Zittern um Alitalia-Rettung – Gibt es eine Zukunft für die Airline?
Rom – Für die seit Jahren in der Krise steckende italienische Fluggesellschaft Alitalia gibt es einen dringend benötigten Rettungsplan. Doch nachdem der Verwaltungsrat am Mittwochabend den Weg dafür freigemacht hat, stehen dicke Fragezeichen hinter der Finanzierung des Vorhabens. Medienberichten zufolge benötigt Alitalia mehr als eine Milliarde Euro an frischem Kapital und Krediten, um zu überleben. Ausserdem werden starke Widerstände von den Gewerkschaften erwartet. Wie und ob die Airline wieder zukunfts- und wettbewerbsfähig werden kann, steht weiterhin in den Sternen.
Am Donnerstag stellte die Führungsspitze den Rettungsplan der Regierung in Rom vor. «Es gibt eine Menge zu tun», entlockten Journalisten Transportminister Graziano Delrio. Laut Alitalia sollte es auch ein Treffen mit den Gewerkschaften geben, um Details zu erläutern. Der Zeitpunkt dafür war nicht bekannt.
Mit einem drastischen Sparprogramm soll die einstige Staatsfluglinie binnen zwei Jahren endlich in die Gewinnzone kommen, wie das Management am Mittwochabend nach einer mehrstündigen Sitzung des Verwaltungsrats mitteilte. Dazu will Alitalia ihre jährlichen Kosten um eine Milliarde Euro senken und ihren Umsatz um 30 Prozent auf 3,7 Milliarden Euro steigern.
Kleinere Flotte
Dabei soll die Flotte von derzeit 122 Flugzeugen nicht etwa wachsen, sondern schrumpfen. 20 Kurz- und Mittelstreckenjets soll das Management bis zum nächsten Jahr aus der Flotte nehmen. Stattdessen will Alitalia ihr Langstreckenangebot nach Amerika ausbauen und auf bereits bestehenden Strecken mehr Flüge anbieten.
Das Kaufverhalten der Kunden sei sehr stark von den Angeboten der Billigfluggesellschaften geprägt, sagte Alitalia-Chef Cramer Ball. Billigflieger wie Ryanair und Easyjet waren in den vergangenen Jahren massiv auf den attraktiven italienischen Markt gedrängt und hatten die ohnehin schon schwache Alitalia unter Druck gesetzt.
Wenn Alitalia langfristig bestehen wolle, müsse die Gesellschaft die richtige Grösse, die richtige Aufstellung und die nötige Produktivität und niedrige Kosten haben, sagte Ball. «Wenn wir in Italien und Europa nicht gegen die Billigflieger ankommen, werden wir Passagiere für Langstreckenflüge verlieren.» Denn für die meisten Alitalia-Kunden auf der Kurzstrecke sei ihr Flug der Anschluss zu einem Langstreckenflug der Airline.
Einige der geplanten Veränderungen sind ganz nach dem Vorbild der Billigflieger: So sollen Passagiere auf der Kurz- und Mittelstrecke etwa eine Sitzplatzreservierung oder aufgegebenes Gepäck gegen Aufpreis hinzubuchen. Dies ist inzwischen auch bei anderen klassischen Fluglinien wie der Lufthansa üblich. Bei Interkontinentalflügen setzt Alitalia weiterhin auf den vollen Service. Die Flugzeuge sollen ausserdem mit einem neuen Bordunterhaltungs-System und Wlan-Internetzugang ausgestattet werden.
«Um zukunftsfähig zu sein, ist die Orientierung in Richtung Billigflieger ein guter Ansatz», sagt Gerald Wissel von der Luftverkehrsberatungsgesellschaft Airborne. Allerdings müsse nicht nur die Flotte schrumpfen, sondern auch jede Menge Personal abgebaut werden, um flexibler zu sein. «Ich glaube nicht, dass die Gewerkschaften da mitmachen.» Wie viele Jobs im Zuge der Sanierung wegfallen sollen, wurde noch nicht bekannt. Italienische Medien spekulieren seit Wochen darüber und berichten von 1600 bis 2000 Stellenstreichungen und von Lohnkürzungen im Schnitt von 30 Prozent.
Seit Jahren defizitär
Die Fluggesellschaft schreibt seit Jahren Verluste. Der Mailänder Denkfabrik Bruno Leoni zufolge verliert sie mehr als eine Million Euro am Tag. Die Übernahme von 49 Prozent der Anteile durch die arabische Fluggesellschaft Etihad aus Abu Dhabi sollte den Neustart bringen. Doch die Beteiligung erwies sich für die arabische Grossaktionärin bislang als teures Zuschussgeschäft – ähnlich wie bei ihrer deutschen Beteiligung Air Berlin .
Die Araber haben ihre Beteiligungen an anderen Airlines deshalb jüngst auf den Prüfstand gestellt. Etihad-Chef James Hogan, der sich mit den Beteiligungen an schwachen Fluggesellschaften ein Zubringernetzwerk für das Drehkreuz im Emirat Abu Dhabi aufgebaut hatte, nimmt in der zweiten Jahreshälfte seinen Hut. Noch ist offen, ob Etihad bei Alitalia erneut frisches Geld zuschiesst.
Berater Wissel ist ohnehin skeptisch, dass der Rettungsplan den entscheidenden Befreiungsschlag für Alitalia bringt. Ohne die Durchsetzung drastischer Massnahmen werde das Unternehmen es «niemals schaffen, wettbewerbsfähig zu werden». Auch dürfte es schwer werden für die frühere staatliche Fluggesellschaft, ihren Heimatmarkt zurückzuerobern. (awp/mc/ps)