Mannheim – Die Konjunkturerwartungen deutscher Finanzexperten sind wegen der Sorgen über eine Energiekrise und der Aussicht auf steigende Zinsen eingebrochen. Das Stimmungsbarometer des Mannheimer Forschungsinstituts ZEW fiel im Juli gegenüber dem Vormonat um 25,8 Punkte auf minus 53,8 Zähler, wie das Zentrum für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) am Dienstag in Mannheim mitteilte. Analysten hatten mit einem kräftigen Rückgang gerechnet, waren aber im Schnitt nur von minus 40,5 Punkten ausgegangen.
Die Bewertung der Konjunkturlage ging ebenfalls deutlich zurück. Sie fiel um 18,2 Punkte auf minus 45,8 Zähler. Volkswirte hatten hier mit minus 34,5 Punkten gerechnet.
Mit dem Juli-Einbruch liegt der ZEW-Konjunkturindikator unter dem Niveau, das er beim scharfen Einbruch zu Beginn der Corona-Krise im März 2020 erreicht hatte. «Die aktuell grossen Sorgen über die Energieversorgung in Deutschland, der angekündigte Zinsanstieg der EZB sowie weitere coronabedingte Einschränkungen in China führen zu einer erheblichen Verschlechterung des Konjunkturausblicks», kommentierte ZEW-Präsident Achim Wambach.
Besonders stark seien die Erwartungen für energieintensive und exportorientierte Wirtschaftssektoren gesunken, sagte Wambach. Ausserdem wies er darauf hin, dass der private Konsum deutlich schwächer eingeschätzt werde.
«Keine gute Voraussetzungen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung»
Nach Einschätzung von Thomas Gitzel, Chefvolkswirt der VP Bank, profitiert die deutsche Wirtschaft noch von Nachholeffekten im Dienstleistungssektor. Es sei allerdings zu befürchten, dass nach Beendigung der Sommersaison die Verbraucher in allen Lebensbereichen den Gürtel enger schnallen würden. Die hohen Inflationsraten dürften dann vermutlich erst richtig ins Kontor schlagen. «Wenn gleichzeitig die Materialknappheiten noch anhalten, sind das keine guten Voraussetzungen für die weitere wirtschaftliche Entwicklung», warnte Gitzel.
An den Finanzmärkten zeigte der Einbruch des Konjunkturindikators kaum Auswirkungen. Am Frankfurter Aktienmarkt lag der Dax in der Verlustzone. Am Devisenmarkt fiel der Euro erstmals seit etwa zwei Jahrzehnten zum US-Dollar auf Parität, also auf ein Tauschverhältnis eins zu eins. Der Euro hatte aber bereits vor der Veröffentlichung des ZEW-Indikators nur knapp darüber notiert. (awp/mc/ps)