Andreas Caduff, CEO Biovotion. (Foto: Biovotion)
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Caduff, viel ist von der Digitalisierung des Gesundheitswesens die Rede. Im Fokus stehen die Veränderung der medizinischen Vorsorge und Versorgung durch das Internet sowie durch neue Gadgets wie Wearables oder Apps. Welche Rolle können die sogenannten Wearables in Zukunft spielen?
Andreas Caduff: Wearables wie sie heute verstanden werden, haben ein Fashion und Lifestyle-Element. In der nächsten Phase von Wearables wird das, was man daraus als wertgenerierenden Service ableiten kann, in den Vordergrund rücken. Diese Wearables werden eine Art Spitalmessgeräte sein, die sich in Form von äusserst einfach zu bedienenden Wearables präsentieren werden und so zuhause durch den Laien eingesetzt werden können, um damit analog zum Spital Einsicht in den physiologischen Zustand zu ermöglichen.
Kommen wir auf Biovotion zu sprechen. Sie haben das Unternehmen vor fünf Jahren zusammen mit Ihren Partnern gegründet. Welches war die ursprüngliche Idee dahinter?
Unser Team hat ausgedehntes Know How im Bereich von Wearables und dem physiologischen Monitoring. Mit diesen Erfahrungen hat sich die Idee dann stark um den daraus hervorgehenden Service gruppiert. Sprich ein medizinisches Wearable zu haben, dass ein Spektrum von Messgrössen erfassen kann, welches Daten in ein sogenanntes «Eco System» speisen kann, wo dann in einer intelligenten Art und Weise weitere Prozessschritte folgen, wo wahrhaftig Mehrwert geniert werden kann. Dies kann z.B. eben eine intelligente Fokussierung und der gesteuertere Einsatz von verfügbaren Gesundheitsressourcen aber auch die sinnvolle Einbindung von Familienmitgliedern in die Versorgung und Betreuung der Angehörigen sein.
Sie haben in den letzten Jahren einen grossen Entwicklungsaufwand betrieben. Welche Parameter vermag ihr Sensorenarmband nun zu messen?
Auf der einen Seite messen wir mit optischen Sensoren die sogenannte Haemodynamik, sprich Dinge die mit der Art und Weise, wie Blut durch den Körper fliesst zusammenhängen. Man redet darum von Herz- oder auch von Pulsrate. Weiter lassen sich über diese Optik auch Werte wie der Sauerstoffgehalt des Blutes, die lokale Menge Blut, die Atemfrequenz oder die Art und Weise wie das Blut durch den Körper pulsiert. Hier reden wir dann von der sogenannten Pulswellencharkateristik, eine Grösse die auch durch den Blutdruck beeinflusst wird.
Weiter messen wir die Hauttemperatur und das Schwitzen. Weitere Messgrössen oder Funktionalitäten können wir einfach über ein Software Update aus der Ferne auf die Geräte spielen, so wie man das aus seinem Smartphone kennt. In weiteren Schritten werden zusätzliche nicht optisch basierte Messgrössen hinzukommen, die sich mittels dielektrischen Sensoren erfassen lassen. Das erlaubt uns dann auch andere physiologische Kenngrössen verfolgen zu können. Es entsteht also mit der Zeit eine Multisensor-Plattform, intergriert in ein einziges Gerät – eine Art «kleines Spital am Oberarm».
Welches waren über die bisherigen Entwicklungsstufen hinweg die grössten Herausforderungen?
Geld – Nerven – heisse Sommertage – Produktionsüberraschungen – Teile, die plötzlich nicht mehr verfügbar sind – allerlei Emotionen – Akteure, die ein Eigenleben ausserhalb der vernünftigen Bereiche entfalten – gute gemeinte Ideen, die für eine Teillösung dann doch nicht funktionieren – zuwenig Bürorraum – zu wenig Freiraum und Zeit für kreative und ausserhalb des bestehenden Rahmens sich bewegende Ideen – unsere Schweizer Mentalität.
Dies ist nun das dritte Jungunternehmen, das ich mithelfe aufzubauen. Aus der Beobachtung heraus sind es eher selten Einzelereignisse, die die grossen Herausfoderungen darstellen. Es sind viele kleine Dinge, die tagtäglich das unternehmerische Leben beeinflussen, kommt dann noch ein grosser Brocken hinzu, neigt man zu sagen «ohhh das ist nun die grosse Herausforderung». Zu einem anderen Zeitpunkt wäre der «Brocken» vielleicht nicht die vergleichbare Herausfoderung gewesen. Ergo reden wir von einer Mischung von Punkten wie Timing, Talent, Emotionen und Geld. Die Mischung dazu muss stimmen und auch der Wille, das durchzuziehen, auch wenns ab und zu mal rumpelt. Das sind die Herausforderungen.
Welche Parameter soll das Wearable in Zukunft überwachen können?
Derzeit sehen wir dedizierte Systeme, die etwas ganz besonders gut können. Der Trend geht weiter in die Richtung, dass solche Fähigkeiten in komplexe Systeme integriert werden, sogennante Multisensorsysteme, die je nach Bedürfnis auf der Softwareseite dann den Service anbeiten können, der im Zentrum stehen soll. Wir reden also auf der Wearable Seite von Multisensorsystemen und auf der Softwareseite von relativ flexiblen, einfach skalier- und adaptierbarer Funktionalitätskonfiguration mit codifizierten Expertfunktionen. Im weiteren Sinne kommen dann auch noch dynamisches Softwareverhalten hinzu, also lernende Systeme – etwas, was unter dem Term «künstliche Intelligenz» zunehmend Aufmerksamkeit erlangt.
» Es hat sich gezeigt, dass am Oberarm das System adequater angebracht werden kann und so auch viel länger definiert getragen und somit gemessen wird.»
Im Gegensatz zu den meisten Wearables werden die Daten nicht am Handgelenk, sondern am Oberarm gemessen. Sind am Handgelenk gemessene Daten nicht zuverlässig?
Wenn Sie sich das Handgelenk betrachten und aufmerksam verfolgen, wie oft und wie beeindruckend mehr dimensional sich die Hand bewegt und bewegen kann, wird einem bewusst, dass es sich um eine Körperstelle handelt, die erstaunlich oft in (komplexer) Bewegung ist. Um nun an irgendeiner Körperstelle möglichst genau messen zu können, braucht es schlicht eine gut definierte Verbindung zwischen Haut und Messtechnik. Ergo braucht es eine Vorrichtung, die den Sensor relativ eng an den Körper anbindet. Aufgrund des daraus ausgeübten Anpressdrucks ist der Benützer alsbald geneigt, diesen am Handgelenk etwas zu lösen, um eher das Gefühl einer Armbanduhr zu erleben. Damit reduziert sich dann leider auch die Messfähigkeit des Systems. Es hat sich gezeigt, dass am Oberarm das System adequater angebracht werden kann und so auch viel länger definiert getragen und somit gemessen wird.
Spielt durch die Platzierung am Oberarm das Design eine geringere Rolle?
Am Handgelenk möchte der Benutzer eine uhrähnliche Haptik erfahren und visuel erleben. Dies hat vielen Herstellern defacto die Designrichtung dann so vorgegeben. Wir habe sehr viel Aufmerksamkeit der Thematik Haptik, Handling und dem Tragen unter Kleidern gewidmet. Daraus ist dann das heute vorliegende Design hervorgegangen. Es ist deshalb vielleicht eine Art Umkehrung des Vorgehens gewesen. Ergo das Design spielt eine zentrale Rolle, der Anforderungsinput ist wohl aber unterschiedlich.
Wenn alles läuft wie geplant – wann bringen Sie Ihr Sensorenarmband auf den Markt?
Wir befinden uns derzeit in einer sogennanten «Soft market Introduction», sprich haben mit der gezielten Einbindung von Systemen bei ausgewählten Partnern begonnen. So sollen diese in einer kontrollierten Art und Weise Gelegenheit erhalten, erste Erfahrungen zu sammeln, sich eine Meinung zu bilden und uns auch Feedback zu geben, wo wir mit welcher Anbindung den für sie jeweiligen grössten Mehrwert erreichen können. Wir lernen also gemeinsam mit unseren Partnern mit einem Vorgehen, das dies konstruktiv unterstützt und fördert. Diese erste Phase wird dann durch eine breitere Einführung im kommenden Jahr erweitert.
«Es entsteht über diese Entwicklung hin zur Konsumerisierung des Gesundheitsbereichs ein neuer Marktbereich, in dem nach Produkten gefragt wird, die eine clevere Kombination von Medizintechnik und intelligenter Sofware und Funktionalität bieten.»
Welche Kundensegmente haben Sie im medizinischen Bereich im Visier?
Das Monitoring und die Patientenüberwachung ist in einigen Bereichen des Spitals schon recht engmaschig. Das Fachpersonal hat also einen relativ guten Einblick in den physiologischen Zustand des Patienten. Sobald dieser jedoch das Spital verlässt und sich dann oft Zuhause noch ganz auskuriert, fällt der grösste Teil des Monitorings weg und der Gesundheitsversorger, sowie andere Akteure tappen im Dunkeln – das Thema nennt sich Post Event Monitoring und ist besonders bei Patienten mit chronischen Erkrankungen spannend, da diese immer wieder akute Vorfälle erleiden, die medizinische Intervention erfordern. Diese Lücke möchten wir anfangen auszufüllen. Im einem weiteren Schritt geht es dann auch um das längerfristige Patienten Remote Home Monitoring. Schritt für Schritt ist es so dann auch denkbar, das Einsatzgebiet weiter auszudehnen und mittels gezielten und anwendungsspezifischen Softwarefunktionen in verschiedenen Bereichen Fuss zu fassen.
«Es entstehen über diese Entwicklung hin zur Konsumerisierung des Gesundheitsbereichs ein neuer Marktbereich, in dem nach Produkten gefragt wird, die eine clevere Kombination von Medizintechnik und intelligenter Sofware und Funktionalität bieten.
Im Privatbereich könnten Sie in Konkurrenz zu Fitbit oder zur Apple-Watch treten. Wie wichtig ist der Lifestyle-Bereich für Biovotion?
Wir beobachten dazu eher den Trend, dass sich der heutige Lifestyle-Benutzer nach Funktionen und Angeboten umschaut, die auch für ihn zusätzlichen Mehrwert bieten, der über das derzeitige Angebot hinaus geht. Weiter sehen wir den Trend der «Vermedikalisierung des Konsumentenbereichs». Es entsteht über diese Entwicklung hin zur Konsumerisierung des Gesundheitsbereichs ein neuer Marktbereich, in dem nach Produkten gefragt wird, die eine clevere Kombination von Medizintechnik und intelligenter Sofware und Funktionalität bieten. Genau da engagiert sich Biovotion.
«Wir haben nun mit Swiss Re eine globale Grösse als Partner und Leadinvestor.»
Sie haben bedeutende Preise erhalten. So wurde Biovotion von European CEO als «Europe’s most innovative medical device company» ausgezeichnet. Das Marktpotenzial ist gross – rennen Ihnen die Investoren die Türe ein?
Ja, wir haben drum die Türen inzwischen ausgehängt und die Telefonnummer von der Webseite genommen… Spass beiseite, da Biovotion eine relativ komplexe Kombination von Hardware und Software aufbaut, braucht es auf Seiten des Investors auch die Ressourcen so ein Konstrukt (business) technisch qualifizieren zu können. Dies ist sowohl für den Investor, wie auch für uns als Firma von zentraler Bedeutung. Es müssen sich hier Leute zusammenfinden, die ähnlich einer Ehe zusammenpassen, ein Grundverständnis für den Case haben, die Vision teilen und so am gleichen Strick ziehen.
Wir haben nun mit Swiss Re eine globale Grösse als Partner und Leadinvestor. Swiss Re hat die Vision, die Welt resilienter, also widerstandsfähiger, zu machen. Digital Health wird in diesem Zusammenhang als zunehmend wichtig erachtet. Wir sind jetzt dabei, für die weitere Entfaltung der Firma zusätzliche, strategisch relevante Investoren hinzuzufügen.
Herr Caduff, wir bedanken uns für das Interview.
Zur Person:
Andreas Caduff, PhD, held various positions in the pharmaceutical and medical device industry. In his previous position he was serving as CTO of Solianis where he orchestrated the overall technology and product development, clinical study strategies, regulatory considerations, interaction with the industrial/scientific community. Mr Caduff is an expert in physiological monitoring techniques and involved physiological/metabolic processes, combining the expertise in various fields relevant to the industrialisation and commercialisation of wearable monitoring technologies. He is a frequent invited speaker at industrial conferences and meetings on physiological monitoring, digital health and related subjects. He has invented numerous patents and co-authored several dozen scientific publications in peer-reviewed journals. In 2011, he founded Biovotion, an organisation developing specialised non-invasive physiological monitoring products and mHealth applications. With his team he has received high calibre endorsements and several international awards, including an award from the XPrize Foundation.