Anne Wolf, Leiterin Nachhaltigkeit der Schweizerischen Post

Anne Wolf, Leiterin Nachhaltigkeit der Schweizerischen Post
Anne Wolf, Leiterin Nachhaltigkeit der Schweizerischen Post. (Foto: Post)

Anne Wolf, Leiterin Nachhaltigkeit der Schweizerischen Post. (Foto: Die Post)

von Helmuth Fuchs

Moneycab: Frau Wolf, um gleich den regelmässigen Spitzenkandidat für das Unwort des Jahres zu adressieren, was verstehen Sie unter “Nachhaltigkeit”?

Anne Wolf: Für mich persönlich ist Nachhaltigkeit, heute so mit unseren Ressourcen umzugehen, dass auch künftige Generationen ihre Bedürfnisse befriedigen können. Für die Post heisst Nachhaltigkeit, wirtschaftlich, ökologisch und sozial verantwortungsbewusst zu handeln. Damit setzt sie sich für das Wohl von Umwelt und Gesellschaft ein – und auch für ihren eigenen langfristigen wirtschaftlichen Erfolg.

Was hat Sie dazu bewogen, sich gerade bei der Post für das Thema Nachhaltigkeit einzusetzen, wie gross ist das Team, das Sie bei der Post in Ihren Bemühungen unterstützt und über welches Budget verfügt die Post, um das Thema Nachhaltigkeit im Unternehmen umzusetzen?

Die Nachhaltigkeit ist der rote Faden in meinem Lebenslauf, deshalb ist die Stelle bei der Post für mich nur folgerichtig. Bei der Post als drittgrösster Arbeitsgeberin der Schweiz ist der Hebel gross, etwas zur nachhaltigen Entwicklung beizutragen. Wir sind hier auf Konzernebene ein kleines Team mit einer Handvoll Personen. Jedoch arbeiten wir mit Nachhaltigkeitsverantwortlichen sowohl auf Ebene Geschäftsleitung als auch auf operativer Ebene in allen Bereichen der Post. So sind wir mit über 100 Personen innerhalb des Unternehmens in direktem Austausch.

Welche finanziellen Mittel für Nachhaltigkeit eingesetzt werden, ist schwer in einer Zahl zu beantworten, da viele Investitionen – z.B. Prozessoptimierungen – direkt auch auf das Konto der ökologischen Nachhaltigkeit einzahlen, diese jedoch in der Buchführung nicht als solche erfasst werden. Grundsätzlich ist es so, dass wenn sinnvolle Massnahmen identifiziert sind, diese budgetiert werden. Auf Konzernebene gibt es zudem einen Innovations- und Nachhaltigkeitsfonds, aus dem auch Gelder für so genannte Leuchtturmprojekte gesprochen werden. Er beträgt jährlich 1.5 Promille des erwarteten Konzernumsatzes. Weiter investiert die Post die Gelder, die sie aus der Rückverteilung der CO2-Abgabe enthält, vollständig in Klimaschutzmassnahmen – so in diesem Jahr rund 2 Millionen Franken.

«Unser grösster Hebel bezüglich ökologischer Nachhaltigkeit ist in der Mobilität.»
Anne Wolf, Leiterin Nachhaltigkeit der Schweizerischen Post 

Im Spannungsfeld zwischen wirtschaftlichem Erfolg, gesellschaftlicher Verantwortung und ökologischem Handeln, wo setzt die Post konkrete Schwerpunkte zum Thema Nachhaltigkeit, die auch einen Einfluss auf den Erfolg (sprich die Entlöhnung) der Geschäftsleitung haben?

Unsere Schwerpunkte sind strategisch abgeleitet. Beispielsweise beruht unser ökologischer Schwerpunkt auf unserer testierten Treibhausgasbilanz. Aus dieser leitet sich auch das Ziel ab, unsere CO2-Effizienz bis 2016 um 10% zu verbessern (Basisjahr 2010). Dieses Vorhaben ist eines von sechs strategischen Zielen für das ganze Unternehmen.

Die Post bewegt Menschen, Güter, Geld und Informationen. In welchen Bereichen lassen sich aktuell am schnellsten Erfolge erzielen und welches sind die wichtigsten Projekte der Post zum Thema Nachhaltigkeit?

Unser grösster Hebel bezüglich ökologischer Nachhaltigkeit ist in der Mobilität – diese ist für 80% unserer Treibhausgasbilanz verantwortlich. In diesem Bereich wichtige grosse Projekte sind die Umstellung aller Benzinroller in der Zustellung auf Elektroroller und die Schulung der Fahrer in der umweltschonenden Eco-Drive Fahrweise. In der sozialen Nachhaltigkeit setzen wir unter anderem einen Schwerpunkt auf nachhaltige Beschaffung.

Mit jährlich rund 300’000 neuen Kleidungsstücken gehört die Post zu den bedeutenden Bezügern von Arbeitsbekleidung. Dabei setzen Sie auf eine Zusammenarbeit mit der Fair Wear Foundation. Kontrollieren Sie bei den Lieferanten die Einhaltung der Kriterien auch selbst vor Ort oder verlassen Sie sich auf externe Qualitätssicherung?

Wir kennen unsere Lieferkette schon lange sehr gut und haben dieses Bestreben durch den Beitritt zur Fair Wear Foundation bestärkt – als erstes Schweizer Grossunternehmen. So führten wir im 2013 beispielsweise sechs neue Audits und drei Re-Audits durch. Der Anteil am Einkaufsvolumen, der von geprüften Unternehmen bezogen wurde, stieg von 80 auf 87 Prozent unter Berücksichtigung externer Lieferanten. Ohne Berücksichtigung externer Lieferanten werden 96 Prozent unserer Bekleidung von geprüften Bekleidungslieferanten beschafft.

«Inzwischen haben wir bereits über 5000 Elektroroller in Betrieb – in drei Jahren werden es 7500 sein. Damit haben wir bereits heute über 3500 Tonnen CO2 eingespart.»

Die Post betreibt in Europa die grösste Zustellflotte von Elektro-Scootern. Welche CO2- und andere Einsparungen lassen sich damit erzielen und wird Ihre Initiative auch in anderen Ländern aufgegriffen?

Ja, wir wollen bis 2016 alle unsere benzinbetriebenen Roller in der Zustellung mit Elektrorollern ersetzen. Inzwischen haben wir bereits über 5000 Elektroroller in Betrieb – in drei Jahren werden es 7500 sein. Damit haben wir bereits heute über 3500 Tonnen CO2 eingespart. Daneben haben wir aber auch unsere Lärmemissionen substanziell reduziert, und der Zustellbote weckt am Samstag niemanden mehr auf.

Auch die Sicherheit wurde mit den dreirädrigen Elektrorollern optimiert und die Handhabung für das Personal ist benutzerfreundlicher, da die Fahrzeuge nicht mehr aufgeständert werden müssen. Die Postgesellschaften anderer Länder haben schon deutliches Interesse an den Elektrorollern gezeigt, kämpfen jedoch mit gesetzlichen Hürden.

Den CO2-Einsparungen bei den Elektrofahrzeugen steht der steigende Stromkonsum gegenüber. Woher bezieht die Post ihren Strom, wie viel davon ist Ökostrom?

Umgerechnet auf Energieeinheiten braucht ein Elektroroller viel weniger Energie als ein Benzinroller – für den Treibstoff nämlich ungefähr einen Faktor 6 weniger! Dazu kommt, dass der Strom, der die Elektroroller betreibt, zu 100% Ökostrom ist. Strom gilt nur dann als Ökostrom, wenn er besonders umweltschonend produziert wurde und das Label «naturemade star» trägt. Neben Strom aus Windkraft im Jura kauft die Post auch Solarstrom und Strom aus Biomasse. Produziert wird dieser auf Schweizer Bauernhöfen und Kleinbetrieben, die den Strom über die Plattform von Green Energy Marketplace (GEMP) versteigern. Damit ermöglicht es den kleinen Anbietern und dezentralen Produzenten, ihren Ökostrom direkt an grosse Unternehmen wie die Post zu verkaufen.

Als staatliches Unternehmen hat die Post eine spezielle politische Position. Wie aktiv setzt sich die Post bei den politischen Parteien und den Räten für die Definition und Einhaltung von Klimazielen ein?

Die Aktien der Post gehören zu 100% unserem Eigner, dem Bund, von dem wir auch unsere Zielvorgaben bekommen. Der Eigner erwartet in den strategischen Zielen, dass die Post «eine nachhaltigen und ethischen Grundsätzen verpflichtete Unternehmensstrategie» verfolgt. In der Energiestrategie 2050 des Bundes ist auch eine Massnahme verankert, die Bund und bundesnahe Unternehmen zu einer Vorbildfunktion verpflichtet – dies bestärkt unser bisheriges Engagement noch mehr. Zudem sind wir in regelmässigem Austausch mit diversen Stakeholdern und binden deren Bedürfnisse in unser Handeln ein.

«Wir fördern, dass unsere Mitarbeitenden – wenn nicht zu Fuss oder mit dem Velo – mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen.» 

Ein bedeutender Verursacher von CO2 ist der Berufsverkehr. Welche Massnahmen sind bei der Post umgesetzt und geplant, um die Arbeitswege der Mitarbeitenden möglichst kurz zu halten, zu eliminieren oder dann so klimaneutral wie möglich zu gestalten?

Alle Mitarbeitenden der Post bekommen gratis ein Halbtax-Abo oder ein vergünstigtes GA, unsere rund 2000 Lernenden können ein Gratis-GA beziehen. Damit fördern wir, dass unsere Mitarbeitenden – wenn nicht zu Fuss oder mit dem Velo – mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit kommen. Zudem betreibt PubliBike, eine Tochter von PostAuto, das grösste Bikesharing-Netz der Schweiz. Alle Mitarbeitenden können diese Velo gratis benutzen, was sich insbesondere in Städten für kurze Distanzen anbietet. Zudem hat die Flottenmanagerin der Post, Mobility Solutions AG, neu das MoS Move Center lanciert. Das MoS Move Center vereinbart Car-Pooling, eine Mitfahrzentrale und die Daten aller öffentlichen Verkehrsmittel der Schweiz in einer einzigen Online-Plattform. Die Nutzer können Fahrzeuge aus dem Firmenpool reservieren und buchen oder eine Mitfahrt bei einem Kollegen buchen, der ein gleiches oder ähnliches Fahrtziel hat.

Wie steht die Post im internationalen Vergleich da mit ihren Bestrebungen zur Nachhaltigkeit, welche Projekte anderer Postunternehmen würden Sie gerne kopieren?

International orientiert sich die Post an den Zielen der International Post Corporation (IPC), der 25 Postunternehmen aus Europa, Nordamerika und der Asien-Pazifik-Region angehören. Sie strebt an, die CO2-Emissionen bis 2020 absolut um 20 Prozent zu senken (Basisjahr 2008). Beim IPC-Umweltranking erreichte die Post Platz sieben und verbesserte sich so gegenüber dem Vorjahr um drei Ränge.

Das Kopieren von einzelnen Massnahmen erweist sich als schwierig, da alle Postunternehmen sehr unterschiedliche Rahmenbedingungen haben – sei es von der Landesgrösse oder –topografie, von den gesetzlichen Vorgaben oder vom Grundauftrag her. So wollte beispielsweise die belgische Post die gleichen Elektroroller beschaffen wie die Post. Allerdings scheiterte dieses Vorhaben, weil das belgische Gesetz die Anhänger an Dreiradfahrzeugen verbietet. Wir stehen jedoch in regelmässigem Kontakt mit diesen Postgesellschaften und tauschen uns über best practice und neuste Entwicklungen aus.

Wie eng arbeiten Sie mit der Forschung zusammen und welche innovativen Entwicklungen sehen Sie in den kommenden Jahren, welche Sie bei der Post einsetzen können, um die Nachhaltigkeit des Unternehmens weiter zu verbessern?

Wir arbeiten sehr häufig in Forschungsprojekten oder Studien mit. Gerade im Mai hatten wir einen Workshop mit Studierenden zum Thema kollaborative Mobilität. Da haben Studierende aus der Schweiz und dem Ausland unter der Leitung von Experten aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik an einem zweitägigen Workshop „Eckpunkte einer kollaborativen, urbanen Mobilitätsstrategie“ entwickelt. Besonders interessiert sind wir auch an Entwicklungen im Bereich alternativer Fahrzeugantriebe und –treibstoffe.

Zum Schluss des Interviews haben Sie zwei Wünsche frei, wie sehen diese aus?

Ich wünsche mir, dass wir auf dem Markt eine grössere Auswahl an Fahrzeugen mit alternativen Antrieben hätten, die den Bedürfnissen der Post entsprechen. Sie müssen also eine grosse Ladekapazität haben und eine lange Lebensdauer bei einer Nutzung von 20‘000 km pro Jahr. Zudem wünsche ich mir, dass sich nachhaltiges Denken und Handeln in der Schweiz und auf der Welt mehr durchsetzt. Damit würden mehr nachhaltige Produkte und Dienstleistungen nachgefragt werden, die auch befriedigt werden würden.

Zur Person:
Anne Wolf ist seit 2011 Leiterin Nachhaltigkeit der Schweizerischen Post. Ihr beruflicher Werdegang führte sie nach ihrem Studium der Geographie, Germanistik und Pädagogik über Stationen beim Deutschen Entwicklungsdienst in Südamerika, dem Beratungsunternehmen Roland Berger Strategy Consultants, zu einem IT-Dienstleister des Energieversorgers E.ON und zur Munich Re. Dort war sie verantwortlich für die Strategie der Munich Re Foundation. Zugleich absolvierte sie einen MBA mit Thesis zum Stakeholdermanagement der Rückversicherung. Anne Wolf war vor ihrem Eintritt in die Post bei den SBB Beraterin für Corporate Responsibility.

Zur Schweizerischen Post:
Die Schweizerische Post AG ist eine spezialgesetzliche Aktiengesellschaft. Sie erbringt im ganzen Land eigenwirtschaftlich die Grundversorgung für Postdienste und für den Zahlungsverkehr. Die Post befördert jährlich rund 2.2 Milliarden adressierte Briefe, rund 1.9 Milliarden unadressierte Sendungen, fast 1.3 Milliarden Zeitungen und über 112 Millionen Pakete. Sie transportiert jährlich knapp 140 Millionen Reisende per PostAuto und betreut knapp 3 Millionen Kunden bei PostFinance. Als grösstes Logistikunternehmen der Schweiz betreibt die Post ein energieintensives Geschäft. Vor allem bei den Güter- und Personentransporten ist sie heute noch sehr abhängig von fossilen Brennstoffen. Deshalb engagiert sich die Post im Klimaschutz: Unter dem Label «pro clima – Wir handeln heute» sind alle Massnahmen zugunsten des Klimaschutzes gebündelt. Damit hat die Post ihre jährlichen CO2-Emissionen von  2011 bis 2013 um über 18’800 Tonnen reduziert.

Ziel der Post ist, ihre CO2-Effizienz bis 2016 im Vergleich zu 2010 um mindestens 10 Prozent zu steigern. Um dieses Ziel zu erreichen, hält sich die Post an drei Grundprinzipien der CO2-Reduktion: Sie will erstens die Energieeffizienz von bestehenden Fahrzeugen und Gebäuden verbessern (Beispiele: Nachhaltigkeitsstandards für Gebäude, Wärmepumpen, Eco-Drive-Fahrtechnik). Zweitens ersetzt sie bestehende Energieträger durch klimafreundlichere (Beispiele: Elektroroller, Biogasfahrzeuge, Bahn). Zudem bezieht sie bereits seit 2008 ihren Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen, seit 2013 ist dieser «naturemade basic»-zertifiziert. Dritte Priorität hat die Kompensation von Treibhausgasen. Die Post wird auch in Zukunft den wirtschaftlichen Erfolg an soziale und ökologische Ziele knüpfen. Sie ist überzeugt, dass ein verantwortungsvolles Verhalten gegenüber ihren Mitarbeitenden, der Gesellschaft und der Umwelt für den langfristigen Geschäftserfolg entscheidend ist.

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