Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Badoux, ServiceNow hat weltweit wiederum die Erwartungen übertroffen und zwar für das vierte Quartal 2022 (Umsatz 1.94 Milliarden USD, plus 20 % gegenüber dem Vorjahr) und das Gesamtjahr 2022. Wie schneidet die Schweiz im internationalen Vergleich ab?
Alain Badoux: In der Schweiz und generell in Europa haben wir im vergangenen Jahr einen guten Zuwachs gehabt. Wir konnten in Europa im letzten Quartal 2022 einen Umsatz von 25 % in EMEA GAAP verzeichnen. In der Schweiz können wir ein Kundenportfolio, mit Multinationals und KMU, aufweisen, das rund 90 % des SMI abdeckt. Damit steht ServiceNow nach elfjähriger Präsenz auch in der Schweiz im europäischen Vergleich sehr gut da.
«ServiceNow befindet sich in einer äusserst privilegierten Situation: Wir haben nie aufgehört, Talente einzustellen – und wir haben auch in der Schweiz in den letzten Monaten mehr Mitarbeitende eingestellt.» Alain Badoux, VP Switzerland ServiceNow
Mit unserer cloudbasierten Now Plattform und den damit verbundenen Lösungen adressieren wir gemeinsam mit unseren Partnern alle Schweizer Unternehmen in jeglichen Branchen und in fast jeder Grösse. Waren wir zu Beginn auf Grossfirmen fokussiert so haben wir seit gut zwei Jahren ein eigenes KMU-Team und eine gute Strategie sowie sehr attraktive und erschwingliche Lösungen. Von den Kunden werden wir zunehmend als strategischer Plattformpartner genannt.
Zum ersten Mal entlassen die grossen Tech-Unternehmen wie Facebook, Google oder Amazon zu Tausenden. Wie sieht die Situation bei ServiceNow aus?
ServiceNow befindet sich in einer äusserst privilegierten Situation: Wir haben nie aufgehört, Talente einzustellen – und wir haben auch in der Schweiz in den letzten Monaten mehr Mitarbeitende eingestellt. Selbst jetzt wollen wir weiter wachsen und sind nach wie vor auf der Suche nach geeigneten Talenten, die optimal in unser Team passen.
Ein wichtiges Thema bei ServiceNow ist die Unterstützung der Kunden bei der Umsetzung von ESG-Kriterien. Welchen Stellenwert hat ESG bei ServiceNow selbst und wie wird die Einhaltung der Kriterien konkret gemessen?
ESG ist für Unternehmen heutzutage nicht mehr fakultativ. Jedoch zeichnet sich wirksame Governance nicht nur dadurch aus, was man sagt, sondern auch wie man es sagt und wen man adressiert. Aber selbst die besten ESG-Verpflichtungen sind bedeutungslos, wenn man nicht weiss oder nicht messen kann, wie man sie einhält. Dafür arbeiten wir mit mehreren Partnern zusammen, die uns dabei unterstützen, nicht nur die Commitments unserer Kunden zu messen, sondern auch unsere eigenen.
Anfang des Jahres hat ServiceNow das Partnerprogramm erneuert und ausgebaut. Welchen Anteil am Gesamtgeschäft hat der Partnerkanal in der Schweiz, wie werden sich die Neuerungen auswirken?
Mit dem neuen Partnerprogramm sollen auch neue Lösungen geschaffen werden, damit Partner ihr Fachwissen erweitern, ihre Fähigkeiten differenzieren und ihre Leistungen noch weiter steigern können. Mit den Neuerungen wurden vier neue, eigenständige Module geschaffen, an denen sich Partner beteiligen können: Aufbau, Beratung und Implementierung, Re-Sale und Service Provider.
«Digitalisierung ist in Krisen und Ausnahmesituationen eigentlich noch mehr gefragt als in normalen Zeiten.»
Auf diese Weise können sich Partner leichter auf die verschiedenen Rollen und Vertriebswege innerhalb des ServiceNow-Ökosystems einstellen. Wir haben ein sehr grosses und stetig wachsendes Partner Ecosystem und ca. 90% des gesamten Servicesgeschäfts wird von unserem Partner Ecosystem geliefert. Unser Ziel ist es, das Partnergeschäft signifikant auszubauen, das schliesst auch die Stärkung unseres Resellers und Service Provider Kanals ein.
Während andere Unternehmen ein überdurchschnittliches Wachstum durch Zukäufe erreichen, will ServiceNow dies mit eigenen organischen Innovationen stemmen. Welche sind aktuelle Beispiele für solche organischen Innovationen?
Wir versuchen stets, unseren Kunden durch unsere Plattform die bestmögliche Unterstützung für die Digitalisierung von Workflows zu bieten. Dafür überprüfen wir uns und unser Angebot die ganze Zeit selbst, um zu eruieren, an welchen Stellen wir nachbessern können. Unser Tokyo-Update sowie das neue Plattform-Release Utah, welches wir kürzlich angekündigt haben, helfen beispielsweise unseren Kunden durch eine verbesserte Customer und Employee Experience dabei, Talente besser zu entwickeln und zu halten. Denn die Belegschaft eines Unternehmens sind dessen erste Kunden.
«Wir haben ein sehr grosses und stetig wachsendes Partner Ecosystem und ca. 90 % des gesamten Servicesgeschäfts wird von unserem Partner Ecosystem geliefert.»
Welche konkreten Vorteile haben Ihre Kunden durch das von Ihnen erwähnte kürzlich angekündigte Utah-Release?
Unternehmen bekommen neue KI- und Cybersecurity-Funktionen und die Möglichkeit, Geschwindigkeit mit Innovation zu kombinieren und so ihre Workflows erheblich zu verbessern. Das neue Release optimiert zudem Prozesse, beschleunigt Entwicklungen durch gezielte Automatisierung und verringert Sicherheitsrisiken. So generieren Unternehmen eine bessere Total Experience (CX, EX) sowie gesteigerte Agilität, die letztendlich zum Unternehmenserfolg beiträgt und die moderne Zusammenarbeit nochmals verbessert.
Machine Learning, No-Code oder Low-Code sind Themen, die nicht zuletzt dank Initiativen wie ChatGPT ins Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken. Wie steht es um die Low- oder No-Code-Möglichkeiten in der ServiceNow-Plattform, welche Entwicklungen zeichnen sich ab?
Die Zahl der Programmierer, die Low-Code-Lösungen entwickeln, wächst stetig. Deswegen muss sich auch die Rolle der IT-Abteilungen ändern. Mit unserem App Engine Management Center (AEMC) liefern wir eine schlüsselfertige Low-Code-Verwaltungslösung zur erfolgreichen Skalierung und Absicherung der App-Entwicklung in einem Unternehmen mit App Engine. Zudem hilft das AEMC bei der zentralen Verwaltung aller Aspekte der Low-Code-App-Enwicklungen. Selbstverständlich arbeiten wir hier auch stetig daran, unsere Plattform zu verbessern. Kürzlich wurde ServiceNow von Gartner zum führenden Anbieter von Low Code Plattformen für Unternehmen ernannt.
Während die Pandemie, der Krieg in der Ukraine, die Energiewende, die Migration oder die Klimaveränderung die Schlagzeilen bestimmen, haben sich Unternehmen wie ServiceNow erstaunlich schnell angepasst und verzeichnen weiterhin gute Zahlen. Wo sehen Sie die grössten Risiken für ServiceNow, was tun sie, um diese möglichst zu umschiffen?
Ich sehe definitiv mehr Chancen als Risiken. Digitalisierung ist in Krisen und Ausnahmesituationen eigentlich noch mehr gefragt als in normalen Zeiten. Somit müssen wir uns nicht anpassen, sondern weiterhin mit Kunden sprechen. Wir müssen ihnen die Möglichkeiten aufzeigen, wie sie effizienter, attraktiver und rentabler werden und eine bessere Customer Experience erzielen: Lösungen, die direkt aus der Krise führen. Wir haben zum Beispiel mit UNICC und BT eine Contact-Center-Lösung gebaut, die es dem UNHCR ermöglicht, Flüchtlingen aus der Ukraine besser und effizienter zu unterstützen.
Welche technologischen Entwicklungen werden Ihrer Ansicht nach den Softwaremarkt in den nächsten Jahren am meisten prägen und verändern?
Die technologische Evolution ist selbstredend an die grossen Entwicklungen und Erfindungen gebunden. Dazu gehören natürlich aktuell Anwendungen Künstlicher Intelligenz, wie beispielsweise Chat-GPT, Virtual Agents und, allgemein gesprochen, Hyperautomation. Diese drei Bereiche werden in den nächsten Jahren als Treiber technologischer Entwicklungen fungieren.
«Die Zahl der Programmierer, die Low-Code-Lösungen entwickeln, wächst stetig. Deswegen muss sich auch die Rolle der IT-Abteilungen ändern.»
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen die aus?
Im Angesicht aktueller Krisen sollte man auch immer wieder sehen, welche Privilegien wir haben. Trotz aller Demut wünsche ich mir, dass die Welt bald wieder zu einer besseren wird und wir nicht ständig über Naturkatastrophen, Krieg oder die negativen Auswirkungen der Klimaerwärmung diskutieren müssen. Das funktioniert aber nur, wenn wir alle zusammenhalten und verstehen, dass wir gemeinsam etwas ändern müssen.