von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Buri, im Rahmen der Corona-Soforthilfe nehmen auch die Clientis-Banken am Garantieprogramm des Bundes für KMU teil. Wie hoch ist die Nachfrage?
Andreas Buri: Die Nachfrage war in den ersten Tagen nach der Lancierung des Hilfsprogrammes durch Bund und Banken relativ gross, speziell nach Krediten der Fazilität I (bis 0.5 Mio Franken). Wir achteten jedoch darauf, nur an Kunden, die mit uns eine Beziehung als Hauptbank pflegen, einen verbürgten Bundeskredit zu vergeben. Aktuell haben die Clientis Banken rund 900 Kredite mit einer Limite von total 90 Mio Franken vergeben.
Wie schätzen Sie längerfristige Wirkung der Massnahmen ein?
Wir halten das unter Federführung des Bundes – speziell dem SIF (Staatssekretariat für Internationale Finanzfragen) – und der Koordination der Schweizerischen Bankiervereinigung und den Banken rasch geschnürte Paket für tragfähig und belastbar. Es erlaubt die kurzfristige Sicherung der Liquidität der Schweizer Wirtschaft für eine gewisse Zeit. Bei der Erarbeitung dieser Massnahmen erlebte ich unter allen Beteiligten eine grosse Kooperations- und Hilfsbereitschaft für unsere KMU-Kunden. Subsidiär stehen zudem die verschiedenen Hilfsprogramme der Kantone zur Verfügung. Das Gesamtpaket wird fürs Erste helfen, Konkurse zu vermeiden. Ob und wie weit die Massnahmen ausreichen, hängt vom Verlauf der Pandemie und vom Erfolg ihrer Eindämmung ab. Da wage ich heute keine Prognose.
«Wir haben darauf geachtet, nur an Kunden, die mit uns eine Beziehung als Hauptbank pflegen, einen verbürgten Bundeskredit zu vergeben.»
Andreas Buri, CEO Clientis
Befürchten Sie wegen der geschäftlichen Schwierigkeiten der Betriebe und der Rezession höhere Ausfälle bei Clientis Banken?
Das Hauptgeschäft unserer Banken ist mit grossem Abstand die Finanzierung von Eigenheimen an Privatpersonen. Dieser Teil macht mehr als drei Viertel unserer gesamten Ausleihungen aus. Kredite ohne Deckung an KMU-Kunden belaufen sich lediglich auf tiefe 2% unserer Gruppen-Ausleihungen. Die effektiven Kreditverluste der letzten sechs Jahre betrugen zwischen 1 und 3 Promille p.a. der Ausleihungen. Dem stehen über zehnmal mehr (0.4%) grosszügig reservierte Wertberichtigungen und Rückstellungen für potentielle Verluste gegenüber. Zudem sind alle unsere Banken äusserst stark kapitalisiert. Die gesamte Eigenkapitalquote (Gesamtkapitalquote) belief sich Ende 2019 auf stolze 20%! Dank der konservativen Kreditvergabe unserer Banken in den letzten Jahren bin ich aus heutiger Sicht sehr zuversichtlich, dass wir keine grösseren Verluste einfahren werden.
Das Hypothekargeschäft der Clientis Banken legte 2019 um 3,8 % zu. Ende des letzten Jahres hatten Ihre Mitglieder Hypotheken für 12.8 Mrd Franken vergeben. Sehen Sie in diesem Bereich Gefahren?
Die Clientis Banken wachsen seit Jahren erfolgreich und kontinuierlich mit dem Markt. Wir gehen davon aus, dass dies auch inskünftig der Fall sein wird. Dabei müssen wir jedoch von einer reduzierten Bautätigkeit ausgehen. Ausgeprägt wird dies aus meiner Sicht den Gewerbe- und Büromarkt treffen. In Kombination mit einer weiterhin längerfristig anhaltenden Tiefzinsphase wird sich der Margendruck im Hypothekenmarkt weiter verschärfen.
Mit welchen gesamtwirtschaftlichen, durch die Coronakrise verursachten Schäden rechnen Sie?
Die Konjunktur wird in den kommenden Quartalen bedeutend einbrechen. Für das laufende Jahr dürfte unser Land eine schmerzhafte Reduktion des BIP erfahren. Als klassisches Exportland werden wir indirekt auch alle negativen Faktoren unserer internationalen Handelspartner-Länder «importieren», seien es die hohen Arbeitslosenzahlen oder die Nebenwirkungen exorbitanter Staatsschulden.
«Wir müssen von einer reduzierten Bautätigkeit ausgehen. In Kombination mit einer weiterhin längerfristig anhaltenden Tiefzinsphase wird sich der Margendruck im Hypothekenmarkt weiter verschärfen.»
Welche Dienstleistungen können Sie Ihren 14 Mitgliedsbanken und den neun Drittbanken in der aktuellen Situation zur Verfügung stellen?
Wir stehen seit Beginn der Krise mit unseren 23 Plattformbanken auf Führungsebene und in allen Fachbereichen in sehr engem Austausch. Teilweise erfolgten täglich Video-Konferenzen. Dank unserer klaren Governance und den professionellen Mitarbeitenden bei der Clientis AG konnten wir sehr rasch agieren. Sei es vor Ausbruch der Krise mit der zeitnahen Zurverfügungstellung von zusätzlichen technischen Hilfsmitteln, bspw. neuste Laptop-Modelle. Dank einem guten Rating, entsprechendem Vertrauen im Markt und einer umsichtigen Treasury-Einheit konnten wir für unsere Banken vorsorglich eine hohe zentrale Liquiditätsreserve aufbauen. Weitere umfassende Dienstleistungen erfolgten in den Bereichen Legal & Compliance, Marketing & Kommunikation, Controlling, IT-Banksysteme sowie im Service- & Provider-Management. Die Banken schätzten und lobten die Zusammenarbeit mit den Spezialisten in den letzten Monaten sehr.
Inwieweit haben sich in der Corona-Zeit der Ausbau der digitalen Dienstleistungen in den letzten Jahren bezahlt gemacht?
Wir investierten in den vergangenen drei Jahren rund 30 Mio Franken in die IT sowie Digitalisierung und Innovation. Das Budget 2020 sieht weitere 10 Mio Franken für Innovationsprojekte vor. Auf der Kundenseite verfügen unsere 23 Plattformbanken u.a. über ein modernes Online-Banking mit umfangreichen Funktionen, die in den letzten Wochen verstärkt benutzt wurden. Ebenfalls bewährte sich das Kundenportal, welches die Clientis Banken letztes Jahr einführten. Es ermöglicht u.a. in einem geschützten Bereich den sicheren Daten- und Informationsaustausch zwischen Kunde und Bank.
Alle Mitarbeitenden der Banken verfügen über moderne Hilfsmittel, bspw. Laptop-Modelle, die ein sicheres Arbeiten ausserhalb der Banklokalitäten bereits vor dem Ausbruch der Krise ermöglichte. Ebenfalls verfügen die Mitarbeitenden für Video-Konferenzen über das Tool «Microsoft Teams». Ich bin sehr erfreut, wie rasch und effizient ein Modus-Wechsel bei den Kunden und Mitarbeitenden erfolgte. Im Tagesgeschäft und in der IT verzeichneten wir keine grösseren Herausforderungen. Ebenfalls konnten wir unsere umfassende Projekt-Roadmap erfolgreich weiterentwickeln.
«Wir investierten in den vergangenen drei Jahren rund 30 Mio Franken in die IT sowie Digitalisierung und Innovation. Das Budget 2020 sieht weitere 10 Mio Franken für Innovationsprojekte vor.»
Aktuell stattet Clientis alle Banken und Drittinstitute mit einer neuen Anlage-Software aus. Was wird «Finfox» bringen?
Finfox ist ein umfassendes Anlagetool, welches von der Firma Ecofin entwickelt wurde und heute bereits durch verschiedenen Banken benutzt wird. Wir versprechen uns mit dem Einsatz dieses Tools eine noch professionellere und individuellere Beratung der Kundschaft im Anlagegeschäft. Gleichzeitig werden unsere Banken damit die regulatorischen Auflagen im Bereich FIDLEG erfüllen.
Ein weiteres Grossprojekt für 2020 ist die weitere Digitalisierung des Kreditprozesses. Was steht dabei im Zentrum?
Der Wettbewerb im Finanzieren wird weiter zunehmen. Mit diesem Projekt unterstützen wir sowohl die Effizienz und die Flexibilität als auch einen professionellen digitalen Auftritt im Geschäft mit Finanzierungen. Die Digitalisierung des Kreditprozesses bietet eine einfachere Benutzerführung und eine regelbasierte Prozessführung. Dies führt zu einer deutlich kürzeren Bearbeitungszeit und steigert die Effizienz im Kreditprozess. Die Veränderung im Prozess führt innerhalb der Bank zu einem neuen Rollenmodell und einem veränderten Weisungswesen. Die Clientis AG unterstützt die Banken in dieser Transformation.
Die Coronakrise kommt nach einem für die Clientis Banken erfolgreichen 2019, in dem der Jahresgewinn um 9,5% gesteigert werden konnte. Welche Bilanz ziehen Sie?
Aktuell ist es noch zu früh eine Bilanz zu ziehen. Ebenfalls sind Prognosen nicht möglich. Es hängt viel davon ab, ob wir nach den gemeinsam realisierten Lockerungsmassnahmen in eine zweite Welle rutschen. Persönlich hoffe ich es nicht – dabei ist jedoch individuelle Selbstdisziplin gefordert! Nach dem Motto «Vertrauen hat Zukunft» bin ich grundsätzlich positiv gestimmt. Eine «neue Normalität» wird jedoch für uns alle mittel- und langfristig einkehren.
Ins 2020 ist Clientis nach dem Austritt der Clientis Zürcher Regionalbank mit einem Mitglied weniger gestartet. Wie sollen die entsprechend geringeren Einnahmen kompensiert werden?
Die meisten unserer Verträge mit unseren Lieferanten und Partnern skalieren entlang den Volumen. Das Geschäftsmodell mit der Clientis Serviceplattform ermöglicht allen 23 Plattformbanken durch Volumenbündelung und der Realisierung von gemeinsamen Projekten ihre Kostenstruktur stark zu optimieren. Dies bedingt eine beschränkte Kompetenzdelegation an die Clientis AG sowie eine modulare Standardisierung. Dieser Standard ist auch für eine grössere Regionalbank oder kleinere Kantonalbank geeignet.
Insbesondere im Bereich IT und Innovation können wir uns als professionelles und kosteneffizientes Dienstleistungs- und Kompetenzzentrum positionieren und Banken enorme Kostenvorteile ermöglichen.
Auf einen Ausblick für 2020 verzichten Sie in Anbetracht der aktuellen Lage. Ändert sich etwas an der Strategieplanung bis 2023?
Aktuell sind wir – trotz «Corona» – gut aufgestellt. Wir verfügen über eine gute und klare Governance-Struktur sowie erfolgreiche Regionalbanken als unsere Kunden auf einer umfassenden Serviceplattform. Anpassen und verbessern erachten wir als unsere Daueraufgabe: Sei es bei Kundenbedürfnissen, Generierung von neuen Erträgen, Kostenentwicklung, Mitarbeiterausbildung oder Vereinfachung der Abläufe.
Herr Buri, besten Dank für das Interview.