte Bali-Paket fand die 9. Ministerkonferenz der Welthandelsorganisation (WTO) nach zähen Verhandlungen doch noch einen versöhnlichen Abschluss. «Zum ersten Mal in ihrer Geschichte hat die WTO geliefert», erklärte deren neuer Generaldirektor Roberto Azevêdo.
Die Einigung sei ein «wichtiger Schritt» für weitergehende Massnahmen im Rahmen der sogenannten Doha-Verhandlungsrunde, sagte Azevêdo. Die Bemühungen der Organisation um den Freihandel waren zuvor seit Jahren von Misserfolgen geprägt.
Einfachere Zollverfahren
Mit dem Paket von insgesamt zehn Einzelvereinbarungen wird unter anderem die weltweite Vereinfachung von Zollabwicklungen im grenzüberschreitenden Warenverkehr angestrebt. Die ärmsten Entwicklungsländer sollen bessere Zugänge zu den Märkten der Industrie- und Schwellenländer erhalten.
Die Entwicklungshilfe im Bereich des Handels soll verstärkt werden. Zudem ist der Abbau von Agrarsubventionen vorgesehen.
Experten beziffern die Auswirkungen auf den Welthandel mit bis zu einer Billion Dollar. Damit ist nach Schätzungen der Internationalen Handelskammer (ICC) in Paris die Schaffung von 21 Millionen Arbeitsplätzen möglich – davon 18 Millionen in Entwicklungsländern.
Subventionen für Nahrungsmittel in Indien
Der Durchbruch war am Freitag erreicht worden, indem Indien Ausnahmeregeln für die Subventionierung der Nahrungsmittelversorgung von 820 Millionen armen Menschen zugestanden wurden.
Das Volumen des indischen Ernährungsprogramms überschreitet wahrscheinlich WTO-Grenzen für erlaubte Agrarsubventionen. Neu Delhi hatte gedroht, das Bali-Paket zu blockieren, sollten dadurch Probleme für die Nahrungsmittelsicherheit seiner Bevölkerung entstehen.
Auch Kuba sperrte sich kurzzeitig gegen das Paket, um damit auf das seit Jahren andauernde Handelsembargo aufmerksam zu machen, das die USA gegen den kommunistischen Inselstaat aufrechterhalten.
Gereifte WTO
Auf Seiten der Regierungen wurde das Verhandlungsergebnis gelobt. «Heute feiern wir eine neue WTO – nicht nur, weil wir ein Abkommen erreicht haben, sondern auch für die Art und Weise, wie wir es erreicht haben», erklärte der US-Handelsbeauftragte Michael Froman.
Während des gesamten Verhandlungsprozesses habe sich gezeigt, dass die WTO inzwischen eine wirklich multilaterale Organisation sei, sagte Froman.
Schweiz zufrieden
Bundesrat Johann Schneider-Ammann wertete den Abschluss des Abkommens als «ein wichtiges Etappenziel in den WTO-Verhandlungen, die das multilaterale Handelssystem stärkt», wie das Eidg. Departement für Wirtschaft, Bildung und Forschung (WBF) am Samstag mitteilte.
Die exportorientierte Wirtschaft werde von den einfacheren und günstigeren Zollverfahren profitieren. Auch der Marktzugang von Schweizer Agrarprodukten werde sich verbessern.
Aus Sicht Schneider-Ammans hat auch die Schweiz zum Gelingen der Verhandlungen auf Bal ihren Teil beigetragen. Bereits Anfang Jahr habe sie mitgeholfen, die Diskussion anzustossen, indem sie am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos zu einem Ministertreffen lud.
Am kommenden WEF werde sie erneut ein solches Treffen organisieren, um in Absprache mit der WTO über die Umsetzung des Abkommens zu sprechen, sagte der Bundesrat in einem Interview mit der «NZZ am Sonntag».
Auch Economiesuisse sieht Vorteile
Der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse sieht ebenfalls Vorteile für die Schweizer Wirtschaft. «Gerade für kleine und mittelgrosse Unternehmen entstehen bei der Zollabwicklung oft sehr hohe Kosten», sagte Jan Atteslander, Verantwortlicher für den Bereich Aussenhandel beim Verband, der Nachrichtenagentur sda.
Diese Kosten würden nun reduziert, wovon sowohl Industrieländer als auch Entwicklungsländer profitieren würden.
Auch für die WTO selbst sei die Einigung auf Bali wichtig. «Das Abkommen gibt der Organisation ihre Handlungsfähigkeit zurück.»
Kritische NGO-Stimmen
Peter Niggli, Geschäftsleiter der Schweizer Entwicklungsorganisation Alliance Sud, relativiert hingegen die Bedeutung des Erfolgs. Das Paket, auf das man sich geeinigt habe, sei nur ein kleiner Teil dessen, was man im Rahmen der Doha-Runde ursprünglich habe erreichen wollen.
Zudem würden die Handelserleichterungen primär grossen Konzernen zugute kommen. «Jene Punkte, die den Entwicklungsländern helfen, sind noch nicht abgeschlossen», sagte Niggli auf Anfrage. Immerhin könnten die Erleichterungen auch dazu führen, dass der Handel unter den Entwicklungsländern, etwa unter den afrikanischen Staaten, belebt werde.
Die Doha-Runde war vor zwölf Jahren gestartet worden. In der gleichnamigen Hauptstadt des Emirats Katar hatten sich die WTO-Mitglieder im Jahr 2001 auf Verhandlungen zur Liberalisierung des globalen Handels verständigt. (awp/mc/upd/ps)