von Sandra Willmeroth
Moneycab.com: Houlihan Lokey ist eine weltweit tätige Investmentbank und beschäftigt über 2500 Mitarbeitende. Welche Rolle spielt die Schweiz innerhalb des Unternehmens?
Alexander Grünwald: Wir sind eines der grössten Teams und auf den Schweizer Markt für mittelgrosse Unternehmen fokussiert. Die Schweiz ist für jede international tätige Investmentbank ein attraktiver Markt und damit ein interessanter Standort. Wichtige Länder in Europa mit eigenen Teams vor Ort zu betreuen, auch die Schweiz, ist Teil unserer Wachstumsstrategie. Im Jahr 2021 hat Houlihan Lokey daher die in der Schweiz hervorragend positionierte GCA Altium übernommen, um seine Präsenz in Kontinentaleuropa zu stärken.
Sie selbst waren zuvor bei GCA Altium beschäftigt. Inwieweit hat sich die Unternehmenskultur nach der Übernahme verändert?
Die Kulturen waren sich sehr ähnlich. Das war der Hauptgrund für unseren Zusammenschluss. Es fühlte sich vom ersten Tag an richtig an.
«Wichtige Länder in Europa mit eigenen Teams vor Ort zu betreuen, auch die Schweiz, ist Teil unserer Wachstumsstrategie.»
Alexander Grünwald, Teamleader Switzerland Houlihan Lokey
Wie wichtig ist das Thema «Unternehmenskultur» generell bei Fusionen?
Dies ist sehr wichtig. Je mehr Firmenkultur ein Unternehmen aufweist, desto weniger muss es nach einer Fusion beaufsichtigt werden. Gleichzeitig ist es zentral, so rasch wie möglich eine neue Firmenkultur für das durch die Fusion neu gebildete Unternehmen zu bilden.
Auf welche Bereiche/Geschäftsfelder konzentrieren sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Houlihan Lokey in der Schweiz?
Unser Schweizer Team ist insbesondere in den Bereichen Einzelhandel/E-Commerce, Medizintechnik/Gesundheit/E-Health, Sport/aktiver Lebensstil, Lebensmittel und neue Mobilität tätig. Wir sind sowohl für Schweizer Unternehmen tätig als auch an europäischen und globalen Projekten und Transaktionen beteiligt, da unser Corporate-Finance-Geschäft nicht durch geografische Grenzen definiert oder eingeschränkt ist. Diese globale Expertise hat dazu geführt, dass wir in praktisch allen unseren Sektoren, darunter Technologie, Industrie, Konsumgüter, Lebensmittel und Einzelhandel, Gesundheitswesen und Unternehmensdienstleistungen, auf Platz 1 stehen. Und innerhalb dieser Sektoren decken wir eine atemberaubende Anzahl von Untersektoren im Detail ab.
Auf Platz 1 welcher Liste?
Diese Zusammenstellungen werden jeweils vom Wirtschaftsinformationsdienst Refinitiv zusammengestellt.
Sie erwähnen die starke Erfolgsbilanz von Houlihan Lokey auf dem Schweizer Markt. Können Sie einige konkrete Beispiele für Transaktionen oder finanzielle Umstrukturierungen nennen, an denen Houlihan Lokey beteiligt war?
Beispiele sind der Verkauf von Mammut an Telemos, die Übernahme von Sennheiser durch Sonova oder der Kauf von Digitec durch die Migros. Auch Breitling haben wir zweimal beraten: zunächst beim Verkauf des Eigentümers Théodore Schneider an CVC, dann beim Verkauf einer 25%igen Beteiligung an die Partners Group im vergangenen Jahr. Auch den Verkauf von medgate an die Otto Group durften wir begleiten.
«Unternehmen mit starken ESG- und Kreislaufwirtschafts-Mechanismen sind besser in der Lage, Risiken zu managen»
Ein weiterer Schwerpunkt Ihrer Beratung in der Schweiz liegt auf der Kreislaufwirtschaft und ESG. Inwieweit steigern hohe ESG- und Kreislaufwirtschaftsstandards den Wert eines Unternehmens?
Einerseits sind Unternehmen mit starken ESG- und Kreislaufwirtschafts-Mechanismen besser in der Lage, Risiken zu managen und ihre Anfälligkeit für potenzielle Verbindlichkeiten zu verringern, wie z. B. Bussgelder für Umweltverstösse oder Reputationsschäden durch unethisches Verhalten. Dies kann ihre finanzielle Gesamtleistung verbessern und ihre Kapitalkosten senken. Andererseits sind diese Unternehmen besser in der Lage, Kunden, Mitarbeiter und Investoren an sich zu binden, die bei ihren Entscheidungen zunehmend Wert auf Nachhaltigkeit und ethische Überlegungen legen.
«Die jüngsten Ereignisse auf dem Schweizer Finanzplatz werden dazu führen, dass wir interessante Bewerbungen erhalten»
Wie schwierig ist es für eine ausländische Bank, in der Schweiz qualifizierte Mitarbeitende zu finden? Oder rekrutiert Houlihan Lokey mehr Leute im Ausland und schickt sie dann in die Schweiz?
Keine Frage, auch der Finanzsektor ist vom Fachkräftemangel betroffen. Die Herkunft eines Finanzinstituts spielt dabei weniger eine Rolle. Wir arbeiten daran, unsere Marke auf dem Schweizer Markt noch bekannter zu machen, um noch stärker als «employer of choice» wahrgenommen zu werden. Die jüngsten Ereignisse auf dem Schweizer Finanzplatz werden ebenfalls dazu führen, dass wir interessante Bewerbungen erhalten.
Wie sehen Sie die aktuelle M&A-Stimmung, global und aus Schweizer Sicht?
Insgesamt erwarten wir für 2023 einen lebhafteren M&A-Transaktionsmarkt als noch 2022. Wir gehen davon aus, dass sich diese Erholung in der zweiten Hälfte dieses Jahres bemerkbar machen wird.
Herr Grünwald, wir bedanken uns für das Interview.