von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Buri, die Clientis Gruppe hat im 1. Halbjahr den Konzerngewinn um 31% und den Betriebserfolg um 4,8% auf 104 Mio Franken gesteigert. Besonders freuen dürfte Sie die Steigerung des Netto-Erfolgs aus dem Zinsengeschäft…
Andreas Buri: Ich freue mich über die generell sehr guten Kennzahlen unserer 15 selbständigen Regionalbanken; sie widerspiegeln die aktive Marktbearbeitung und das grosse Kundenvertrauen. Zur Ergebnisverbesserung im Zinsengeschäft beigetragen haben vor allem die Volumenausweitung bei den Hypothekarfinanzierungen und günstigere Refinanzierungskosten. Als Gruppenvorteile bewährten sich zudem wiederum das koordinierte Liquiditätsmanagement sowie der zentrale Zugang zum Geld- und Kapitalmarkt. Mit den neuen Rechnungslegungs-Vorschriften wurden nicht mehr benötigte Wertberichtigungen aufgelöst, was den Zinserfolg als Sondereffekt ebenfalls positiv beeinflusste.
Wie wirkt sich das Negativzinsumfeld auf das Zinsgeschäft aus, das ja fast 80% zum Gesamterfolg beiträgt?
Das historische Tiefstzinsumfeld ist für die Banken anspruchsvoll. Dem Marktniveau entsprechend sind die Zinsen auch bei den Clientis Banken tief, und der Druck auf die Zinsmarge ist gross. In diesem Umfeld konnten sowohl die Kundengelder als auch die Ausleihungen weiter gesteigert werden, was sich positiv im Zinsengeschäft niederschlägt.
Die Clientis Gruppe gibt die Negativzinsen nicht an ihre Privatkunden weiter. Bleibt es dabei, auch wenn die Negativzinspolitik der SNB noch lange anhält?
Unsere Banken legen die jeweiligen Passivzinsen selber fest. Wenn die SNB ihre Negativzinsen nicht verschärft und der Kundengeldzufluss nicht drastisch ansteigt, gehen wir heute davon aus, weiterhin auf die Weitergabe von Negativzinsen verzichten zu können.
Die Ausleihungen stiegen um 2%, der allergrösste Teil davon entfiel auf das Hypothekargeschäft. 2015 legten die Hypothekarfinanzierungen noch um 4,2% zu. Sind Sie da bewusst auf die Bremse getreten oder machen sich in erster Linie die verschärften Regeln für das Hypotheken-Geschäft bemerkbar?
Wir sind auf Kurs. Die Zunahme um 2% im ersten Halbjahr ergeben aufs ganze Jahr hochgerechnet eine Steigerung von 4%. Wir liegen damit auch im langjährigen Durchschnitt; seit Jahren wachsen die Clientis Banken konstant um ca. 1% pro Quartal. Für Finanzierungen gelten seit jeher klar definierte strenge Grundsätze. Diese wurden nicht geändert.
Ist das Wachstum in den Regionen einheitlich oder gibt es «Ausreisser» nach oben?
Das Wachstum ist innerhalb unserer Gruppe unterschiedlich. In Gebieten mit höherem Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum und entsprechend mehr Bautätigkeit ist die Volumenausweitung grösser. Wir spüren dies insbesondere in den Regionen Bern, Luzern und St. Gallen.
«Wenn die SNB ihre Negativzinsen nicht verschärft und der Kundengeldzufluss nicht drastisch ansteigt, gehen wir heute davon aus, weiterhin auf die Weitergabe von Negativzinsen verzichten zu können.»
Andreas Buri, CEO Clientis AG
Im vergangenen Jahr verzeichneten die Clientis Banken die grösste Zuwachsrate an Kundengeldern in den zwölf Jahren des Bestehens. Ging die Entwicklung in der ersten Jahreshälfte 2016 in ähnlichem Stil weiter?
Die Kundengelder haben in den ersten sechs Monaten trotz der tiefen Passivzinsen um weitere 2% zugenommen – auch dieses Wachstum entspricht dem langjährigen Durchschnitt von 1% pro Quartal. Mit den Kundengeldern wurden 83% der Ausleihungen finanziert.
In der ersten Jahreshälfte sind die Projektarbeiten für die neue IT-Multiproviderstrategie gestartet. Ab 2018 wird Inventx Provider für den Rechenzentrumsbetrieb und das Application Management. Welche Vorteile erwarten Sie sich von der Strategie?
Für die Umsetzung der neuen Strategie haben wir zwei Ziele. Zum einen sollen die steigenden Anforderungen an die Flexibilität und die Qualität der IT-Dienstleistungen noch besser erfüllt werden. Zum andern erwarten wir signifikant tiefere IT-Kosten.
Umgesetzt wird die Strategie neben den 15 Clientis Banken auch von zehn weiteren Regionalbanken. Könnten diese dereinst auch zur Clientis-Gruppe stossen?
Aufgrund des sich rasch wandelnden Umfelds suchen unabhängige Regionalbanken vermehrt Kooperationen. Das Clientis Modell liegt im Trend. Heute erbringen wir Dienstleistungs-Pakete für insgesamt zwölf Banken ausserhalb der eigenen Gruppe. Diese beziehen neben der IT weitere Leistungen in den Bereichen Compliance, Anlegen, Finance und Vertrieb. Je besser wir eine Kundenbank von unseren modularen Leistungen überzeugen können, desto grösser wird die Chance, dass sie eines Tages auch den Schritt zur Vollmitgliedschaft machen wird und so von weiteren namhaften Vorteilen profitieren kann.
«Das Clientis Modell liegt im Trend. Heute erbringen wir Dienstleistungs-Pakete für insgesamt zwölf Banken ausserhalb der eigenen Gruppe.»
Das digitale Banking wird die Finanzbranche nachhaltig verändern. Wie setzen die Clientis Banken heute Digital Banking um?
Bezüglich Digitalisierung können wir es, vereinfacht ausgedrückt, wie folgt auf den Punkt bringen: Welchen Anteil unserer künftigen Investitionen wollen wir weiterhin für unsere Geschäftsstellen tätigen und welchen Anteil für die weitere Automatisierung unserer Dienstleistungen? Auf die digitale Zukunft richten wir uns konsequent als «Follower» aus. Dabei wollen wir physische und digitale Kanäle, Prozesse und Marketingaktivitäten verschmelzen. Seit rund zwei Jahren verfügt jede Clientis Bank über eine Mobile Banking App, und in der Gruppe gibt es rund 120 iPad für die mobile, innovative Kundenberatung in den Bereichen Finanzieren und Anlegen.
Wie wollen Sie die Clientis Banken in diesem Umfeld längerfristig positionieren?
Durch die gelebte Kundennähe sowie die umfassende Beratungskompetenz fühlen sich Clientis Kunden nicht nur gut aufgehoben, sondern sie erreichen ebenso ihre individuellen Ziele. Die Agilität der Clientis Banken zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass Entscheidungen vor Ort und zeitnah getroffen werden.
«Ich gehe tendenziell davon aus, dass unsere Mitarbeiterzahl, speziell im Schalterbereich, künftig nicht weiter steigen wird.»
Die Kundennähe ist bei Regionalbanken grösser als bei schweizweiten Finanzinstituten. Wie wirkt sich die immer stärkere Technologisierung darauf aus?
Die meist langjährigen persönlichen Kundenbeziehungen stehen im Zentrum unserer Geschäftstätigkeit. Dabei treiben wir die Weiterentwicklung der digitalen Kanäle voran und machen die ganzheitliche Beratungskompetenz über alle Kanäle zugänglich.
Die Mitarbeiterzahl der Clientis Banken ist stabil. Welche Veränderungen der Aufgabengebiete erwarten Sie angesichts der zunehmenden Automatisierung?
Ich gehe tendenziell davon aus, dass unsere Mitarbeiterzahl, speziell im Schalterbereich, künftig nicht weiter steigen wird. Weil demgegenüber die Beratungen weiter an Bedeutung gewinnen, befinden wir uns gruppenweit mitten in einem anspruchsvollen Zertifizierungsprozess. Die Mitarbeitenden erbringen mit der Zertifizierung den Nachweis, dass sie die umfassenden und stetig höheren Beratungsanforderungen erfüllen. Sie können so unsere Kunden noch besser massgeschneidert bedienen.
Herr Buri, besten Dank für das Interview.
Zur Person:
Jahrgang 1957. Schweizer. In Lenzburg
CEO der Clientis AG: Seit 2014
Beruf/Ausbildungen: Bankkaufmann, dipl. Bankfachmann. AMP Wharton School
Werdegang:
2004 bis 2014 CEO bzw. Geschäftsleitungsmitglied verschiedener Privat- und Auslandbanken
1973 bis 2004 UBS, verschiedene Funktionen im In- und Ausland
Über Clientis
Clientis vereint eine Gruppe von 15 eigenständigen Schweizer Regionalbanken unter einem starken Dach. Kerngeschäfte sind Hypothekarfinanzierungen, die grösstenteils durch Spareinlagen finanziert werden, sowie Zahlen, Anlegen und Vorsorgen. Hauptkundengruppen sind Privatpersonen, KMU und Institutionen. Die Banken sind mit der jeweiligen Rechtsform und den Organen vor Ort selbständig. Über die Clientis AG arbeiten sie in mehreren Bereichen zusammen, u.a. in der Refinanzierung, IT, Marktbearbeitung und Compliance. Die Clientis Banken sind die Aktionäre der Clientis AG.