Andreas Hunziker, CEO der ZFV-Unternehmungen (Foto: ZFV)
von Bob Buchheit
Moneycab.com: Herr Hunziker, 1975, also 81 Jahre nach der Gründung, wurde erstmals überhaupt ein Mann Geschäftsleiter beim ZFV. Sind Sie heuer der «Alibimann» in einer Frauengesellschaft?
Andreas Hunziker: Ein Quotenmann, meinen Sie? Ha. Nein, da muss ich Sie enttäuschen. Wir haben beim ZFV ein sehr ausgewogenes Geschlechterverhältnis. In unserer Geschäftsleitung sitzen vier Männer und eine Frau. Im Verwaltungsrat ist es genau umgekehrt. Auf den übrigen Kaderstufen beträgt das Verhältnis fast 50:50. Die zurzeit viel diskutierte, staatlich verordnete Quotenregelung würde für uns also kein Problem darstellen. Auf diese Ausgewogenheit sind wir stolz, und wir wollen sie auch in Zukunft pflegen.
Wie ist denn die Einstellung des einstigen «Frauenverein für Mässigkeit und Volkswohl» zum Alkohol? Der durfte ja erst mehr als 100 Jahre nach Unternehmensgründung ausgeschenkt werden.
Richtig, das strikte Alkoholverbot in unseren Restaurants wurde erst 2001 aufgehoben. Mit diesem Schritt haben unsere Genossenschafter lange gerungen. Am Ende setzte sich aber die Sichtweise durch, dass die Führung alkoholfreier Restaurants im 21. Jahrhundert nicht mehr das probate Mittel sei, um den Alkoholkonsum in unserer Gesellschaft zu senken.
Das heisst?
Heute setzen wir auf Prävention und unterstützen mit unserem Sozial- und Kulturfonds Institutionen, die sich für die Bekämpfung des Alkoholismus einsetzen. Damit ist das Thema aber nicht aus unseren Betrieben verschwunden. Wir gehen generell zurückhaltend mit Alkohol um – der Umsatzanteil beträgt keine 5 %. Ausserdem interpretieren wir diese Unternehmenswurzel etwas breiter als früher und beziehen sie auf die Suchtproblematik und Gesundheitsthemen generell. Ich denke da beispielsweise an die zunehmende Anzahl übergewichtiger Kinder und Erwachsener. Hier können wir als Gastgeber in Personalrestaurants und Schulmensen ganz konkret etwas zu einer gesunden Ernährungsweise beitragen.
«Bei uns gibt es Parallelen zur Migros. Beide Unternehmen wurden von prägenden, visionären Persönlichkeiten gegründet.»
Andreas Hunziker, CEO der ZFV-Unternehmungen
Kann man den ZFV als Migros unter den Cateringunternehmen bezeichnen?
Es gibt sicherlich Parallelen zur Migros. Beide Unternehmen wurden von prägenden, visionären Persönlichkeiten gegründet, haben eine alkoholfreie Vergangenheit und agieren als Genossenschaften erfolgreich am Markt. Dennoch unterscheiden wir uns vom orangen Riesen. Wir sind klein, wendig und setzen nicht primär auf Masse, sondern fokussieren massgeschneiderte Konzepte. Jedem unserer Betriebe geben wir sein eigenes Gesicht. Unser Anspruch ist es, die Vorteile, die eine Unternehmensgruppe mit garantierten Qualitätsstandards bietet, mit den Pluspunkten eines individuell und persönlich geführten Einzelbetriebs zu verbinden. Eine zentrale Rolle spielen dabei unsere Gastgeber vor Ort. Wir sagen immer: Unsere Betriebsleitungen sollen ihre Betriebe so führen, wie wenn es ihre eigenen wären. Das sorgt für ein hohes Mass an Identifikation und macht den ZFV-Spirit aus.
Wie ist denn Ihr Verhältnis zu weiteren Platzhirschen wie beispielsweise Gate Gourmet oder Candrian Catering?
Unser gesamtes Umfeld, sei es die Gastronomie, die Hotellerie oder die Bäckerei-Konditoreibranche, ist wettbewerbsintensiv und befindet sich in einem steten Wandel. Gate Gourmet und Candrian Catering sind zwei von vielen Mitbewerbern, gegen die wir uns in einem dynamischen Markt behaupten müssen. Wir sehen dies als unsere tägliche Herausforderung, die uns fit hält, und pflegen mit unseren Marktbegleitern einen partnerschaftlichen sowie fairen Umgang. Am Ende haben wir ja auch gemeinsame Brancheninteressen, die es zu vertreten gilt.
Neben ein paar grossen gibt es in der Cateringbranche zahllose kleine Betreiber. Wann ist so ein Kleiner als Übernahmeziel interessant?
Für uns ist entscheidend, dass eine Neuakquisition zu unserem bestehenden Portfolio passt beziehungsweise dieses spannend ergänzt und unserem Unternehmen neue Impulse gibt. Auch finanziell muss eine Übernahme Sinn machen.
«Ja, wir wollen weiter wachsen. Aber nicht um jeden Preis.»
In den letzten Jahren ist der ZFV eben durch Übernahmen stark gewachsen. Welcher Betrieb entwickelt sich am dynamischsten?
Mit dem Kauf der vier Zürich-Hotels 2012/13 – dem Hotel Aarauerhof in Aarau, Sonnental in Dübendorf, Arte in Spreitenbach und Rex in Zürich – haben wir sicher einen speziellen Akzent gesetzt. Damit hat der ZFV die grösste Akquisition in der Firmengeschichte getätigt und seine Hotelgruppe, die Sorell Hotels Switzerland, markant auf 17 Häuser ausgebaut. Auch die Gastronomie mit den Personalrestaurants und Mensen sowie öffentlichen Restaurants entwickelt sich erfreulich. Hier einen einzelnen Betrieb zu nennen, fällt mir schwer, weil ich dann zu vielen anderen nicht gerecht würde.
Bleibt es bei Ihrer Schätzung bei Ihrem Amtsantritt, 2018 300 Millionen Franken Umsatz zu erreichen?
Ja, wir wollen weiter wachsen. Aber nicht um jeden Preis. Unserem Unternehmen geht es heute so gut, weil wir gesund und nachhaltig gewachsen sind. Das soll auch in Zukunft so bleiben. Mit 300 Millionen Franken haben wir uns sicher ein ehrgeiziges Ziel gesetzt. Doch ehrgeizige Ziele spornen an, animieren zum Querdenken und fördern den Erfolg.
Wie sehr kann da der starke Schweizer Franken das Spiel verderben? Sie haben ja mit den erwähnten Sorell Hotels Switzerland auch eine grosse Hotelkette.
Der starke Schweizer Franken ist eine grosse Herausforderung für die Hotellerie und den Tourismus generell. Mit Ausnahme einzelner Betriebe spüren wir beim ZFV bislang zwar noch keine massiven Auswirkungen, dennoch schätzen wir die Situation vorsichtig ein. Auf alle Fälle sind wir gefordert, unsere Angebote weiter zu optimieren. Dies machen wir zum Beispiel in unseren Sorell Hotels, wo wir momentan sehr viel in die Qualität und die Gastfreundschaft der Betriebe investieren. Auch unser Vertriebssystem wird an die zukünftigen Distributionsansprüche angepasst und die Prozesse werden effizienter gestaltet. Mit solchen Massnahmen können wir uns auch mittel- bis langfristig den Erfolg sichern. Und bei all unseren Gedanken und Massnahmen müssen wir immer wieder den Gast ins Zentrum stellen. Ich bin überzeugt: Nur mit einem qualitativ überzeugenden Produkt und einer Top-Gastfreundschaft kann sich die Schweiz mit ihrem hohen Preisniveau auf dem internationalen Markt langfristig behaupten.
Welche Rolle spielen die vielen gewonnenen Gastro-Awards in Ihrem Marketing Mix?
Awards haben eine Wirkung sowohl nach aussen, als auch nach innen. Nach aussen bringen sie uns Visibilität und belegen unsere Fähigkeiten als Qualitätsanbieter oder attraktiver Arbeitgeber. Nach innen ist die Teilnahme an solchen Wettbewerben ein Ansporn für unsere Mitarbeitenden. Eine Auszeichnung ist eine wichtige Anerkennung für ihre Leistung.
«Dank des von uns gepflegten, regional ausgerichteten Mehrlieferantensystems hielt sich das Ausmass des Carna-Grischa-Skandals für uns glücklicherweise in Grenzen.»
Sie wurden auch Opfer von Carna Grischa. Wie kann man sich vor Lebensmittelfälschungen schützen? Sie können ja wohl kaum jede einzelne Lieferung testen…
Dank des von uns gepflegten, regional ausgerichteten Mehrlieferantensystems hielt sich das Ausmass des Carna-Grischa-Skandals für uns glücklicherweise in Grenzen. Nur wenige Betriebe waren betroffen. Und dennoch stellt sich uns die Frage, was wir dazu beitragen können, damit sich so etwas nicht wiederholt. Tragen wir doch gegenüber unseren Gästen eine Verantwortung und wollen ihnen bieten, was wir versprochen haben. Fest steht, dass wir auch in Zukunft auf langfristige, faire Lieferantenbeziehungen setzen und einen intensiven Austausch mit unseren Partnern pflegen wollen. Besonders heikle Produktkategorien werden speziell unter die Lupe genommen. Auch zusätzliche Laborkontrollen stehen zur Diskussion. Eine Garantie gibt es leider trotzdem nicht.
Sie kochen selber auch sehr gerne. Verraten Sie uns Ihr augenblickliches Leibgericht?
Wenn ich Zeit habe, koche ich gerne mehrgängige Menüs. Dies ist für mich Musse und Entspannung zugleich. Im Alltag und besonders mit drei kleinen Töchtern muss es aber vor allem schnell und unkompliziert zu und her gehen. Mit Appenzeller Chäshörnli kann ich bei meiner Familie immer punkten. Und bei mir selber kommen mit diesem Gericht immer wieder Heimatgefühle auf.
Zur Person:
Andreas Hunziker, Jahrgang 1977, verheiratet, Schweizer Staatsbürger und Vater dreier Töchter, ist diplomierter Hotelier und Restaurateur. 2001 als Assistent der Gruppenleitung in die ZFV-Unternehmungen eingetreten, übernahm er bereits 2002 als Gruppenleiter und Mitglied der erweiterten Geschäftsleitung eine zentrale Rolle im Unternehmen. 2007 wurde er zum Mitglied der Geschäftsleitung befördert. Bevor Andreas Hunziker CEO wurde, war er während vier Jahren Leiter Gastronomie. 2012 absolvierte der gebürtige Appenzeller ein Diplomstudium in Führung und Management an der Boston University und diverse Weiterbildungskurse in Hospitality Management an der Cornell University in den USA. Seit dem 1. Januar 2013 ist er CEO des ZFV. Die ZFV-Unternehmungen sind ein schweizweit tätiges Hotellerie-, Gastronomie- und Bäckerei-Konditoreiunternehmen mit über 2’500 Mitarbeitenden. 2014 wurde ein Gesamtumsatz in der Grössenordnung von CHF 237 Millionen erzielt.
Zum Unternehmen:
Der ZFV ist ein Schweizer Unternehmen mit den Tätigkeitsschwerpunkten Hotellerie, Gastronomie und Bäckerei-Konditorei. Die traditionsreiche Genossenschaft führt sowohl Stadt- und Ferienhotels als auch Gourmet-, Trend- und Ausflugsrestaurants. Firmen, Schulen, Stadien, Messen, Flughäfen und Eventveranstalter und weitere Institutionen schätzen sie ebenfalls als kompetenten Cateringpartner mit Innovationspotenzial. Auch mit hausgemachten Back- und Konditoreispezialitäten kann der ehemalige „Frauenverein für Mässigkeit und Volkswohl“ aufwarten. Über 2’500 engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgen vom Genfer- bis an den Bodensee tagtäglich für ganz persönliche Verpflegungsgenüsse und Hotelleriedienstleistungen.