Alexander Siegmund, Gründer des Versorgungswerks der deutschen Wirtschaft e.V., im Interview

Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Siegmund, angesichts der aktuellen politischen Konstellation in Deutschland, insbesondere mit der geplanten Grossen Koalition, wie sehen Sie die Chancen für eine umfassende Rentenreform, die sowohl die Finanzierung als auch die Generationengerechtigkeit berücksichtigt?
Alexander Siegmund: Die aktuelle politische Konstellation bietet eine stabile Basis für notwendige Reformen. Eine umfassende Rentenreform sollte die langfristige Finanzierbarkeit sicherstellen und zugleich die Generationengerechtigkeit aufgrund der demografischen Entwicklungen wahren. Dies erfordert mutige Entscheidungen und einen parteiübergreifenden Konsens. Wahlgeschenke und Versprechen an einzelne Gruppen, wie die Mütterrente oder Rente ab 63, können hier nicht die Lösung sein.
«Wahlgeschenke und Versprechen an einzelne Gruppen, wie die Mütterrente oder Rente ab 63, können hier nicht die Lösung sein.» Alexander Siegmund, Gründer des Versorgungswerks der deutschen Wirtschaft e.V., im Interview
Die Schuldenbremse und das Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen sind zentrale Elemente der aktuellen Finanzpolitik. Wie könnten diese Massnahmen die langfristige Finanzierung der Rentenversicherung beeinflussen, und welche Alternativen sehen Sie?
Die Schuldenbremse begrenzt die staatliche Neuverschuldung, was den finanziellen Spielraum für die Rentenversicherung einschränkt. Sondervermögen für Infrastrukturinvestitionen können indirekt positive Effekte haben, indem sie die Wirtschaft stärken und somit die Beitragsbasis erweitern. Dennoch sollten alternative Finanzierungswege geprüft werden, wie beispielsweise eine stärkere Kapitaldeckung innerhalb der Rentenversicherung.
Vorbild könnte hier etwa das norwegische Modell sein. Vor Jahren hätte man aufgrund der Niedrigzinsphase mit innovativen Modellen eine Kapitaldeckung erreichen können. Der Staat als absolut solventer Schuldner (unsere Volkswirtschaft ist immer noch sehr stark) stand mit niedrigen Zinsversprechen einer grossen Kapitalnachfrage für sichere Kapitalanlagen gegenüber. Die günstige Kapitalbeschaffung hätte man gut zur Kapitaldeckung nutzen können.
Eine Studie der Bertelsmann Stiftung zeigt, dass etwa 16% der Rentner in Deutschland von Altersarmut betroffen sind. Welche Strategien empfehlen Sie, um diese Zahl zu senken, und wie könnte die private Altersvorsorge gefördert werden?
Um Altersarmut zu bekämpfen, ist es entscheidend, die gesetzliche Rente zu stabilisieren und auszubauen. Fremdleistungen sollten vollständig heraus, dass das Kapital effektiv dort ankommt, wo es unbedingt ankommen sollte, bei den Rentnern. Zudem sollte die Altersvorsorge über die Betriebe attraktiver gestaltet werden. Das Sozialpartnermodell, hervorgegangen aus dem Betriebsrentenstärkungsgesetz, ist mit viel zu viel Risiken für die Belegschaft verbunden. Auch die tarifparteilichen Hürden sind für viele Betriebe relevant.
«Das Sozialpartnermodell, hervorgegangen aus dem Betriebsrentenstärkungsgesetz, ist mit viel zu viel Risiken für die Belegschaft verbunden.»
Die bAV sollte gestärkt mit mehr Flexibilität und Attraktivität gestärkt werden. Unsere Lösung, smart|pension by KPM, bietet hier ein transparentes und ertragreiches Versorgungskonzept, das mit geringerem Finanzierungsaufwand eine höhere Rentabilität ermöglicht.
Im Hinblick auf die geplante Einkommensteuerreform, wie könnte die steuerliche Förderung von Altersvorsorge-Massnahmen verbessert werden, um mehr Menschen zu ermutigen, privat vorzusorgen?
Die steuerliche Förderung sollte vereinfacht und ausgeweitet werden, um Anreize für Vorsorge zu erhöhen. Die private Vorsorge ist gut. Da diese aber jedem Bundesbürger allein überlassen wird, wenig effektiv. Daher sollten die Unternehmen bei der betrieblichen Altersversorgung entlastet werden und den Mitarbeitenden höhere Freibeträge zur Besparung zur Verfügung stellen oder steuerliche Gutschriften insbesondere für Geringverdiener zugutekommen. Veraltete Bestimmungen der Steuergesetzgebung sollten auf den Prüfstand.
Die AfD hat in den letzten Wahlen an Zustimmung gewonnen, teilweise durch Themen wie Rentenpolitik. Wie sehen Sie die Auswirkungen dieser politischen Verschiebungen auf die Lebenssituation von Rentnern in Deutschland?
Der politische Diskurs beeinflusst die Rentenpolitik massgeblich. Es ist wichtig, dass Rentenfragen, auch solche wie die Einbeziehung von Beamten und Politikern als Beitragszahler, sachlich und zukunftsorientiert diskutiert werden, um nachhaltige Lösungen zu finden, die unabhängig von kurzfristigen politischen Strömungen sind.
Es gibt Berichte über Rentner, die aus finanziellen Gründen ins Ausland ziehen. Welche Zahlen gibt es dazu, und wie könnte die Politik darauf reagieren, um den Verbleib von Rentnern in Deutschland zu fördern?
Die Deutsche Rentenversicherung Bund und Länder führen Statistiken, wie viele Renten an Rentner im Ausland überwiesen wurden. Im Jahr 1992 sind ca. 115’000 Rentner ausgewandert. 2020 mit 248’000 Personen mehr als verdoppelt. Die Politik könnte durch steuerliche Anreize den Verbleib in Deutschland attraktiver gestalten. Fördersysteme überdenken. Wenn die Rentenanpassung geringer ausfällt als die Teuerungsrate, könnte über einen Ausgleich nachgedacht werden. Den Übergang in die Rente mit Erwerbstätigkeit attraktiver machen. Die Idee, 2000 EUR steuerfrei zu gewähren, wenn Menschen in Rente weiter erwerbstätig bleiben, geht in die richtige Richtung.
«Im Jahr 1992 sind ca. 115’000 Rentner ausgewandert. 2020 mit 248’000 Personen mehr als verdoppelt.»
Deutschland steht vor erheblichen demografischen Herausforderungen. Wie könnte die Rentenversicherung an diese Veränderungen angepasst werden, um die Generationengerechtigkeit zu gewährleisten?
Angesichts des demografischen Wandels ist eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung sinnvoll. Die Flexibilisierung des Renteneintrittsalters könnte es den Versicherten ermöglichen, individuell zu entscheiden, wann sie in Rente gehen möchten. Damit würde man zudem die Erwerbsbeteiligung älterer Arbeitnehmer fördern, flexible Übergänge in den Ruhestand ermöglichen und somit zugleich wichtiges Know-How nicht abrupt im Unternehmen verlieren.
Die betriebliche Altersvorsorge spielt eine wichtige Rolle in der deutschen Wirtschaft. Wie könnte sie stärker gefördert werden, um die Alterssicherung zu verbessern?
Die betriebliche Altersvorsorge (bAV) ist ein wichtiger Pfeiler der Alterssicherung. Durch transparente und attraktive Lösungen können Unternehmen ihren Mitarbeitern eine ertragreiche bAV bei geringerem Finanzierungsaufwand bieten. Zusätzlich sollten staatliche Förderungen und Informationskampagnen ausgebaut werden, um die Verbreitung der bAV zu erhöhen. Die Möglichkeiten für attraktive Modelle zu den Versorgungen sind gegeben, Unternehmen sind schlichtweg nicht informiert.
«Angesichts des demografischen Wandels ist eine Anpassung des Renteneintrittsalters an die steigende Lebenserwartung sinnvoll.»
Beratungen sind teilweise interessengetrieben, nicht effizient. Der Arbeitgeber, als Leuchtturm, kann hier die Belegschaft fördernd unterstützen. Nicht mit Pflichten auferlegen, sondern den Unternehmer mit Kampagnen und Hilfen ermöglichen, die Verbreiterungsquote in seinem Betrieb zu erhöhen. Beispielsweise Beratungsgutscheine für Mitarbeiterberatungen andenken.
Die Digitalisierung und die Künstliche Intelligenz bietet neue Möglichkeiten zur Effizienzsteigerung in der Altersvorsorge. Welche konkreten Anwendungen sehen Sie für die Digitalisierung in der Zukunft der Renten- und Vorsorge-Landschaft?
Digitale Tools und KI können die Beratung personalisieren, Prozesse automatisieren und die Effizienz steigern. Beispielsweise ermöglichen digitale Plattformen eine transparente Darstellung von Vorsorgeoptionen und erleichtern den Abschluss sowie die Verwaltung von Verträgen.
Die Bürokratiekosten im Bereich der Altersvorsorge sind erheblich. Wie könnten diese Kosten gesenkt werden, um mehr Ressourcen für die eigentliche Vorsorge bereitzustellen?
Die Vereinfachung von Antrags- und Verwaltungsprozessen durch Digitalisierung kann Bürokratiekosten reduzieren. Standardisierte Verfahren und der Abbau redundanter Regelungen tragen ebenfalls dazu bei, Ressourcen effizienter für die eigentliche Vorsorge einzusetzen. Wie lange hat es gedauert, dass das Schriftformerfordernis durch die Textform ersetzt wurde. Wie sehr hat das junge Nachweisgesetz plötzlich zu Bürokratieaufwand geführt? Die Altersversorgung muss effizienter werden; einfacher in der Beratung bis zur Teilnahme.
Deutschland steht im internationalen Vergleich hinsichtlich der Rentensicherheit oft hinter anderen Ländern zurück. Welche Länder und welche Konzepte könnten als Vorbild dienen, um die Rentensicherheit in Deutschland zu verbessern?
Länder wie Schweden kombinieren ein umlagefinanziertes System mit kapitalgedeckten Elementen und bieten individuelle Rentenkonten an. Solche hybriden Modelle könnten auch in Deutschland zur Stabilisierung und Flexibilisierung der Renten beitragen.
«Dringlich sind Massnahmen zur Stabilisierung des Rentensystems, Förderung der privaten und betrieblichen Vorsorge sowie die Anpassung an den demografischen Wandel.»
Angesichts der aktuellen politischen und wirtschaftlichen Herausforderungen, welche wichtigsten Trends und Herausforderungen sehen Sie in der Zukunft der Altersvorsorge in Deutschland, welches sind die dringlichsten Massnahmen?
Der Trend geht hin zu mehr Individualisierung und Flexibilität in der Altersvorsorge. Dringlich sind Massnahmen zur Stabilisierung des Rentensystems, Förderung der privaten und betrieblichen Vorsorge sowie die Anpassung an den demografischen Wandel.
Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei. Wie sehen die aus?
Erstens wünsche ich mir ein Rentensystem, das nachhaltig finanziert ist und Generationengerechtigkeit gewährleistet. Zweitens wünsche ich mir eine stärkere Verbreitung und Wertschätzung der betrieblichen Altersvorsorge, um allen Arbeitnehmern eine sichere und auskömmliche Rente zu ermöglichen.