Andreas Herbst, Geschäftsführer Plan International Schweiz. (Foto: zvg)
von Patrick Gunti
Moneycab.com: Herr Herbst, Plan ist ein unabhängiges Hilfswerk, das sich weltweit für benachteiligte Kinder und deren Familien stark macht. Wenn Sie auf das zu Ende gehende Jahr zurückblicken: Was beschäftigte Sie am stärksten?
Andreas Herbst: Ebola rafft Leben weg, bremst Jahrzehnte lange Aufbauarbeit und destabilisiert ganze Regionen – das tut weh. Während wir hier in der Schweiz um Details streiten, werden tausende Mädchen dieser Welt nach wie vor missbraucht, verstümmelt und benachteiligt – das ist ein Verlust der Proportionen und tut doppelt weh. Die Mädchen und jungen Frauen zu unterstützen holt mich aber auch aus den Reserven.
Wie hilft Plan in den vom Ebola-Virus betroffenen Ländern?
Aktuell haben wir in Liberia, Sierra Leone und Guinea – zusätzlich zu unseren bestehenden lokalen Teams – 15 Spezialisten, die vor Ort tätig sind. Plan führt Informationskampagnen durch – u.a. über Radiosendungen – und liefert medizinische Hilfsgüter zur Behandlung von Ebola-PatientInnen. Ein grosses Anliegen von Plan ist der Kinderschutz: wir betreiben Versorgungszentren, in denen Kinder, die ihre Eltern durch Ebola verloren haben, Schutz und Zuflucht finden, bis für sie ein festes Zuhause gefunden ist.
«Ebola rafft Leben weg, bremst Jahrzehnte lange Aufbauarbeit und destabilisiert ganze Regionen – das tut weh.»
Andreas Herbst, Geschäftsführer Plan International Schweiz
In welchen Gebieten der Erde ist Plan hauptsächlich aktiv?
Plan International ist in 51 Ländern und in 3 Kontinenten mit 8400 Mitarbeitende und hunderten von Partnerorganisationen als globale Organisation der Entwicklungszusammenarbeit aktiv. Unser besonderes Augenmerk liegt auf der Förderung von Mädchen und der Mitwirkung der nächsten Genrationen.
Welches sind die Schwerpunktländer von Plan Schweiz?
In Burkina Faso, Niger, Mali, Nepal, Vietnam, El Salvador und Guatemala, also in Westafrika, Asien und Zentralamerika laufen unsere Bildungs-, Kinderschutz und Mädchenförderungsprojekte.
Welches sind die grössten Benachteiligungen, denen Mädchen in vielen Ländern Afrikas, Lateinamerikas und Asiens ausgesetzt sind?
Mädchen sind ein eigentlicher Motor der Entwicklungszusammenarbeit und trotzdem haben sie systematisch weniger Zugang zu Bildung, Gesundheitsversorgung und sind Gewalt ausgesetzt. Das muss sich ändern!
«Wie in der Schweiz brauchen auch im Süden gesellschaftliche Veränderungen mehrere Generationen.»
Wie schwer ist es, Benachteiligungen und Herausforderungen positiv zu beeinflussen, die aufgrund von Traditionen und seit langer Zeit bestehenden sozialen Normen entstanden sind?
Wie in der Schweiz brauchen auch im Süden gesellschaftliche Veränderungen mehrere Generationen. Durch unsere konsequente Ausrichtung der Projekte auf die Bedürfnisse der Bevölkerung und dank der Mitwirkung der Jugend kann man gute, beschleunigende Hebel in Gang setzen. Nicht zu vergessen ist die Tatsache, dass dank Fortschritten in der Bildung heute lokal hochqualifizierte Kader vorhanden sind.
Wie arbeitet Plan konkret vor Ort an der Verbesserung der Lage der Mädchen?
Ein Beispiel: In Burkina Faso und Nepal fördern wir die Grundausbildung der Mädchen, in Mali bekämpfen wir die Beschneidungspraktiken, in Niger gehen Mädchen in die Schule statt in die (viel zu frühe) Ehe, in El Salvador bilden wir junge Frauen im Hotelfach aus und in Nepal retten wir Haussklavinnen. Wir beschäftigen fast ausschliesslich lokale Mitarbeitende, welche den Plan-Ansatz der Kindesförderung umsetzen können, sind gut organisiert und beurteilen die Effizienz und Wirkung von jedem Projekt.
Welche Ziele verfolgt Plan mit der Kampagne «Because I am a Girl»?
Ganz konkret unterstützen wir bis 2016 weltweit zusätzlich vier Millionen Mädchen in ihrer Bildung, trainieren 40 Millionen Mädchen und Jungs in Kinderrechten und Gleichberechtigungskursen und beeinflussen die Gesetzgeber zwecks Verbesserung des Rechtsschutzes von Mädchen und jungen Frauen.
Welche Erfolge konnte Plan in den letzten Jahren im Kampf gegen die Benachteiligung von Mädchen erreichen?
Nur drei Beispiele: über 100 Staatschefs haben 2014 unserer Politik gegen Früh- und Kinderheirat zugestimmt. Dies ist die Voraussetzung zur Umsetzung der konkreten Projekte. Die Kampagne in Mali gegen Mädchenbeschneidung hat die Beschneidungsrate von 95% auf 60% gesenkt und wir hören natürlich nicht auf. Kamalari-Sklavenmädchen in Nepal gibt es fast nicht mehr. Die Mädchen gehen jetzt zur Schule.
In der Schweiz hat Plan Schweiz in einer Vorstudie eine Renaissance traditioneller Geschlechterrollen bei Mädchen festgestellt. Worauf beruht diese Einschätzung?
Wir haben in sieben Ländern 7200 Mädchen und junge Frauen befragt und gelernt, dass allgemein ein Wandel der nächsten Generationen zu mehr Selbstbestimmung und Freiheit stattfindet. Der Weg ist noch steinig und lang – aber der Weg wird gegangen. Im Gegensatz dazu hat die Studie der Fachhochschule Ostschweiz gezeigt, dass Mädchen in der Schweiz ab 12 sich wieder vermehrt an traditionellen Frauenbildern orientieren. Das hat uns erstaunt!
«Wie in der Schweiz brauchen auch im Süden gesellschaftliche Veränderungen mehrere Generationen.»
Welche Massnahmen fordert Plan Schweiz als Antwort auf diese Entwicklung?
Die Forderung nach einer Kampagne, welche den Mädchen und jungen Frauen etwas anderes als angepasste oder pseudorebellische Popstars, sondern starke Frauen aus der Schweiz als Rollenbilder nahebringt, wäre schon mal ein guter Ansatz. Besonders gefordert ist auch die Männerwelt.
Die Menschen hierzulande können Ihre Projekte mit Spenden, Patenschaften oder Kooperationen unterstützen. Was würden Sie sich darüber hinaus erhoffen?
Ich erhoffe mir nicht nur duldende Toleranz gegenüber anderen Ethnien und Kulturen sondern eine aktive Auseinandersetzung mit allen Chancen einer globalisierten Wirtschaft und einer globalen Solidarität. Kurz: Engagement.
In drei Tagen ist Weihnachten – was ist ihr grösster Wunsch?
Die Finanzierungszusage für ein wirkungsvolles Projekt zu Gunsten tausender junger Frauen in Niger gegen Zwangs- und Frühverheiratung noch vor Weihnachten zu erhalten. Und ja –ein Pause mit meiner Familie.
Herr Herbst, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Andreas Herbst, Geschäftsführer Plan Schweiz
«Ich arbeite seit 15 Jahren in der Entwicklungszusammenarbeit und habe Beiträge in Afghanistan, nahen Osten, Moldawien und der Schweiz leisten dürfen sowie mich im Kampf gegen Kinderhandel international eingesetzt. Meine Industriekarriere vorher führte mich erfolgreich durch die Photo-, Office Supply- und Verlagsindustrie und 5 Länder.»
Plan International: eine Hilfsorganisation mit langer Erfahrung
Plan ist eine unabhängige Hilfsorganisation, die sich seit über 75 Jahren weltweit für benachteiligte Kinder und ihre Familien stark macht. In unseren Projekten beziehen wir die Kinder konsequent mit ein, von der Planung bis zur Umsetzung und Überprüfung. Plan ist überzeugt, dass Veränderung nur gelingt, wenn Kinder ernst genommen werden, wenn sie ihre Anliegen offen äussern und mitwirken können. Zusätzlich zu den Projekten vor Ort setzt sich Plan weltweit dafür ein, dass die Rechte und Interessen der Kinder auch auf politischer Ebene gestärkt werden. Einen besonderen Fokus legt Plan auf die Förderung von Mädchen, weil diese oftmals am stärksten unter der Armut und deren Folgen leiden.
Die Plan Vision: «Wir arbeiten für eine Welt, in der sich Kinder frei entfalten und entwickeln können – in einer Gesellschaft, welche die Würde und Rechte der Menschen respektiert.»