Angelo Buscemi, Country Manager Adobe Schweiz.
Von Helmuth Fuchs
Moneycab: Herr Buscemi, Adobe hat Day Software Ende Oktober 2010 übernommen, Sie haben als ehemaliger Day-Manager im September die Funktion als Country Manager Schweiz bei Adobe angetreten. Was hat sich für Sie grundlegend verändert in der neuen Konstellation, was wurde besser, wo trauern Sie den Day-Tagen nach?
Angelo Buscemi: Die Übernahme durch Adobe ist eine Erfolgsgeschichte für beide Seiten, da sich die Day-Technologie nahtlos in das Produktportfolio von Adobe einfügt. Für uns bedeutete die Übernahme, dass wir mehr Ressourcen zur Verfügung haben und auf ein starkes Netzwerk zurückgreifen können. Gleichzeitig ist unser Angebot sehr viel attraktiver geworden. Unser Web-Experience-Management-Tool CQ ist nun in der Adobe Digital Marketing Suite integriert. Neben der Distribution der Inhalte über CQ auf alle Kanäle – von PC über Tablet bis Smart Phone – bietet die Digital Marketing Suite eine umfassende Lösung für digitale Inhalte. Ein so umfassendes Angebot hätten wir damals bei Day unmöglich stemmen können.
«Traditionell folgt Europa – und damit auch die Schweiz – den Entwicklungen in den USA etwas später nach. In Übersee können wir beobachten, dass die Budgets für Online-Aktivitäten rasant wachsen.» Angelo Buscemi, Country Manager Adobe Schweiz
Für Adobe wiederum ist die Expansion ins digitale Marketing die logische Weiterentwicklung des Unternehmens. Während mit den Kreativ-Werkzeugen wie Photoshop, Illustrator oder InDesign Inhalte erstellt werden, bietet die Digital Marketing Suite nun die Tools, um diese Inhalte auf die verschiedenen Kanäle zu verteilen und gleichzeitig zu messen, wie gut diese Inhalte bei den Kunden ankommen und ob sie sich lohnen (so ist mit SiteCatalyst eine Anwendung für Web-Analyse und Erfolgsmessung enthalten und SocialAnalytics erlaubt die Analyse der vielfältigen Social-Media-Kanäle). Unter dem Vierklang: «Make, Manage, Measure, Monetize» kann Adobe nun den gesamten Zyklus von der Erstellung der Inhalte und deren Distribution über die Erfolgsmessung bis hin zur Monetarisierung abdecken.
Im Gegensatz zu früher sind die Entscheidungsprozesse nun natürlich etwas langsamer. Eine kleine Entität, wie es Day Software war, ist in dieser Beziehung natürlich schneller und flexibler.
Vor allem auch durch Akquisitionen hat sich Adobe gut positioniert für die Erstellung, Bearbeitung und Verbreitung digitaler Inhalte und Medien, und die dann folgende Vermarktung dieser Inhalte. Wo sehen Sie in der Schweiz das grösste Potenzial in dieser Prozesskette?
Traditionell folgt Europa – und damit auch die Schweiz – den Entwicklungen in den USA etwas später nach. In Übersee können wir beobachten, dass die Budgets für Online-Aktivitäten rasant wachsen. Laut einer Studie von Forrester Research werden bis 2014 mehr als ein Fünftel der Marketingbudgets von Unternehmen auf Aktivitäten im Online-Umfeld entfallen. In den USA wird dieser Anteil bis 2016 mit geschätzten 77 Milliarden US-Dollar genauso hoch sein wie die Ausgaben für TV-Werbung. Auch in der Schweiz werden demnach die Aktivitäten und Budgets im Online-Bereich kontinuierlich wachsen. Digitales Marketing befindet sich noch im Entwicklungsstadium. Während anfangs noch die Distribution der Inhalte auf die verschiedenen Kanäle im Zentrum stand, sind heute die Themen «Mobile» und «Social» brandaktuell. In Zukunft wird aber die Erfolgsmessung immer wichtiger werden. Die Marketingverantwortlichen im Unternehmen, aber auch externe Agenturen, werden zeigen müssen, welchen Return On Investment (ROI) die eingesetzten Online-Budgets gebracht haben. Adobe sieht in grosses Potential im Bereich dieser Evolution und ist mit dem Produktportfolio bestens auf diese Entwicklung vorbereitet.
«Für Adobe ist die Technologie, die wir bei Day entwickelt hatten, strategisch wichtig und eine dementsprechende Wertschätzung wurde uns auch entgegengebracht.»
Day war eine Schweizer Erfolgsgeschichte rund um ein relativ kleines Team von talentierten Software-Entwicklern. Wie hat sich die Übernahme durch die amerikanische Adobe auf die Kultur und die Leute ausgewirkt?
Für Adobe ist die Technologie, die wir bei Day entwickelt hatten, strategisch wichtig und eine dementsprechende Wertschätzung wurde uns auch entgegengebracht. Das zeigt sich unter anderem daran, dass nach der Akquise mit ganz wenigen Ausnahmen alle Day-Mitarbeiter unter das Dach von Adobe gewechselt sind. Das Know-how der Firma konnte so erhalten bleiben, was auch für Adobe ein zentrales Anliegen war. Als Teil einer grossen, amerikanischen Firma haben sich natürlich im Vergleich zu früher die Verantwortlichkeitsstrukturen verändert, in Bezug auf die Kultur aber ist sich vieles gleich geblieben. Adobe pflegt eine Entwickler-Kultur und ist innovationsgetrieben, was sich mit der Mentalität deckt, die wir bei Day gepflegt haben. Vielmehr stelle ich mit Freude fest, dass sich die Prämisse, auf Standards basierende Software zu entwickeln, als Erbe von Day bei Adobe etabliert hat.
Bei einer solch umfassenden Produkte-Palette, wie sie Adobe inzwischen aufweist, sind Near- und Offshore-Entwicklungszentren fast unumgänglich. Wie sieht hier Adobes Strategie aus und was heisst das für den Entwicklungsstandort Basel?
Adobe unterhält schon lange mehrere Entwicklungszentren. Als Basel hinzugekommen ist, war diese Strategie also bereits etabliert. Der Standort in Basel ist für Adobe aber zentral und fungiert als internationaler «Hub». So trägt Basel zum Beispiel die Verantwortung für einzelne Nearshore-Aktivitäten in Europa. Das Entwicklungszentrum am Rhein wächst. Wir werden den Standort auch in Zukunft noch weiter ausbauen können und sind immer auf der Suche nach guten Entwicklern für unser Basler Technologie-Zentrum.
Bei Day fand in den letzten Jahren das Wachstum vor allem auch durch den Gewinn grosser ausländischer Kunden statt. Wo sehen Sie für die Schweiz die grössten Wachstumsmöglichkeiten, wie möchten Sie das Segment der KMU erschliessen?
Auch KMUs sind mittlerweile im Online-Marketing aktiv. Das beginnt mit Google AdWords und Bannerwerbung und geht weiter über Social-Media-Aktivitäten und mobile Angebote. Eine kürzlich von der Fachhochschule Nordwestschweiz durchgeführte Studie zeigt, dass E-Commerce und Online-Marketing bei den Unternehmen höchste Priorität geniessen und grosses Umsatz-Potential bergen. Das stelle ich auch im täglichen Kontakt mit unseren Kunden fest. Der Bedarf ist nach wie vor gross, was sich auch an den gut besuchten Informationsveranstaltungen zeigt, die wir in der Schweiz organisieren. Tatsächlich haben wir auch bereits einige KMUs in unser Portfolio aufnehmen können. Da die gesamte Adobe Digital Marketing Suite in der Cloud verfügbar ist, wird das Angebot auch für KMUs zunehmend interessant, da keine teuren Investitionen in die Infrastruktur mehr notwendig sind.
«Doch was ist ein Facebook-Fan letztendlich wert? Hat die Social-Media-Kampagne tatsächlich mehr Umsatz generiert oder doch nur Geld verschlungen?»
Software-as-a-Service (Saas) oder Cloud Computing sind immer beliebtere Möglichkeiten, die Investitionen in eigene Informatik-Infrastrukturen zu vermeiden. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung und wie beeinflusst sie das Angebot von Adobe?
Cloud Computing oder Software-as-a-Service ist die logische Entwicklung in der IT-Branche und zeichnet sich nun schon seit einigen Jahren ab. Der Einfluss dieser Technologie ist dementsprechend gross und die Mehrheit der Software-Anbieter wird sich dieser Entwicklung anpassen müssen. Adobe bietet ab Juni die gesamte Digital Marketing Suite als Software-as-a-Service an. Nicht nur kleine und mittlere Unternehmen, sondern auch immer mehr grosse Firmen machen davon Gebrauch, denn so lassen sich teure Investitionen in die Infrastruktur vermeiden. Die Technologie ist mittlerweile auch so weit, dass die Angebote genauso effizient und schnell arbeiten, wie lokale Installationen.
Die Sozialen Medien revolutionierten den Gebrauch des Internets für die Benutzer auf vielfältigste Weise, von der Erstellung bis zur Publikation der Inhalte. Was waren bis anhin die wichtigsten Auswirkungen auf das Angebot von Adobe?
Die Sozialen Medien sind zweifellos ein wichtiger Kommunikationskanal geworden und viele Unternehmen haben diesen Kanal für sich entdeckt. Dabei steht bisher vor allem das Monitoring der Sozialen Medien im Vordergrund. Adobe ist mit einer Kombination verschiedener Technologien auf die Herausforderungen und Chancen der Sozialen Medien bestens vorbereitet. Die Integration von Omniture und Efficient Frontier in die Digital Marketing Suite erlaubt unseren Kunden die Bewirtschaftung und das Monitoring der Social-Media-Kanäle und ermöglichen zudem eine Erfolgsmessung der Massnahmen. Erstaunlicherweise wird nach wie vor der Erfolg einer Facebook-Kampagne an der Anzahl der «likes» oder der «Fans» sowie der Erfolg eines YouTube-Videos an der Anzahl «views» gemessen. Doch was ist ein Facebook-Fan letztendlich wert? Hat die Social-Media-Kampagne tatsächlich mehr Umsatz generiert oder doch nur Geld verschlungen? Das werden die Fragen sein, mit denen sich die Marketing-Verantwortlichen und Werbe-Agenturen in Zukunft konfrontiert sehen werden. Die Digital Marketing Suite von Adobe kann darauf mit Applikationen wie «Adobe Social» Antworten liefern.
Sie sind für die Geschäfte Adobes in der Schweiz, Liechtenstein und Österreich zuständig. Gibt es grundlegende Unterschiede in der geschäftlichen Kultur und dem Umgang mit den Mitarbeitenden?
Software-Entwicklung ist ein internationales Geschäft und operiert mit internationalen Standards. Mir fallen keine grundlegenden Unterschiede in der geschäftlichen Kultur und dem Umgang mit den Mitarbeitenden auf, da wir als Team tatsächlich sehr international vernetzt sind und auch so agieren. Die Marktsituation ist allerdings von Land zu Land verschieden und es gibt überall spezielle Eigenheiten zu beachten.
Schweizer Manager haben oft das Image, zwar gut ausgebildet, international aber wenig durchsetzungsfähig zu sein. Wie beurteilen Sie das aus Ihrer Sicht, können sich die Schweizer Manager innerhalb der Adobe genügend Gehör verschaffen?
Schweizer Manager können sich durchaus genügend Gehör verschaffen – zumindest erlebe ich das so. Adobe hört sehr genau auf die lokalen Manager und weiss die Kenntnisse zu schätzen, die diese über ihre Märkte einbringen können. Dazu gehört, dass die Country Manager in der Lage sind, sich in die Marktsituation der Länder einzudenken und ihre Sichtweise und Analyse dann im Unternehmen einzubringen. Selbstverständlich kann ein global tätiges Unternehmen nicht immer auf alle Befindlichkeiten und Spezialitäten einzelner Länder eingehen. Hier kommt die Schweizer Tugend zum Tragen, mehrheitsfähige Kompromisse zu finden und diese dann auch in einem internationalen Umfeld durchzusetzen.
Adobe hat ein reichhaltiges Angebot für Apple-Geräte, unter anderem neu auch einen Content Viewer für das iPhone. Wie wichtig sind die Apple-Geräte für das Adobe-Geschäft und wann werden Flash-Inhalte problemlos auf iPhone und iPad abspielbar sein?
Apple ist gerade im Bereich der Smartphones und Tablets natürlich ein wichtiger Player im Markt und daher auch für Adobe wichtig. Flash-Inhalte sind auch problemlos auf iPhone und iPad abspielbar – mit einer Ausnahme: Flash wird im mobilen Browser von Safari nicht unterstützt. Mit den Entwicklungen rund um HTML 5 hat sich Adobe auch entschieden, Flash für mobile Browser generell nicht weiter zu entwickeln. Leider wird oft übersehen, dass Flash nicht nur im Browser genutzt werden kann. Mit Adobe AIR lassen sich Flash-basierte Apps für alle massgeblichen Geräte entwickeln. Gerade in der Entwicklung von Spiele-Apps für mobile Geräte aber auch für Desktop-Applikationen wird Flash verbreitet eingesetzt. So hat beispielsweise der Game-Entwickler Epic auf der letzten MAX eine Spiele-Demo auf Basis der Unreal Engine in Flash gerendert auf dem Desktop gezeigt. Ein grosser Vorteil beim Einsatz von Flash für die Umsetzung von Apps besteht darin, dass eine einzige Code-Basis für alle Systeme verwendet werden kann. Es ist also nicht nötig, die gleiche App für iOS, Android und alle weiteren Betriebssysteme zu entwickeln. Die gleiche App kann mittels AIR für alle Plattformen zur Verfügung gestellt werden und selbst als Desktop- oder Webapplikation verwendet werden, was den Entwicklungsaufwand drastisch reduziert und damit die Kosten enorm senkt. Als weiteres Beispiel ist sicher Zynga erwähnenswert, die ihr Facebook-Game Ruby Blast ebenfalls mit Flash-Technologie entwickeln.
«Leider wird oft übersehen, dass Flash nicht nur im Browser genutzt werden kann. Mit Adobe AIR lassen sich Flash-basierte Apps für alle massgeblichen Geräte entwickeln.»
Adobe stellt in der Prozesskette Anwendungen für die Erstellung, Vermarktung und Analyse von digitalen Inhalten zu Verfügung. Gibt es noch Lücken, die in nächster Zeit durch neue Produkte geschlossen werden?
Im Sinne unserer Kunden arbeitet Adobe kontinuierlich auch mit Hilfe verschiedener Partner daran, das Angebot und die Produkte zu erweitern und zu verbessern. Beispielsweise können wir durch unsere neue Commerce API einfach Online-Shops integrieren und aktuell haben wir eine erfolgreiche Partnerschaft mit Hybris aufgebaut, einem führenden Anbieter von e-Commerce Plattformen. Was Adobe in Zukunft noch intensiver angehen wird, ist die verstärkte Integration verschiedener Werbeformen. Insbesondere im Bereich der TV-Werbung sehen wir ein enormes Potential, gerade auch deshalb, weil sich die Verbreitung von TV mehr und mehr auf das Internet verschiebt. Hier werden ganz neue und innovative Formen personalisierter Werbung möglich. Das Angebot «Primetime Simulcast» von Adobe ermöglicht es Medienunternehmen, ihre Sendungen DRM geschützt zeitgleich online auf mobile Geräte unter iOS und Android sowie alle gängigen Browser zu übertragen und integrierte TV-Werbung dabei nahtlos durch dynamisch eingefügte Onlinewerbung zu ersetzen.
Zum Schluss des Interviews haben Sie noch zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?
Mehr Zeit für meine Familie und meine Freunde und die Verbesserung meines Handicaps.
Der Gesprächspartner:
Angelo Buscemi ist Country Manager von Adobe Systems und verantwortet in dieser Position die Geschäftstätigkeiten von Adobe Systems in der Schweiz, in Lichtenstein und in Österreich. Er schloss sich Adobe Systems nach der Übernahme der Day Software an, bei der er die letzten zehn Jahre verschiedene Führungspositionen innehatte. Zuletzt war er dort verantwortlich für das Geschäft in Zentral- und Südeuropa. Herr Buscemi studierte Elektrotechnik und war die letzten 22 Jahre in der Software-Industrie tätig.
Das Unternehmen:
Das 1982 gegründete Unternehmen Adobe Systems ist vor allem für Kreativ-Produkte wie Photoshop, InDesign oder Illustrator sowie den Dokumentenstandard PDF und den Videostandard Flash bekannt. Seit einigen Jahren hat sich Adobe durch die interne Weiterentwicklung und durch strategische Akquisitionen im Bereich «Digital Marketing» ein weiteres Marktsegment erschlossen. So kann das Unternehmen heute grob in zwei grosse Geschäftsbereiche unterteilt werden, die den Grossteil des Umsatzes von 4,2 Milliarden US-Dollar (2011) ausmachen: Digital Media (Creative Suite & Publishing Suite) und Digital Marketing (Digital Marketing Suite).