Alessandro Morra, CEO Ascento, im Interview

Alessandro Morra, CEO Ascento, im Interview
Alessandro Morra, CEO Ascento. (Foto: Ascento)

von Patrick Gunti

Moneycab.com: Herr Morra, Ascento hat einen Sicherheitsroboter entwickelt, der grosse Aussenbereiche effizient überwacht. Wie ist es dazu gekommen?

Alessandro Morra: Meine Mitbegründer und ich haben während des Studiums unseren Prototyp entwickelt, der nach Boston Dynamics der zweite radgetriebene Balancierroboter der Welt ist. Diese Forschungsarbeit führte zu einigen der viralsten Videos in der Robotik-Community mit mehr als 1 Million Views (This is Ascento 2, This is Ascento Pro).

Ursprüngliches Ziel war es, einen Roboter zu entwickeln, der mit möglichst einfacher Hardware, also wenig Motoren und Gelenke, und ergänzt durch intelligente Software und KI dorthin gehen kann, wo Menschen sich aufhalten. So entstand das Rad-Bein-Design, bei dem die Räder für Schnelligkeit und Energieeffizienz sorgen, während die Beine zur Überwindung von unebenem Gelände und Treppen genutzt werden.

Was geschah durch die grosse Aufmerksamkeit in der Robotik-Community?

Asecento erhielt nach den viralen Videos hunderte von Anfragen für den Einsatz der Roboter in verschiedenen Branchen. Eine, die unsere Aufmerksamkeit erregte, war die Sicherheitsbranche. Dies ist eine arbeitsintensive Branche, in der ein massiver Mangel an Arbeitskräften herrscht. Wir haben selbst in der Branche gearbeitet, um unsere Idee zu überprüfen und wirklich zu verstehen, was wir den tun sollten. Es hat sich bestätigt, dass ein geländegängiger Roboter Überprüfungen und Kontrollen durchführen kann, die normalerweise von einem Menschen erledigt werden, zum Beispiel die Kontrolle der Umzäunung, Parkkontrollen oder Aussenkontrollen. Mit unserer Technologie haben wir eine wesentlich wirtschaftlichere und bessere Lösung für repetitive Aufgaben gefunden.

Wenn man mal nachts und bei Regen in einem 25 km langen Zaun nach Löchern suchen muss, dann wird einem sehr bewusst, dass Roboter diese Aufgaben einfach viel besser lösen können.

Sie haben es angesprochen, der Sicherheitsmarkt klagt über mangelnde Rentabilität und einen akuten Fachkräftemangel. Wo liegen die Gründe?

Es gibt verschiedene Gründe. Dazu gehört die demografische Entwicklung: Die alternde Bevölkerung führt dazu, dass viele erfahrene Fachkräfte in den Ruhestand gehen. Gleichzeitig ist der Beruf im Sicherheitssektor für viele junge Menschen nicht attraktiv genug, um diesen Personalmangel auszugleichen. Ausserdem besteht bei den Sicherheitsdienstleistern ein hoher Wettbewerbsdruck. Die Vielzahl an Anbietern, die auch Sicherheitspersonal anbieten, erhöht den Konkurrenzdruck und drückt die Margen, was die Rentabilität der Unternehmen beeinträchtigt.

Gleichzeitig sind Kunden zunehmend weniger bereit, für gleichbleibende Sicherheitsdienstleistungen mehr zu zahlen. Die Gehälter und Betriebskosten von Sicherheitsdienstleistern steigen kontinuierlich, jedoch bleiben die Leistungen gleich.

Ausserdem hat die Branche in der Vergangenheit zu wenig in technologische Innovationen investiert. Dies hat zur Folge, dass viele jetzt den Anschluss an neue, effizientere Lösungen verpassen und damit ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährden.

«Wenn man mal nachts und bei Regen in einem 25 km langen Zaun nach Löchern suchen muss, dann wird einem sehr bewusst, dass Roboter diese Aufgaben einfach viel besser lösen können.»
Alessandro Morra, CEO Ascento

Bis zu welchem Grad entschärft Ihre Robotik-as-a-Service-Lösung von Ascento die Situation?

In der Schweiz wird geschätzt, dass in den kommenden Jahren mindestens 2000 Roboter benötigt werden, um den Entwicklungen im Sicherheitssektor entgegenzuwirken. Auch international ist die Situation ähnlich, mit einem hohen Bedarf an automatisierten Lösungen, denn die Suche nach Personal immer schwieriger wird.

Welche Funktionen kann Ihr Sicherheitsroboter ausführen?

Er führt alle visuellen Kontrollgänge im Aussenbereich durch, von Parkplatzkontrollen und Perimeterkontrollen über die Sicherung der Aussenhülle bis zur Überprüfung von Hotspots etc.

Wie werden die Wachroboter mit Informationen gespeist, dass sie zum Beispiel merken, wenn ein Tor offen ist, das geschlossen sein sollte. Oder dass sich jemand auf dem Gelände befindet, obwohl niemand da sein dürfte?

Ähnlich wie bei einer Wachperson, bei der zunächst eine Dienstvorschrift erstellt wird, die genau festlegt, was, wann und wo zu kontrollieren ist, erfolgt dies auch beim Roboter. Der Prozess ist unkompliziert: Entweder begehen wir die Areale direkt mit einem iPad, oder wir programmieren die Informationen gemäss den bestehenden Dienstvorschriften.

Anstatt sich auf Augen, Ohren und Nase zu verlassen, nutzt der Roboter Kameras, Wärmebildkameras, Mikrofone, Lichter und Lautsprecher. Diese Geräte lösen je nach Kundenanforderungen und Dienstvorschriften bei bestimmten Szenarien einen Alarm aus.

Was passiert, wenn der Wachroboter eine Unregelmässigkeit feststellt?

Die Anforderungen variieren je nach Kundenwunsch und können genau definiert werden. Einige Aufgaben erfordern eine schnelle Reaktion, wie zum Beispiel die Überwachung von Zäunen bei kritischer Infrastruktur, die Erkennung von Bränden oder das Aufspüren von Personen in gesperrten Bereichen. In solchen Fällen ist eine schnelle Reaktion aus Sicherheitsgründen entscheidend. Der Alarm des Roboters wird in diesen Situationen rund um die Uhr verarbeitet und direkt an Blaulichtorganisationen weitergeleitet.

Es gibt jedoch auch Aufgaben wie die Überwachung von Parkplätzen, die nicht sofort bearbeitet werden müssen, aber dennoch bestimmte Prozesse auslösen, wie etwa die Ermittlung von Fahrzeughaltern. Zudem gibt es Dokumentationsaufgaben, die zwar keine sofortigen Massnahmen erfordern, aber regelmässig überprüft und berichtet werden.

Die Wachroboter funktionieren mit künstlicher Intelligenz. Sie können also dazulernen. Können Sie uns das in Bezug auf eine Situation während der Patrouille aufzeigen?

Ja, zum Beispiel bei Bewegung und Mobilität: Unsere Roboter haben gelernt, sich optimal im Gelände zu bewegen. Wir erweitern kontinuierlich den Anwendungsbereich und lernen stetig dazu. Wenn der Roboter an einem Ort Schwierigkeiten hat oder wir neue Anforderungen integrieren möchten, erkennt das System dies und führt es zurück in den Trainingsprozess. Dadurch wird der Lernprozess der Roboter angepasst. Diese Art der künstlichen Intelligenz wird als Reinforcement Learning bezeichnet.

Ein ähnlicher Prozess findet bei der Erkennung und Detektion von Bildern statt. Auch hier werden Fehler oder neue Erkenntnisse zurückgeführt, um das System kontinuierlich zu verbessern.

«Unsere Roboter haben gelernt, sich optimal im Gelände zu bewegen. Wir erweitern kontinuierlich den Anwendungsbereich und lernen stetig dazu.»

Die Wachroboter sind nicht nur mit Sensoren, Scannern und künstlicher Intelligenz ausgestattet, sie sind auch robust, extrem beweglich und kommen auch auf nassem Belag oder Schnee nicht ins Schlingern. Welche Herausforderungen waren von der Idee bis zu den heutigen Modellen zu überwinden?

Viele! (lacht) Wir sagen oft, dass es einfach ist, einen Prototypen zu bauen, der für ein Video funktioniert. Aber eine Flotte von Robotern in verschiedenen geografischen Regionen rund um die Uhr zu betreiben und dabei extrem hohe, vertraglich geregelte Anforderungen zu erfüllen, ist eine anspruchsvolle, aber äusserst spannende Aufgabe. Es erfordert eine transparente Fehlerkultur, bei der allen klar ist, was das Ziel ist, und man täglich daran arbeitet, das System zu verbessern.

2023 ist der erste Roboter auf den Markt gekommen. Wie viele stehen heute im Einsatz?

Seit 2023 haben wir produktive Systeme im Einsatz. Heute haben wir mehr Roboter als Mitarbeitende. Unsere Systeme sind aktuell in der Schweiz, Deutschland und der Niederlande im Einsatz. Unser Ziel für dieses Jahr ist es, die Anzahl der Roboter im Einsatz im Vergleich zum Vorjahr zu verfünffachen.

Wir bieten unsere Lösung jetzt auf Stundenbasis an, meist in Kombination mit bestehenden Sicherheitsunternehmen (Wachpersonal und Interventionen), da ein Roboter (noch) nicht alles tun kann.

«Ich denke, dass wir in den nächsten 6 bis 12 Monaten auch in die USA expandieren werden.»

Von welcher Entwicklung gehen Sie in den kommenden Jahren aus?

Unsere Roboter werden kontinuierlich weiterentwickelt. Derzeit konzentrieren wir uns auf grosse Aussenanlagen, aber mit der Zeit werden wir auch Innenbereiche und Interaktionen mit der realen Welt integrieren.

Und könnte früher oder später auch eine Internationalisierung zum Thema werden?

Wir erhalten täglich Anfragen aus der ganzen Welt, insbesondere aus den USA, die nach einer solchen Lösung suchen. Ich denke, dass wir in den nächsten 6 bis 12 Monaten auch in die USA expandieren werden.

Ascento

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