Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz (Vereinigung der Schweizer Automobil-Importeure)
von Patrick Gunti
Herr Burgener, der Schweizer Automarkt ist im vergangenen Jahr stark gewachsen. 8,4 Prozent mehr Neufahrzeuge wurden in Kraft gesetzt, fast 319’000 Neuwagen verkauft. Von Krise also keine Spur?
Bei der dritthöchsten in der Schweiz je registrierten Zahl von Neuzulassungen ist „Krise“ wirklich das falsche Wort. Unsere Mitglieder, die offiziellen Importeure und ihre Markenhändler haben ausgezeichnete Arbeit geleistet.
Welches waren für auto-schweiz die Erfolgsfaktoren?
Dafür mache ich drei Gründe geltend: Erstens den grösseren Ersatzbedarf bei der Neuanschaffung von Personenwagen; zahlreiche Autos mussten wegen Verschleiss ersetzt werden. Zweitens wurde der Autoabsatz durch die Zuwanderung von 80‘000 Menschen pro Jahr zusätzlich angekurbelt. Drittens spielt das gestiegene Umweltbewusstsein bei den Verkaufszahlen eine wesentliche Rolle: Durch den Wunsch der Konsumenten, sich energieeffizienter zu motorisieren, wurden Autokäufe zeitlich vorverlegt.
Welchen Einfluss auf die guten Verkaufszahlen hatten die vielen Rabatte, welche 2011 gewährt wurden?
Der Einfluss der Rabatt- und Boni-Aktionen auf den Verkaufszuwachs lässt sich nicht genau beziffern. Sicher haben diese Massnahmen auch ihren Teil zur erfreulichen Steigerung beigetragen. Aber der informierte Autokäufer weiss, dass diese Medaille auch eine Kehrseite hat, nämlich einen nicht zu unterschätzenden Wertverlust, wenn das solchermassen gekaufte Auto dereinst einmal eingetauscht werden muss.
«Das gestiegene Umweltbewusstsein spielt bei den Verkaufszahlen eine wesentliche Rolle.»
Andreas Burgener, Direktor auto-schweiz
Nun scheinen aus den Rabatten dauerhafte Preissenkungen zu werden. Mercedes hat im Spätherbst die Listenpreise landesweit um 20 Prozent gesenkt. Werden andere Marken auf breiter Front nachziehen?
Es könnte sein, dass das Beispiel Schule macht. Die Aktion von Mercedes macht deutlich, wie gross der Druck des Marktes ist. Bei genauerem Hinsehen wird aber klar, dass die Aktion zeitlich beschränkt ist. Dies sind die Gesetze und Mechanismen des freien Marktes. Vergessen wir aber nicht, dass viele Importeure ihre zusätzlichen Währungsgewinne bereits vor offiziellen Listenpreissenkungen an ihre Kunden weitergegeben haben.
Inwieweit lässt sich mit den Preissenkungen dem Problem der Importeure entgegenwirken, dass sich immer mehr Kunden ihre Wagen im Ausland beschaffen?
Mit den gegen Jahresende lancierten „Flatrate“-Rabatten sowie mit den Listenpreissenkungen hat sich die Situation mit den Direktimporten entschärft. Es lohnt sich also unzweifelhaft, bei den Schweizer Markenvertretern vorbeizuschauen. Nach unseren neuesten Berechnungen beträgt die Preisdifferenz zwischen einem offiziell importierten Fahrzeug und einem Direktimport noch maximal 5 bis 7 Prozent.
Welchen Einfluss haben die Preissenkungen auf den Occasionsmarkt?
Durch die Preisanpassungen bei den neuen Autos nach unten ergeben sich zwangsläufig auch solche bei den Gebrauchtwagen, und zwar im Verhältnis 1:1.
«Nach unseren neuesten Berechnungen beträgt die Preisdifferenz zwischen einem offiziell importierten Fahrzeug und einem Direktimport noch maximal 5 bis 7 Prozent.»
Welche Segmente waren im zurückliegenden Jahr besonders erfolgreich?
Diese Auswertung haben wir zur Zeit leider noch nicht
Wie haben Fahrzeuge mit alternativen Antrieben abgeschnitten?
Mit 6961 Einheiten, das sind 2.2% des Gesamtmarktes, ist das immer noch ein sehr kleiner Anteil. Aus dem Blickwinkel des Zuwachses ist natürlich eine Steigerung von 27.6% eine stolze Leistung. Marktführer bei den Alternativantireben ist der Hybridantrieb mit 5356 Einheiten. Die reinen Elektrofahrzeuge sind mit 452 Einheiten vertreten.
Und welche Marken ragten positiv wie auch negativ heraus?
Wir kommentieren jeweils das Gesamtresultat des Schweizer Neuwagenmarktes, über die Resultate der einzelnen Hersteller bzw. Importeure kann sich jeder und jede in unseren öffentlich publizierten Statistiken selber ein Bild machen.
In den letzten 20 Jahren hat sich die Fahrleistung auf den Autobahnen verdoppelt, die Zahl der Stunden, die Autos im Stau stehen, betrug 2009 währenddessen fast 16’000 Stunden. In einem Interview mit der Schweizerischen Gewerbezeitung haben Sie angeregt, einen Teil der Autobahnen zweistöckig zu führen, damit aus Fahrzeugen nicht je länger mehr Stehzeuge werden. Was für Reaktionen hatten Sie auf Ihren Vorschlag?
Sehr positive, aber auch solche, welche diese Vision in das Reich der Träume schicken möchten. Immerhin hat «le matin dimanche» dieser Idee eine ganze Seite gewidmet.
«Ich bin überzeugt, dass die Schweiz zwei Möglichkeiten hat, die Verkehrsüberlastung zu bewältigen. Entweder in den Boden mittels Tunnels oder in die Höhe mittels doppelstöckiger Bauweise.»
Wollten Sie damit den Fokus auf das Problem der Verkehrsüberlastung richten oder glauben Sie an die Möglichkeit, ein solches Projekt zu verwirklichen?
Ich bin überzeugt, dass die Schweiz zwei Möglichkeiten hat, die Verkehrsüberlastung zu bewältigen. Entweder in den Boden mittels Tunnels oder in die Höhe mittels doppelstöckiger Bauweise. Beides entspricht der Idee des verdichtenden Bauens. Die Tunnelidee hat es ungemein schwerer. Wir haben da ja schon Erfahrungen mit der Idee der Swissmetro, sie fand wenig Akzeptanz. Hingegen die Idee der doppelstöckigen Autobahn könnte man am Teilstück Lausanne-Genève wachsen lassen. Wir wollen dieses vorwärtstreiben.
Vom 8. bis 18. März geht in Genf der 82. Automobilsalon über die Bühne. Was erwarten Sie sich in diesem Jahr von der Leistungsschau der Automobilindustrie?
Das Bijou unter den internationalen Motor Shows hat sich schon seit jeher durch die Präsentation zahlreicher Neuheiten hervorgetan, und dies nicht nur in Sachen neuer Modelle, sondern auch hinsichtlich technologischer Neuerungen. Für mich müssen, insbesondere auch vor dem Hintergrund der jetzt weltweit in Gang gesetzten CO2-Reduktion beim motorisierten Individualverkehr, weitere entscheidende Schritte in Richtung einer erneuten Verbesserung der Energieeffizienz erkennbar werden. Ich zweifle nicht daran, dass in Genf diesbezüglich erneut viele positive Überraschungen auf uns warten.
Für das laufende Jahr gehen Konjunkturforscher von rezessiven Tendenzen mit entsprechenden Folgen für das Konsumverhalten aus. Kann sich die Automobilbranche der pessimistischen Stimmung erneut entziehen?
Es kommt natürlich sehr darauf an, wie sich die prognostizierte Abkühlung zahlenmässig bemerkbar machen wird. Ich rechne zurzeit eher noch mit moderaten Werten. Eine pessimistische Stimmung kann ich zu Jahresbeginn noch nicht orten, eher eine vorsichtig optimistische. Wie andere konjunktursensible Märkte wird vermutlich auch der Automarkt einem erhöhten Druck ausgesetzt sein. Demgegenüber stehen wie bereits im Vorjahr der Ersatzbedarf sowie die umwelt- und klimabewussteren Autokäufer. Ich hoffe auf eine „weiche Landung“ hinsichtlich des Jahresergebnisses 2012.�
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Zum Abschluss möchte ich Sie bitten, die nachfolgenden drei Sätze zu vervollständigen:
Wenn ich im Stau stehe… lege ich eine gute CD ein und denke dabei an doppelstöckige Autobahnen, flüssigeren Verkehr und Vermeidung von unnötigen CO2-Emissionen.
Das Auto der Zukunft wird… kompakter, leichter, sparsamer. Seine Form wird sich aufgrund aerodynamischer Gesetzmässigkeiten vermutlich nicht grundlegend verändern. Seine technische Ausstattung, also die Motorisierung und Antriebsart, wird von Mobilitäts- und Transportbedürfnissen wie Wohnort, Arbeitsort, Freizeitverhalten, Haushaltgrösse usw. abhängen.
Verkehrsministerin Doris Leuthard ist… eine Persönlichkeit, welche versucht, eine Gesamtschau der Verkehrsproblematik zu gewinnen, damit tragfähige Lösungen gefunden werden können. Sie nimmt zur Kenntnis, dass der Strassenverkehr im Gegensatz zur Schiene seine Kosten deckt und somit einen Eigenwirtschaftlichkeitsgrad von über hundert Prozent hat.
Herr Burgener, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Andreas Burgener, seit 2003 Direktor auto-schweiz
Geburtsdatum: 21.01.1959
Zivilstand: ledig
Sprachen: Deutsch, Französisch, Englisch, Spanisch
Schulen / Studium
2000 –2002 Nachdiplomstudium Executive MBA HSG Universität St. Gallen
1991 –1992 Nachdiplomstudium Unternehmungsführung Ingenieurschule Burgdorf
1983 –1986 Studium Automobilingenieur Ingenieurschule Biel
1982 –1983 Technikumsvorbereitungsschule in Bern
1975 –1979 Berufsschule in Solothurn
Zertifikate / Diplome
2002 Nach-Diplom in Unternehmensführung Executive MBA HSG
1992 Zertifikat Unternehmensführung
1986 Diplom Automobilingenieur HTL
1979 Fähigkeitsausweis Auto- / Lastwagenmechaniker