von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Nauer, ISS Schweiz hat den Umsatz im vergangenen Jahr um 9 Prozent auf 832 Mio Franken gesteigert. Woher der starke Schub?
André Nauer: Das vergangene Jahr war für uns bei ISS Schweiz herausfordernd, aber zugleich äusserst erfolgreich. Der Umsatzanstieg ist ein klares Zeichen für unsere Stärke und Anpassungsfähigkeit in einem dynamischen Markt. Unser Erfolg basiert auf einem festen Fundament aus Qualität und Kundenfokus. ISS hat sich durch eine sehr stabile Kundenbindung ausgezeichnet, indem wir praktisch keine Kundenverluste zu verzeichnen hatten und nahezu alle auslaufenden Verträge erfolgreich verlängern konnten. Durch die enge Zusammenarbeit mit unseren Kunden konnten wir individuell angepasste Lösungen entwickeln, die genau auf ihre Bedürfnisse abgestimmt sind. Der Wachstumsschub wurde zum einen durch die strategische Übernahme der Livit FM Services AG im November 2022 erreicht und zum anderen durch bedeutende Neukundengewinne.
83 Prozent des Umsatzes entfallen auf den Bereich der Integralen Facility Services. Welches sind die wichtigsten dieser Services?
Innerhalb der Integralen Facility Services entfallen 39 % unseres Umsatzes auf den Bereich der technischen Facility Management-Services, zu denen Immobilien- und technische Dienstleistungen gehören. Die infrastrukturellen Facility Management-Services, einschliesslich Reinigung, Empfang und Unterstützungsdienste, sind mit 54 % des Umsatzes am bedeutendsten. Die restlichen Umsätze generieren wir aus anderen spezialisierten Dienstleistungen.
Wie verteilt sich der Umsatz auf die einzelnen Kundensegmente?
Im Jahr 2023 haben wir eine signifikante Verschiebung in der Umsatzverteilung nach Kundensegmenten beobachtet, wobei der Real Estate-Sektor zum zweitgrössten Segment avancierte. Der Office-Bereich bleibt mit 33 % Umsatzanteil führend, gefolgt von Real Estate mit 12 %. ISS konnte 2023 in allen strategischen Segmenten Marktanteile gewinnen und in diesen Bereichen wachsen: Pharma, Food, Industrie und Produktion, Transport und Infrastruktur, Healthcare sowie der öffentlichen Hand.
«Im Jahr 2023 haben wir eine signifikante Verschiebung in der Umsatzverteilung nach Kundensegmenten beobachtet, wobei der Real Estate-Sektor zum zweitgrössten Segment avancierte.»
André Nauer, CEO ISS Schweiz
Co-Working, Home-Office und individuellere Arbeitsplatzkonzepte haben die Büronutzung verändert. Welche Auswirkungen hat dies auf Ihren Office-Geschäftsbereich?
Die Entwicklung hin zu flexibleren Arbeitsplatzkonzepten hat uns motiviert, unsere Dienstleistungen entsprechend zu adaptieren. Es ist eine wachsende Tendenz zu beobachten, dass Workspaces bewusster nach ihrer Nutzung definiert und gestaltet werden. Dabei legen viele unserer Kunden vermehrt Wert auf eine verbesserte Workplace Experience, investieren gezielt in ein optimiertes Nutzererlebnis, Wellbeing und nachhaltige Lösungen.
Die Einführung von IoT-Sensoren zur Überprüfung der Raumbelegung und die Entwicklung neuer Workplace-Konzepte mit unserem Bau-Team sind Beispiele für unsere Innovationskraft. Diese Ansätze ermöglichen es uns, auf die veränderten Anforderungen des Marktes zu reagieren und Arbeitsumgebungen zu schaffen, die Kollaboration und Kreativität fördern. Somit unterstützen wir unsere Kunden bei der Generierung von attraktiven Arbeitsplätzen und der effizienteren sowie erhöhten Nutzung der Gebäude.
Ihre Strategie sieht nun Real Estate-Investoren als ein zentrales Kernsegment vor. Welches Entwicklungspotenzial sehen hier?
Real Estate-Investoren stehen zunehmend vor der Herausforderung, ihre Immobilien nachhaltig und effizient zu verwalten, um den Wert ihrer Investitionen zu steigern. Hier sehen wir ein enormes Entwicklungspotenzial. Durch unsere umfassenden Facility Services, von der technischen Wartung bis hin zur Energieoptimierung, bieten wir Investoren nicht nur die Möglichkeit, den Betrieb ihrer Immobilien zu verbessern, sondern auch deren Attraktivität und Marktwert zu steigern. Mit unserer neuen Lösung «Portfolio 360» bieten wir Real Estate-Investoren einen neuen, ganzheitlichen Ansatz zur Optimierung ihrer Immobilienportfolios. Dieses innovative Produkt zielt darauf ab, die Performance in Schlüsselbereichen wie Datenmanagement, Risikomanagement, Nachhaltigkeit und Betriebsoptimierung in ganzen Immobilienportfolios zu steigern.
«Mit unserer neuen Lösung «Portfolio 360″ bieten wir Real Estate-Investoren einen neuen, ganzheitlichen Ansatz zur Optimierung ihrer Immobilienportfolios.»
Überall ist vom Personal- und Fachkräftemangel die Rede. Gilt das auch für Ihre Branche, zum Beispiel bei den Reinigungsfachkräften?
Diese Herausforderung betrifft in der Tat auch unsere Branche stark, insbesondere wenn es um die Rekrutierung von Kadermitarbeitenden geht. Was einst als ein Kampf um Talente begann, hat sich inzwischen zu einem umfassenden Ressourcenkampf entwickelt. Die Rekrutierungszyklen haben sich deutlich verlängert, und es ist zunehmend schwieriger geworden, qualifizierte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowohl für Führungspositionen als auch für die essenziellen Rollen unserer Frontliner – unserer Placemaker – zeitnah zu gewinnen.
Was tun Sie dagegen?
Um dieser zunehmenden Herausforderung zu begegnen, investieren wir viel in Aus- und Weiterbildungsprogramme, Talentförderung und eine Unternehmenskultur, welche das Zugehörigkeitsgefühl stärkt. Anderseits müssen insbesondere die Entschädigungsmodelle im Tieflohnsegment überdenkt und verbessert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit zu anderen Industrien wie die Logistik oder der Hospitality zu gewährleisten.
ISS Schweiz beschäftigt Mitarbeitende aus über 130 Nationen. Welche Initiativen verfolgen Sie im Unternehmen bezüglich Vielfalt, Eingliederung und Zugehörigkeit?
Als CEO von ISS Schweiz bin ich besonders stolz auf die kulturelle Vielfalt und Inklusion, die unser Unternehmen prägt. Unser Ziel ist es, eine «Company of Belonging» zu sein – ein Unternehmen, in dem sich jede Person unabhängig von ihrem Hintergrund, Alter oder Geschlecht willkommen und wertgeschätzt fühlt. Ein Schlüsselelement unserer Strategie ist die Förderung der internen Aus- und Weiterbildung unserer Mitarbeitenden. Im Jahr 2023 haben wir einen bedeutenden Anteil unserer Kaderpositionen, nämlich 60 %, intern besetzt. Diese Praxis hat nicht nur die Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb unseres Unternehmens hervorgehoben, sondern auch zu einem Anstieg des Anteils weiblicher Führungskräfte auf 35 Prozent geführt (per Januar 2024).
«Unser Ziel ist es, eine «Company of Belonging» zu sein – ein Unternehmen, in dem sich jede Person unabhängig von ihrem Hintergrund, Alter oder Geschlecht willkommen und wertgeschätzt fühlt.»
Zudem demonstriert die Neueinstellung von 266 Flüchtlingen unser Engagement für soziale Integration. Wir setzen auf langfristige Initiativen im Bereich Diversity, Inclusion & Belonging und fördern eine Kultur der Wertschätzung und Anerkennung, wie die Auszeichnung von 34 Top Teams und 164 Mitarbeitenden für herausragende Leistungen im letzten Jahr verdeutlicht. Zudem arbeiten wir mit Nonprofit-Organisationen zusammen, um Menschen mit Beeinträchtigungen zu unterstützen und ins Arbeitsleben zu integrieren.
Wie gross ist das Innovationspotenzial, dass sich dem Unternehmen durch diese Diversität bietet?
Es ist enorm. Diversität bringt so viele verschiedene Perspektiven, Meinungen und Erfahrungen in unser Unternehmen. Und genau diese Vielfalt ist es, die uns von gut zu noch besser führt. Unser Credo bei ISS lautet: Was heute gut ist, muss morgen noch besser sein. Das erreicht man nur, wenn wirklich alle an einem Strang ziehen und gemeinsam an der Qualität unserer Dienstleistungen, an innovativen Lösungen und stetigen Verbesserungen arbeiten. Diese kollektive Anstrengung und die Zusammenarbeit, die durch unsere Diversität befeuert wird, machen uns stärker und ermöglichen es uns, wirklich herausragende Ergebnisse zu erzielen.
Um die Innovationspotenziale der Zukunft zu realisieren, müssen wir auch in neue Berufsbilder investieren bzw. neue Kompetenzen integrieren. Data Science Analysts, KI-& AI Spezialisten, Experten:Innen für Nachhaltigkeit und andere Berufsbilder sind Beispiele für Themenfelder, welche im Facility Management an Bedeutung gewinnen.
Ökologische Nachhaltigkeit hat auch im Facility Management eine grosse Bedeutung. Wo legen Sie bei ISS Schweiz die konkreten Schwerpunkte?
Wir konzentrieren uns auf die Dekarbonisierung als ein zentrales Element unserer Strategie. Die Validierung unserer Emissionsziele mit der Science Based Targets Initiative (SBTi) bekräftigt unser Engagement, im Einklang mit den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und den Grundsätzen des Pariser Abkommens zu handeln. Im Bereich der Energieeffizienz setzen wir auf den Einsatz erneuerbarer Energien und die Optimierung des Energieverbrauchs, um unseren CO2-Fussabdruck substanziell zu verringern. Die Umstellung unserer Fahrzeugflotte auf Elektromobilität und die effiziente Routenplanung sind weitere Schritte zur Reduktion unserer Emissionen. Wir setzen auf möglichst plastikfreie Produkte und fordern auch bei unseren Lieferanten bestmögliche Nachhaltigkeitslösungen.
Wie unterstützen Sie Ihre Kunden bei Nachhaltigkeitslösungen?
Es ist unser Anspruch, nicht nur intern nachhaltig zu agieren, sondern auch unsere Kunden aktiv in ihren Nachhaltigkeitsbemühungen zu unterstützen. Durch unsere Beratungsdienstleistungen zur Energieeffizienz ermöglichen wir unseren Kunden, ihre Arbeitsplätze nachhaltiger zu gestalten und gleichzeitig den Energieverbrauch zu minimieren. Mit unserem neuen Standard für Lieferketten und Beschaffung setzen wir auf nachhaltige Praktiken bei unseren Lieferanten, was unseren Kunden hilft, ihre ökologischen Ziele zu erreichen. Unsere Initiativen zur Dekarbonisierung der Fahrzeugflotten und Gebäude unterstützen unsere Kunden dabei, ihren CO2-Ausstoss signifikant zu reduzieren. Zudem spiegelt die Förderung der Biodiversität durch naturnahe Pflege unserer Grünanlagen unser Bestreben wider, Lebensräume zu erhalten und zu bereichern.
«Derzeit setzen wir erste Pilotprojekte um, um zu sehen, wie wir durch KI unsere administrativen Abläufe schlanker und effizienter gestalten können.»
Gerade bei der Energieoptimierung kann die Digitalisierung eine grosse Rolle spielen. In welchen Schlüsselbereichen setzt ISS Schweiz auf den Einsatz modernster Technologie?
In der Energieoptimierung sehen wir digitale Technologien als Schlüssel zu effizienteren und nachhaltigeren Betriebsabläufen. Durch den Einsatz von digitalen und sensorbasierenden Lösungen für die Messung, Analyse und Optimierung des Energieverbrauchs können ganze Gebäudeportfolios übergreifend und kontinuierlich optimiert werden. Diese Technologien ermöglichen es uns, den Ressourcenverbrauch unserer Kunden signifikant zu reduzieren und die Betriebskosten zu senken.
Spielt auch Künstliche Intelligenz bereits eine wichtige Rolle?
Künstliche Intelligenz bietet in Zukunft viel Potential für uns. Derzeit setzen wir erste Pilotprojekte um, um zu sehen, wie wir durch KI unsere administrativen Abläufe schlanker und effizienter gestalten können. Besonders im Betrieb und bei der Wartung unserer Anlagen, in der Optimierung unserer Routenplanung, in der Interaktion mit unseren Kunden und bei der Planung unseres Personaleinsatzes sehen wir enorme Chancen. Diese Initiativen sind ein erster Schritt, um zu lernen und erkennen, wie KI uns helfen kann, besser zu werden – für unsere Kunden und unser Team. Wir profitieren als Ländergesellschaft der ISS Gruppe auch vom globalen ISS Netzwerk und den Produkten, welche in unseren Tech-Hubs in Porto und Warschau entwickelt werden.