Zuckerberg-Anhörung enthüllt mögliches Bezahl-Facebook

Zuckerberg-Anhörung enthüllt mögliches Bezahl-Facebook
Mark Zuckerberg bei seiner Anhörung vor dem US-Senat. (Screenshot)

Washington – Facebook-Chef Mark Zuckerberg hat erstmals signalisiert, dass das weltgrösste Online-Netzwerk nach dem Datenskandal eine Bezahl-Variante ohne Werbung bekommen könnte. «Es wird immer eine kostenlose Version von Facebook geben», sagte Zuckerberg auf entsprechende Nachfragen bei einer Anhörung im US-Senat und deutete mit dieser Wortwahl Alternativen an. Er enthüllte zudem, dass Facebook-Mitarbeiter vom Sonderermittler Robert Mueller befragt wurden, der eine mögliche russische Einflussnahme im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 untersucht. Er selbst sei nicht darunter gewesen.

Auslöser für die insgesamt fünfstündige Anhörung mit dem ersten Auftritt Zuckerbergs im US-Kongress war der aktuelle Datenskandal um Facebook und Cambridge Analytica. Der 33-jährige Konzernchef gestand abermals schwere Fehler ein und versprach strikteren Datenschutz.

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«Es war mein Fehler»
Facebook habe das Ausmass seiner Verantwortung nicht erkannt, sagte Zuckerberg am Dienstag und hielt sich damit an eine vorab veröffentlichte Stellungnahme. «Das war ein grosser Fehler. Es war mein Fehler.» Seine grösste Priorität sei nach wie vor, die Menschen zu vernetzen – und das werde immer wichtiger sein als die Interessen der Werbekunden, «solange ich Facebook führe», sagte Zuckerberg. «Ich habe Facebook gestartet, ich führe es, und ich trage die Verantwortung dafür, was hier passiert.»

Zuckerberg, der für den Auftritt Anzug und Krawatte statt des üblichen grauen T-Shirts und Jeans trug, wurde im Kongress in Washington von Dutzenden Fotografen empfangen. Er wirkte sichtlich nervös, fing sich aber mit der Zeit. Diverse Detailfragen beantwortete er nicht direkt, sonder versprach, dass «sein Team» nachträglich Kontakt zu den Senatoren aufnehmen werde.

Zuckerberg hatte auch keine konkrete Antwort auf die Frage, wie lange es dauert, bis alle Daten eines Nutzers entfernt werden, wenn dieser seinen Facebook-Account löscht. Es sei komplex und Facebook bemühe sich, das in einer vernünftigen Zeit zu erledigen, sagte der Firmenchef. Er wich mehreren Versuchen von Senatoren aus, ihn zu einem klaren «Ja» oder «Nein» bei einigen Fragen zu drängen, die langfristige Folgen für Facebook haben könnten – etwa, ob das Online-Netzwerk eine neutrale Plattform sei oder er bestimmte Gesetze zur Internet-Regulierung unterstützten würde.

«Verschwörungstheorie»
Dagegen wies Zuckerberg klar den Verdacht zurück, dass Facebook Gesprächen der Nutzer zuhöre, um ihnen passende Werbung zu zeigen. «Das machen wir nicht», sagte der Facebook-Chef und nannte die seit Jahren andauernden Spekulationen eine «Verschwörungstheorie».

Zuckerberg verwies immer wieder darauf, dass künstliche Intelligenz in der Zukunft eine viel grössere Rolle im Kampf gegen auf Facebook untersagte Einträge etwa mit Terrorpropaganda oder Hassrede spielen solle. Er rechne damit, dass Software zur Sprachanalyse in fünf bis zehn Jahren soweit sein werde.

Der Chef des Handelsausschusses im US-Senat, John Thune, betonte zu Beginn der Anhörung, dass die Zeit für mehr Regulierung statt einseitiger Zusagen der Unternehmen gekommen sei könnte. Er sei sich nicht sicher, dass Nutzer mit vollem Verständnis der Konsequenzen ihre Daten an die Online-Firmen gäben. Zugleich zeigten einige Senatoren Lücken beim Verständnis der Funktionsweise und des Geschäftsmodells von Facebook. Einer wollte zum Beispiel wissen, wie sich das Online-Netzwerk finanziere. «Senator, bei uns gibt es Werbung», antwortete Zuckerberg und wirkte leicht entgeistert.

Cambridge Analytica: Bis zu 87 Millionen Nutzer betroffen
Bei dem aktuellen Datenskandal hatte der Entwickler einer Umfrage-App vor mehr als vier Jahren Informationen von Nutzern unrechtmässig an die Analyse-Firma Cambridge Analytica weitergereicht, die später unter anderem für das Wahlkampfteam von US-Präsident Donald Trump arbeitete. Dabei ging es nicht nur um die Daten der Umfrage-Teilnehmer, sondern auch um die ihrer Facebook-Freunde – der Daten-Zugriff für App-Entwickler liess das von 2007 bis 2014 zu.

Nach Einschätzung von Facebook könnten die Daten von bis zu 87 Millionen Nutzern weltweit betroffen sein – darunter potenziell von gut 70 Millionen Amerikanern. Cambridge Analytica selbst erklärte, man habe Informationen zu 30 Millionen Nutzern erhalten. Facebook wusste seit Ende 2015 von der unerlaubten Datenweitergabe – gab sich aber mit der Zusicherung zufrieden, dass sie vernichtet worden seien und informierte die betroffenen Nutzer nicht. Das wird erst jetzt nachgeholt. Es sei ein Fehler gewesen, die Nutzer nicht schon damals zu unterrichten und Cambridge Analytica nicht von der Plattform zu verbannen, sagte Zuckerberg.

Zuckerberg ist schon seit Tagen bemüht, die Situation zu entschärfen. In Blogeinträgen und einer Telefonkonferenz mit Journalisten räumte er bereits Fehler ein. Zudem reduzierte Facebook den Zugriff von App-Entwicklern auf Nutzerinformationen deutlich und Nutzer bekamen mehr Möglichkeiten zum Schutz ihrer Privatsphäre gemäss EU-Datenschutzgrundverordnung. Am Mittwoch stellt er sich einer weiteren Kongress-Anhörung im Abgeordnetenhaus. (awp/mc/pg)

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