Zalando nach zehn Jahren noch nicht satt
Berlin – Es muss nicht die Garage sein. Bei Zalando fing alles in einer Mietwohnung in der Berliner Torstrasse an. Dort ging am 29. September 2008 die erste Bestellung im gerade eröffneten Online-Store ein: ein Paar Sportschuhe. David Schneider und Robert Gentz, Studienfreunde und Gründer des Start-ups, wandelten kurzerhand die Wohngemeinschaft in Büro und Warenlager um.
Zehn Jahre später ist Zalando ein Konzern mit 15’000 Mitarbeitern geworden. Eine börsennotierte Aktiengesellschaft mit absehbar weit mehr als fünf Milliarden Euro Umsatz in diesem Jahr.
Zappos als Vorbild
Im Rückblick erscheint die Geschäftsidee nicht umwerfend einmalig oder besonders kreativ. Schuhe im Internet zu verkaufen, schien sogar ziemlich gewagt – denn anprobieren kann man sie erst, wenn sie schon geliefert sind. Doch als Vorbild gab es den erfolgreichen US-Onlineshop Zappos. Und es funktionierte tatsächlich dank Rücksende-Garantie und trotz der Logistik-Probleme, die mit den Retouren verbunden sind. Das Startkapital kam von den Samwer-Brüdern.
300’000 Bestellungen täglich
Was mit dem Verkauf von Schuhen begann, ging schon bald mit Kleidung und Mode weiter. Vor ein paar Monaten kamen Kosmetika hinzu. Derzeit gehen bei Zalando im Durchschnitt jeden Tag 300 000 Bestellungen aus 17 europäischen Ländern ein. In diesem Jahr peilt der Konzern nochmals eine Umsatzsteigerung um mehr als 20 Prozent an. Den Gewinn – 2017 waren es 130 Millionen Euro – will die Geschäftsführung weiterhin in Technik und Logistik investieren.
Modetrends aufspüren
Zum Erfolgsgeheimnis von Zalando gehört ein ausgeklügeltes System, das Modetrends aufspürt. Grundlage ist die computergestützte Analyse der aktuellen Verkaufszahlen. «Das sagt uns, welches Produkt sich schnell oder schlecht verkauft», erklärt Co-Vorstandschef Rubin Ritter in einem Interview der «Zeit». Ein grosses Team an Einkäufern bewerte die Zahlen dann noch einmal aufgrund eigener Erfahrungen.
Direktverkauf von Modemarken
Das dritte und jüngste Element ist der Direktverkauf von Modemarken auf der Plattform von Zalando. Deren Angebot spiegelt quasi den Puls der Zeit. «Wir nutzen den Sachverstand der Modemarken», sagt Ritter. «Dadurch entsteht eine Konstellation, dass wir immer flexibler und immer besser mit den manchmal schwer einzuschätzenden Modetrends umgehen können.»
Der Branchenkenner Jochen Krisch sieht in der Zusammenarbeit mit den Markenherstellern «ein sehr dankbares Geschäft». Zalando kassiere immer Provisionen – egal ob der eine oder andere mal die Nase vorn habe. Einschliesslich der Marktplatz-Umsätze könne Zalando vielleicht schon 2020 die Marke von zehn Milliarden Euro Umsatz erreichen. Zurzeit kommt ein Zehntel der Erlöse über die Plattform herein, Tendenz steigend.
Die Konkurrenz schläft nicht
Dabei ist das Unternehmen freilich nicht ohne Konkurrenz. Ernst zu nehmen ist etwa der britische Konzern Asos, der gezielt Kunden im Alter bis zu 30 Jahren anspricht. Acht Jahre älter als Zalando, erreichte die Firma allerdings zuletzt lediglich die Hälfte des Umsatzes des Berliner Konzerns.
Die Mode-Plattform About You – Tochter der Hamburger Otto Group – misst sich mit Zalando vor allem im Technologie-Sektor. Beide tüfteln daran, wie sie den Kunden eine möglichst passgenaue, individuelle Auswahl ihres riesigen Sortiments präsentieren können. Ein Beispiel dafür ist «Zalando Wardrobe», der digitale Kleiderschrank. Kunden können mit per Smartphone und App Fotos ihrer eigenen Kleidungsstücke einspeichern und auch verkaufen. Zalando aber erkennt dadurch vor allem die Vorlieben der Nutzer und kann ihnen Produktangebote unterbreiten, die ihrem Stil entsprechen. (awp/mc/pg)