Von Karin Bosshard
Moneycab.com: Herr Ill, bitte stellen Sie sich kurz vor.
Adrian Ill: Nach 20 Jahren Brokertätigkeit, davon 16 Jahre als Gründungspartner der Qualibroker AG, habe ich zusammen mit drei Partnern aus der IT-Welt die Sobrado Software AG gegründet. Heute bin ich als CEO und Mitinhaber für Sobrado tätig.
Ich weiss, dass Sie darüber hinaus auch als mehrfacher Verwaltungsrat tätig sind …
Ja, richtig! Ich darf in einigen Familienfirmen als Verwaltungsrat mitwirken. Mein Steckenpferd in diesen Mandaten ist strategische und digitale Fragen. So bin ich beispielsweise Verwaltungsratspräsident einer Klinikgruppe für Patienten mit einem psychischen Leiden, der Clienia AG. Weitere Mandate besetze ich im Bau-, Baunebengeschäft und Kosmetikbereich.
«Naturgemäss ist das Entwickeln von Standards im hochkomplexen Versicherungsumfeld mit Langsamkeit verbunden.»
Adrial Ill, CEO und Mitinhaber Sobrado
Kehren wir zurück zu Ihrem Kerngeschäft. Ihr Unternehmen wickelt Transaktionen im Versicherungsmarkt ab. Wo stehen die Versicherungen heute punkto Digitalisierung?
Grundsätzlich haben Versicherungskunden relativ wenig seriellen Kontakt zu den Versicherungsgesellschaften. Ein jeder von uns bezahlt die Prämie zu Beginn des Jahres in der Hoffnung keine Leistungen in Anspruch nehmen zu müssen, denn dieser Fall wäre immer mit einem unliebsamen Schaden verbunden. Daher ist es nicht erstaunlich, dass Transaktionen im schweizerischen Versicherungsmarkt, insbesondere zwischen Broker und Versicherern, heute mehrheitlich manuell per Mail, Telefon, Post oder persönlichem Kontakt abgewickelt werde. Es gibt einige wenige Initiativen zur Digitalisierung der Branche, allerdings bisher ohne umfassenden Ansatz und meistens auf einen spezifischen Schadensfall wie bspw. das Einreichen eine Arztrechnung bei der Krankenkasse beschränkt.
Was fehlt auf dem Weg zur Digitalisierung der Versicherungsbranche?
Was der Versicherungsbranche fehlt, ist eine gesamtheitliche Abwicklungsplattform für hunderttausende von Transaktionen, welche durch die Wechselfälle der Versicherungskonsumenten entstehen. Stellenwechsel, Wohnortswechsel, Heirat, Scheidung, Kinder, Kauf und Verkauf von Fahrzeugen, Geräten, Schmuck usw. haben Auswirkungen auf die Versicherungssituation. Anpassungen in Versicherungsverträgen erfolgen mehr oder minder per Zuruf aber ganz sicher manuell.
«Für eine gemeinsame Kampagne zur digitalen Abwicklung von Geschäftsprozessen zwischen Kunden und Versicherern, aber auch zwischen Versicherung A und Versicherung B, ist es nicht zu spät.»
Welchen «Anstoss» bräuchten die Versicherungen um die Digitalisierung voranzutreiben?
Basis und Grundvoraussetzung für eine funktionierende digitale Plattform sind anerkannte Normen und Standards. Naturgemäss ist das Entwickeln von Standards im hochkomplexen Versicherungsumfeld mit Langsamkeit verbunden. Das transaktionsarme Geschäfte «Versicherung» funktioniert auch ohne Digitalisierung. Die latente Angst einer «Uberisierung» der heutigen Geschäftsmodelle hat hingegen Wind in die Segel gebracht. Anbieter wie «Lemonade» aus USA zeigen, wie einfach Versicherung sein kann. Das bringt nötige Bewegung in den Markt.
Haben die Versicherungen in der Schweiz den Anschluss für eine gemeinsame Kampagne verpasst?
Für eine gemeinsame Kampagne zur digitalen Abwicklung von Geschäftsprozessen zwischen Kunden und Versicherern, aber auch zwischen Versicherung A und Versicherung B, ist es nicht zu spät. Sich für eine gemeinsame Plattform an einen runden Tisch zu setzen, um Standards fest zu legen, ist ein Willensakt, welcher von oberster Stelle initialisiert werden muss.
Gibt es Branchen welche als Vorbilder dienen könnten?
Schauen wir auf die Finanzbranche! Dort gibt es seit Jahren eine einzige Abwicklungsplattform, die SIX. Beziehe ich am Bancomaten Geld, so wird mein Bezug automatisch auf meinem Bankkonto abgebucht. Die SIX stellt als Abwicklungsplattform sicher, dass Transaktionen zwischen den verschiedensten Systemen digital durchgeführt werden können. Die Banken sind Eigner der SIX nicht zuletzt darum geniesst die SIX breiteste Akzeptanz der Geschäftsbanken.
Diesem Beispiel von SIX folgend, könnte eine gemeinsame Kampagne im Versicherungsgeschäft, dann grossen Zuspruch erhalten, wenn sich die Versicherungsanbieter Eigner einer Transaktionsplattform sind.
Was können Sie uns zu den Mitgliedern und Zielen von EcoHub mitteilen?
Mit dem Verein IGB2B hat sich eine Vereinigung von Broker, Versicherern und Softwarehersteller in der Schweiz etabliert, welche prädestiniert ist, die Standards für Transaktionen im Versicherungsgeschäft zu definieren. Zurzeit befasst sich die IGB2B mit dem Bau einer zentralen Datentransaktionsplattform, welche den Versicherungsmarkt verbindet. Das «go live» ist für das Frühjahr 2020 vorgesehen.
«Zurzeit befasst sich die IGB2B mit dem Bau einer zentralen Datentransaktionsplattform, welche den Versicherungsmarkt verbindet.»
Wie lässt sich die Vision von EcoHub beschreiben und wie schätzen Sie die Erfolgsaussichten ein??
Mit EcoHub soll dem Markt eine zentrale, unabhängige online-Plattform zur Verfügung stehen, welche verschiedensten Serviceprovidern die Möglichkeit bietet, ihre digitalen Angebote in die Transaktionswelt ein zu betten. Sobald die EcoHub-Plattform steht, wird Sobrado diese nutzen.
Die gemeinsame Kampagne schafft Voraussetzungen, um den Versicherungsmarkt zu digitalisieren. Mit welcher Priorität die Versicherungsanbieter in ihren IT-Projekten Anbindungen an die neue Welt von EcoHub schaffen, wird sich weisen. Sämtliche grossen Versicherungsanbieter sind mit ihren IT-Projekten ausserordentlich beschäftigt. In vielen Fällen hat das damit zu tun, dass versicherungs-eigene Kernsysteme in die Jahre gekommen sind und durch neue Technologien abgelöst werden müssen. Aufgrund dieses Umstandes ist damit zu rechnen, dass bis zur Digitalisierung am Kundenfrontend noch viel Zeit verstreichen wird, denn Priorität hat logischerweise der Ersatz dieser Kernapplikationen.
Versicherungsgeschäft ist aber auch Vertrauensgeschäft. Wer wechselt schon so leicht seine Hausratversicherung und Co. Darum haben neue Anbieter gegenüber den arrivierten Marken einen schweren Stand. Das gibt der Branchenleader noch etwas Schnauf, um die notwendigen Vorkehrungen für die Digitalisierung zu treffen.