von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Wyss, Implenia hat 2024 ein EBIT von 130,5 Mio Franken erzielt, die Profitabilität gesteigert und die Jahresziele erreicht. Sind Sie rundum zufrieden mit dem Geschäftsverlauf?
André Wyss: Ja, wir sind sehr zufrieden mit dem vergangenen Geschäftsjahr. Neben dem Erreichen des gesetzten EBIT-Ziels haben wir auch unsere Profitabilität auf eine EBIT-Marge von 3.7% sowie die Eigenkapitalquote auf 21.2% steigern können. Damit hat die Gruppe die positive Geschäftsentwicklung der vergangenen Jahre fortgeführt. Alle Divisionen waren erfolgreich. Der Auftragsbestand erreichte nach wie vor ein hohes Niveau und ist von guter Qualität. Die strikte Anwendung von Value Assurance – unserem Risikomanagement – stellt das solide Risiko- und Margenprofil der Projekte von Implenia sicher.
Besonders stark war der Infrastrukturbau unterwegs. Welches waren die Treiber?
Bei der Tiefbau-Infrastruktur sind es sicher alle vier aktuellen Alpentransversalen, bei denen Implenia als einziger grosser europäischer Tunnelbauer dabei ist. Also bei Lyon-Turin, beim Semmering und beim Brenner sowie natürlich bei der 2. Röhre des Gotthard Strassentunnels. Auch für die Energieproduktion und -verteilung bauen wir grosse Infrastrukturen. Zudem erstellen wir zahlreiche wichtige Brücken neu oder modernisieren einige dieser ingenieurstechnischen Meisterwerke. Auch im Hochbau erstellen wir wichtige Infrastruktur. Mit Spitälern für die Gesundheitsversorgung, aber auch für die Forschung und Entwicklung mit Laborbauten, oder für die Digitalisierung mit zahlreichen Datacentern.
«Die strikte Anwendung von Value Assurance – unserem Risikomanagement – stellt das solide Risiko- und Margenprofil der Projekte von Implenia sicher.»
André Wyss, CEO Implenia
Implenia ist der grösste Baukonzern des Landes, im Wohnungsbau aber nicht so stark vertreten. Weshalb? Die Nachfrage ist riesig und besonders in den Städten fehlt es ja an allen Ecken und Enden an Wohnraum.
Implenia ist auch da auf grosse und komplexe Projekte spezialisiert. Der Wohnungsbau ist deshalb auch bei Implenia stark vertreten. Es sind aber meist grössere Überbauungen mit mehreren 100 Wohnungen oder grosse Areale mit einer gemischten Nutzung von Wohnen, Arbeiten, Gewerbe und Freizeit.
Wo sehen Sie generell die grössten Probleme beim Wohnungsbau in der Schweiz?
Dass der Zubau an Wohnraum oder die Verdichtung nicht im gewünschten Tempo erfolgt, hat auch mit den bisherigen Zonenplanungen, der Regulierungsdichte, langen Bewilligungsverfahren und umfassenden Einsprache-Möglichkeiten zu tun. Das kann Projekte lange verzögern und dieses Risiko hemmt die Investoren, solche Projekte zu finanzieren. Die Politik kann hier bessere Rahmenbedingungen setzen.
Die Strategie mit den vier Prioritäten Portfolio, profitables Wachstum, Innovation sowie Talente & Organisation ist erfolgreich. Was beinhaltet die nächste strategische Phase «New Horizon»?
Die erfolgreiche Strategie hat sich in der Transformationsphase sowie der Phase «Fit for Growth» bewährt. Deshalb verfolgen wir sie nach einer Analyse innerhalb dieser vier Prioritäten weiter. In der nun gestarteten Phase «New Horizon» wollen wir mit drei Bausteinen unser mittelfristiges EBIT-Margen-Ziel von über 4.5% erreichen: erstens verbessern wir das bestehende Geschäft, zweitens bauen wir dieses aus, und drittens entwickeln wir neue Geschäftsmöglichkeiten. Dies kann jeweils durch organisches oder anorganisches Wachstum erfolgen.
«In der nun gestarteten Phase «New Horizon» wollen wir mit drei Bausteinen unser mittelfristiges EBIT-Margen-Ziel von über 4.5% erreichen.»
Ab 1. April 2025 organisiert Implenia das Geschäftsportfolio neu in drei Divisionen. Die Divisionen Real Estate und Buildings werden in einer Division Buildings zusammengeführt. Was versprechen Sie sich davon?
Die Division «Buildings» umfasst ab April das Real Estate Portfolio sowie den Hochbau in der Schweiz und in Deutschland. Durch das Zusammenführen der bisherigen Immobilienentwicklung und des Hochbaus nutzen wir vor allem Synergien zwischen der Entwicklungs- und Planungsphase sowie bei der Realisation. Die Kunden profitieren so von einem end-to-end Angebot, nahtlos vom Start bis zu Übergabe aus einer Hand.
Welche Ziele hat sich Implenia für 2025 gesetzt?
Wir erwarten für das Gesamtjahr 2025 ein EBIT von CHF ~140 Mio., basierend auf dem starken operativen Geschäft in einem herausfordernden Marktumfeld. Das mittelfristige Finanzziel der Gruppe ist eine EBIT-Marge von >4,5% und eine Eigenkapitalquote von 25%. Die Megatrends Bevölkerungswachstum und Urbanisierung, Energiewende sowie Investitionen in neue oder modernisierte Verkehrs- und Energieinfrastruktur stimulieren weiterhin die Nachfrage nach Immobilienprojekten an attraktiven, urbanen Lagen sowie nach grossen Infrastrukturprojekten.
Sie treten Ende März als Konzernchef ab. Welche persönliche Bilanz ziehen Sie nach Ihren sechseinhalb Jahren an der Spitze von Implenia?
In dieser Zeit haben wir Implenia erfolgreich durch eine umfassende Transformation und die Phase «Fit for Growth» geführt. Persönlich werden mir vor allem eine intensive Zusammenarbeit auf allen Ebenen sowie die grosse Kompetenz und Leidenschaft aller Mitarbeitenden des Teams Implenia nachhaltig in Erinnerung bleiben. Der Besuch unserer Projekte war immer sehr wichtig. Der Einsatz und das grosse Engagement unserer Expertinnen und Spezialisten für die grossartigen Projekte der Kunden haben mich immer wieder beeindruckt.
Gibt es bei der grossen Zahl der realisierten Grossprojekte eines, das sie besonders stolz macht?
Es gäbe unzählige grosse und herausfordernde Projekte zu nennen. Besonders stolz machen mich, dass wir kürzlich das Andrehen der riesigen Tunnelbormaschine für die zweite Röhre des Gotthard-Strassentunnels feiern durften. Aber auch die baldige Fertigstellung riesiger Hochbauprojekte wie das Kantonsspital Aarau mit mehr als 4’200 Räumen machen mich stolz. Hier ist besonders beeindruckend, wie es vollständig digital geplant und realisiert wurde. Das Projektteam spielt damit ganz oben in der Champions League des digitalen Bauens.
«Mir war es eine Ehre, das gesamte Team Implenia sechseinhalb Jahre in einer anspruchsvollen Phase führen zu dürfen.»
Was wünschen Sie Ihrem Nachfolger Jens Vollmar?
Implenia ist finanziell gesund und hervorragend positioniert im Markt. Mir war es eine Ehre, das gesamte Team Implenia sechseinhalb Jahre in einer anspruchsvollen Phase führen zu dürfen. Ich wünsche Jens Vollmar vor allem, dass er mit Implenia weiterhin erfolgreich unterwegs ist und natürlich Spass an der neuen Aufgabe hat.
Ebenfalls im April werden Sie zum Verwaltungsrat der SBB gewählt und ein Jahr später sollen Sie die Nachfolge von Präsidentin Monika Ribar antreten. Auf was freuen Sie sich in der neuen Funktion besonders?
Ich freue mich sehr darauf, dass ich mit meiner langjährigen Führungserfahrung und meinen Kompetenzen, ein für die Mobilität in der Schweiz so wichtiges Unternehmen und eine Institution wie die SBB strategisch in die Zukunft führen darf.