André Nauer, CEO ISS Schweiz, im Interview

von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Nauer, ISS Schweiz hat den Umsatz 2024 um weitere 8 Prozent auf über 900 Millionen Franken gesteigert, nachdem bereits im Vorjahr ein Wachstum von 9 Prozent auf 832 Millionen Franken erzielt wurde. Was treibt das starke Wachstum an?
André Nauer: Unser Erfolg im Jahr 2024 basiert auf einer strategischen Kombination mehrerer Faktoren. Trotz einiger Reduktionen bei bestehenden Kunden aufgrund von Footprint- und SLA-Optimierungen konnten wir durch ein starkes Neugeschäft diesen Rückgang mehr als ausgleichen. Mit rund 60 Millionen Franken an Neugeschäften und einem organischen Wachstum von ca. 1,2 % haben wir eine solide Basis geschaffen. Zudem spielte der Beitrag von gammaRenax mit einem bedeutenden Anteil am anorganischen Wachstum eine wesentliche Rolle.
83 % des Gesamtumsatzes stammen aus integralen Facility Management-Services. Besonders stark wuchs der Bereich Liegenschaften-Services für Real Estate-Investoren, der nun 16 % des Umsatzes ausmacht. Welche Dienstleistungen umfasst dieses Segment?
In diesem Segment erbringen wir Dienstleistungen für alle Immobilienarten, von Geschäftsliegenschaften, über Shopping Center bis hin zu Wohnliegenschaften. Unsere hauptsächlich integralen Dienstleistungen beinhalten neben der infrastrukturellen und technischen Hauswartung, inklusive Reinigung und Entsorgung, auch Dienstleistungen wie Wartungen an technischen Anlagen, Aussenpflege, Garten- und Winterdienst. Dieser ganzheitliche Ansatz hat es uns ermöglicht, uns in den letzten drei Jahren als Marktführerin in diesem Segment zu etablieren.
«Mit rund 60 Millionen Franken an Neugeschäften und einem organischen Wachstum von ca. 1,2 % haben wir eine solide Basis geschaffen.»
André Nauer, CEO ISS Schweiz
Das Bauprojektmanagement-Volumen ist auf über 140 Millionen Franken gestiegen. Welche Projekte setzt ISS Schweiz dabei um?
Mit unserem Bauprojektmanagement fokussieren wir auf die Projekte im Immobilienbestand unserer Key Accounts. Der Schwerpunkt liegt dabei auf drei Projektkategorien. Im Bereich der Workplace-Projekte realisieren wir für unsere Kunden die Arbeitsplätze der Zukunft, um den steigenden Anforderungen an Ergonomie, Community-Zonen und interdisziplinäre Zusammenarbeit aber auch reduzierte Footprints gerecht zu werden. Im Bereich Asset Replacement sanieren bzw. erneuern wir gebäudetechnische Infrastruktur, die das Ende ihres Lebenszyklus erreicht haben. Beispiele hierfür sind HLKS/E-Anlagen, Dächer, Fassaden oder komplette Gebäudesanierungen. Einen steigenden Stellenwert nehmen nachhaltigkeitsgetriebene Projekte ein, mit denen unsere Kunden ihre energetischen Absenkpfade und NetZero-Strategien erreichen. In diesem Bereich setzen wir z.B. Heizungsersatz-Programme, Rollouts von PV-Anlagen und investive Energieoptimierungen um.
Wie integriert sich ISS in das Zusammenspiel zwischen Generalplanern, Architekten und der Projektleitung?
In unserer Kernkompetenz vertreten wir in Bauprojekten treuhänderisch die Interessen unserer Kunden, so z.B. als Bauherrenvertreter bzw. Projektleiter Bauherr. Durch unsere langjährige Erfahrung können wir komplexe Bauvorhaben effizient steuern und Kunden optimal begleiten. Projektspezifisch stellen wir dann ein Projektteam zusammen – auch mit externen Partnern aus einem über lange Jahre etablierten Netzwerk. Dabei haben wir auch die Möglichkeit als Generalplaner (GP) oder Totalunternehmer (TU open book) aufzutreten.
Wie messen Sie den Erfolg hinsichtlich der Kundenzufriedenheit, und welche Rückmeldungen erhalten Sie?
Wir setzen auf kontinuierlichen direkten Austausch sowie jährliche strukturierte Zufriedenheitsumfragen. Unsere Retentionsquote liegt seit drei Jahren konstant bei 97-98 %, und unsere Empfehlungsrate von 89 % spricht für sich. Diese Zahlen bestätigen, dass unser ganzheitlicher Ansatz und unsere Servicequalität von unseren Kunden geschätzt werden.
«Unsere Retentionsquote liegt seit drei Jahren konstant bei 97-98 %, und unsere Empfehlungsrate von 89 % spricht für sich.»
Gab es einen besonderen Moment im vergangenen Jahr, der Ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Definitiv der Gründonnerstag 2024. Um 9 Uhr morgens erhielt ich unabhängig voneinander von den zwei grössten ISS Kunden in der Schweiz die Bestätigung, dass sie ihre Zusammenarbeit mit ISS für mindestens weitere sieben Jahre fortsetzen. Diese Telefonate werde ich nie vergessen – sie haben unsere Position im Wettbewerb gestärkt und zeigen das grosse Vertrauen in unsere Arbeit.
ISS setzt verstärkt auf Digitalisierung, um Gebäudebetriebe effizienter und nachhaltiger zu gestalten. In welchen Bereichen treiben Sie diese Entwicklung voran?
ISS setzt auf modernste digitale Lösungen, um den Betrieb von Gebäuden effizienter und nachhaltiger zu gestalten. Der Hauptsitz CUBE in Zürich dient als lebendiges Labor für Innovationen in Zusammenarbeit mit PropTech-Startups. Im vergangenen Jahr hat ISS mehrere innovative Lösungen entwickelt, die mit Daten und Technologie helfen, Kosten und CO₂-Emissionen zu reduzieren und gleichzeitig die Endnutzerzufriedenheit zu steigern. Mit marktführenden Lösungen im Workforce Management und unserem weltweit etablierten CAFM-Tool, das durch spezifische Schweizer Applikationen ergänzt wird, schaffen wir Transparenz in der Abwicklung von geplanten und ungeplanten Aufträgen. Diese Technologien optimieren operative Abläufe, stellen den konformen Betrieb sicher und unterstützen die Einhaltung komplexer kommerzieller Vereinbarungen.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen?
Ein gutes Beispiel ist unser umfassendes Workforce Managementsystem. Sämtliche Mitarbeitenden werden in Bezug auf ihren täglichen Einsatz detailliert geplant. Somit kann sichergestellt werden, dass die richtigen Skills am richtigen Ort zur richtigen Zeit eingesetzt werden. Das ist ein wichtiges Element, um die notwendige Produktivität zu realisieren und gleichzeitig für die gewünschte Servicequalität zu sorgen. Dies verschafft uns einen klaren Wettbewerbsvorteil.
Wo setzen Sie auf Künstliche Intelligenz, um Prozesse effizienter zu gestalten?
KI ist integraler Bestandteil unserer operativen Exzellenz. Im Vertragsmanagement nutzen wir beispielsweise RPA zur Automatisierung administrativer Prozesse. Zudem unterstützen KI-basierte Lösungen Marketing und Kommunikation, während neue Tools im Bereich der Rechnungserkennung oder dem Spesenmanagement den administrativen Aufwand reduzieren.
«Zukünftig wird die KI neue Potenziale in der Analyse komplexer Datenstrukturen, personalisierten Kundenansprache und prädiktiven Instandhaltung erschliessen.»
Die KI-Entwicklung schreitet rasant voran. Welche weiteren Möglichkeiten sehen Sie für ISS?
Wir erwarten, dass KI weit über die Automatisierung hinausgeht. Zukünftig wird sie neue Potenziale in der Analyse komplexer Datenstrukturen, personalisierten Kundenansprache und prädiktiven Instandhaltung erschliessen. Diese Entwicklungen werden unsere Innovationskraft und Effizienz weiter steigern.
Trotz Digitalisierung und KI beschäftigt ISS Schweiz über 14’000 Mitarbeitende aus 130 Nationen. Wie nehmen Sie Ihre soziale Verantwortung wahr?
ISS setzt konsequent auf Talentförderung, interne Entwicklung und gesellschaftliche Verantwortung. Mit über 200 Aus- und Weiterbildungsangeboten bietet das Unternehmen vielfältige Karrierechancen. Besonders hervorzuheben ist, dass 63 % der Kaderpositionen intern besetzt wurden, während der Anteil weiblicher Führungskräfte von 34 auf 35 % anstieg. Zudem unterstützt ISS aktiv die Integration von Geflüchteten: 354 Personen sind derzeit im Unternehmen tätig und erhalten gezielte Unterstützung beim Eintritt in den Arbeitsmarkt. Darüber hinaus bietet ISS Quereinsteigern und Menschen ohne formale Ausbildung Möglichkeiten zur beruflichen Qualifikation, etwa durch Art. 32 für Erwachsenenbildung in der Gebäudereinigung.
Auch im Bereich Sport zeigt ISS Schweiz Engagement: Als Partnerin von Swiss Olympics sowie der United School of Sports ermöglicht das Unternehmen jungen Talenten eine Sportlehre und eine duale Karriere. Darüber hinaus fördert ISS mit fünf strukturierten Wertschätzungsprogrammen die langfristige Mitarbeiterbindung. Die Anzahl interner Auszeichnungen für besondere Leistungen von Einzelpersonen oder Teams stieg im vergangenen Jahr um 45 %, was die Unternehmenskultur der Anerkennung und Wertschätzung weiter stärkt.
Sie sind seit 27 Jahren bei ISS und seit 22 Jahren CEO. Welche markanten Entwicklungen haben Sie in dieser Zeit vorangetrieben?
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich ISS stark gewandelt – eine Transformation, die von vier zentralen Entwicklungen geprägt wurde. Erstens: Wir haben ISS von einem klassischen Reinigungsunternehmen zur führenden Anbieterin für integrale Facility Services entwickelt. Ein Meilenstein war dabei die Etablierung des Begriffs „Facility Services“ im Jahr 2003, mit dem wir die Branche nachhaltig geprägt haben. Zweitens: Mit dem ISS Learning Hub haben wir ein umfassendes Aus- und Weiterbildungsangebot geschaffen, das Fach-, Sozial- und Führungskompetenzen gezielt stärkt – eine Investition in unsere Talente und die Zukunft von ISS. Drittens: Die Entwicklung vom Single-Service-Anbieter hin zu einer integralen Lösungsanbieterin. Unser Leistungsspektrum hat sich kontinuierlich erweitert, und heute bieten wir unseren Kunden massgeschneiderte, ganzheitliche Services – immer mit dem Ziel, echten Mehrwert für die Kunden zu schaffen. Viertens: Was einst als einfache Idee auf einer PowerPoint-Folie begann, ist heute fest in unserer DNA verankert. Unser Wertschätzungsmanagement spiegelt sich in über 400 jährlichen Auszeichnungen und einer aussergewöhnlich hohen Mitarbeiterbindung im Führungskader wider. Das Ergebnis: Stabilität, Zusammenhalt und nachhaltiger Erfolg – darauf bin ich besonders stolz.