Ansgar Gmür, Direktor Hauseigentümerverband
Ansgar Gmür, Direktor Hauseigentümerverband HEV.
von Patrick Gunti
Moneycab: Herr Gmür, wenn jemand auf Sie zukommt und Sie fragt, ob er sich in Anbetracht der rekordtiefen Zinsen den Traum vom Eigenheim verwirklichen soll: Was antworten Sie ihm?
Ansgar Gmür: Ein Eigenheim zu erwerben, wenn man es langfristig finanzieren kann, ist immer cool. Hypothekarzinsen und Immobilienpreise stehen miteinander in einer Wechselwirkungen. Tiefe Zinsen bedeutet auch hohe Preise. Der Entscheid für oder gegen die eigenen vier Wände sollte nicht allein aufgrund der Zinssituation getroffen werden. Er hängt stark von der persönlichen Lebenssituation und von der finanziellen Situation der Person ab. Selbstgenutztes Wohneigentum sollte mit einem Zeithorizont von zehn und mehr Jahren gekauft werden und dementsprechend auch langfristig finanziert werden. Gegen den Kauf von selbstgenutztem Wohneigentum zu einem angemessenen Preis spricht auch 2012 nichts.
Es wird viel diskutiert über und noch mehr gewarnt vor der Entwicklung auf dem Schweizer Immobilienmarkt. Klar ist: die Preise steigen. Wie schätzen Sie die aktuelle Entwicklung ein?
Die Preise für Wohnimmobilien werden vorläufig noch weiter steigen. Für 2012 ist keine Änderung an der Zinsfront in Sicht.
Würden Sie von einer Immobilienblase sprechen, die zu platzen droht, oder handelt es sich nur um einen überhitzten Markt in einigen Regionen des Landes?
In den meisten Regionen lassen sich die Preise durch die zugrundeliegenden Treiber (Einkommen, Bevölkerungsentwicklung, Ansprüche, etc.) erklären. Zudem ist in letzten Jahren wohl auch eine tendenzielle Unterbewertung der Immobilien beseitigt worden. Wir sprechen von lokal überhitzten Märkten, nicht von einer schweizweiten Blase.
«Für Eigenheimbesitzer ohne Umzugsabsichten sind die Angebots- oder Transaktionspreise jedoch sowieso relativ. Das Eigenheim kann ungeachtet des geringeren Marktwertes genau gleich weiter bewohnt werden.» Ansgar Gmür, Direktor HEV
Wenn es sich um lokale Überhitzungen wie in Zürich, Genf oder Zug handelt – muss das den Eigenheimbesitzer in Berner Seeland oder im Oberwallis interessieren?
Die Immobilienkrise der 1990er Jahre hat gezeigt, dass die Preise auch in peripheren Regionen nachgeben, wenn sie in den Zentren einbrechen. Die Preiseinbrüche dort waren jedoch weit weniger dramatisch als in den Hotspots. Für Eigenheimbesitzer ohne Umzugsabsichten sind die Angebots- oder Transaktionspreise jedoch sowieso relativ. Das Eigenheim kann ungeachtet des geringeren Marktwertes genau gleich weiter bewohnt werden.
Eine Trendwende beim tiefen Zinsniveau ist nicht in Sicht, die Nachfrage nach Immobilien dürfte vorerst weiter steigen. Was passiert, wenn die Preise fallen?
Solange die Zuwanderung auf diesem hohen Niveau ist, wird nicht viel geschehen, d.h. die Nachfrage ist in einigen Orten höher als das Angebot. Zudem nützt es einem Wohneigentümer wenig, wenn der Preis hinauf, resp. hinunter geht. Ich lebe in meinen vier eigenen Wänden und will kein Haus kaufen oder verkaufen. Mich ärgert es immer sehr, wenn ich dann lese, dass die Wohneigentümer/-innen reicher geworden sind und der Eigenmietwert dann steigt.
«Wir stellen fest, dass einzelne Banken von diesen branchenüblichen Regelungen abweichen, was wir gefährlich finden.»
Da die Schweiz das globale Umfeld nur wenig beeinflussen kann, sind vor allem die Banken und Versicherungen als Kreditgeber in der Pflicht. Die Hypothekarbestände sind allein im letzten Jahr um ca. 5 % gewachsen. Sind die Finanzdienstleister nach Ihren Erfahrungen bei der Kreditvergabe strikt genug?
Der Wettbewerb unter den Banken im Hypothekargeschäft hat zugenommen. Dies ist grundsätzlich positiv für die Hypothekarnehmer, können sie doch dadurch von günstigeren Zinsen profitieren. Die Banken haben jedoch tatsächlich eine wichtige „Gatekeeper“-Funktion. Sie müssen entscheiden, ob eine Person kreditwürdig ist oder nicht. Die Kreditwürdigkeit wird dabei anhand von branchenüblichen Regelungen zur Tragbarkeit bestimmt. Hier stellen wir fest, dass einzelne Banken von diesen branchenüblichen Regelungen abweichen, was wir gefährlich finden.
Nach einer kurzen Stagnation Ende 2011 sind die Angebotsmieten in der Schweiz im Januar um 0,1 Prozent gestiegen. Bei den tiefen Zinsen müssten die Mieten eigentlich fallen. Wieso geht es verhältnismässig lange, bis Mieterinnen und Mieter profitieren können?
Die Angebotsmieten, also die neu ausgeschriebenen oder neu vermieteten Wohnungen reagieren nach wie vor auf die gestiegene Nachfrage infolge der Zuwanderung. Deshalb steigen die Angebotsmieten weiter. Das Bevölkerungswachstum vermag den Effekt der tiefen Zinsen wettzumachen. Längerfristig werden sich jedoch die tiefen Hypothekarzinsen via eine Senkung des Referenzzinssatzes für Mietverhältnisse bemerkbar machen. Dieser reagiert jedoch erst zeitverzögert auf die gegenwärtige Zinssituation.
Die steigenden Immobilien- und Bodenpreise haben auch mit der rasant steigenden Einwohnerzahl der Schweiz zu tun. Es braucht mehr Wohnungen und mehr Wohnfläche, immer mehr Land wird verbaut. Wie kritisch sehen Sie die allseits konstatierte Zubetonierung und Zersiedelung der Schweiz?
Das Bevölkerungswachstum ist wie oben erwähnt ein wichtiger Grund für die steigenden Immobilien- und Bodenpreise. Die steigenden Preise signalisieren dabei die Knappheit des Gutes Boden. Die Arealstatistik relativiert jedoch das Bild der zubetonierten Schweiz. Nur 7% der Schweizer Landesfläche ist Siedlungsgebiet und das inkl. Strassen und Bahnen ! 67% sind Landwirtschaftsland und Wald. Der Rest Seen und Gebirge.
«Die bauliche Verdichtung sollte durch Anreize für höhere Ausnützung und durch eine Liberalisierung der Bauvorschriften in den bestehenden Bauzonen erreicht werden.»
Was sind für Sie die am besten umsetzbaren Massnahmen, den Landverbrauch einerseits, die Zersiedlung andererseits zu stoppen?
Durch eine verdichtete Bauweise in den bestehenden Bauzonen und eine klare Trennung vom Bau- und Nichtbaugebiet. Die bauliche Verdichtung sollte durch Anreize für höhere Ausnützung und durch eine Liberalisierung der Bauvorschriften (Gebäudehöhe, Grenzabstände, etc.) in den bestehenden Bauzonen erreicht werden. Es kann nicht sein, dass man Einfamilienhauseigentümer/-innen vorwirft, sie brauchen zu viel Land und dann die Gemeinden die Ausnützungsziffer bei 30% ansetzt, d.h. man darf keine Zweitwohnung einbauen.
In der Schweiz stehen ungefähr 1,5 Mio Gebäude zur energetischen Sanierung an. Die Sanierung kommt aber nur schleppend voran. Woran liegt es?
Das Nationalfondsprojekt 54 zum Bauwerk-Schweiz hat keinen Sanierungsstau im Wohnungsbau feststellen können. Der Nachholbedarf besteht primär beim Infrastrukturbau. Insofern ist die Zahl von 1.5 Mio. Gebäuden kritisch zu hinterfragen. Neubauten werden heute praktisch durchs Band mit sehr gutem energetischem Standard erstellt. Bei Altbauten sieht die Rechnung für den Eigentümer jedoch grundsätzlich anders aus. Hier lohnen sich Anreizssyteme wie „Das Gebäudeprogramm“, welche die kurzfristig hohen Kosten einer energetischen Sanierung etwas abfedern.
Wie engagiert sich der HEV in diesem Bereich?
Der HEV Schweiz hat sich für die Teilzweckbindung der CO2-Abgabe für energetische Sanierungen im Gebäudebereich stark gemacht sowie den GEAK mitfinanziert. Wir engagieren uns ferner bei der EPImmo, der Energieplattform Immobilien, für eine verbesserte Information über nachhaltige Gebäudesanierungen.
Die Schweizer Bürger/Innen stimmen in diesem Jahr gleich über zwei Bauspar-Vorlagen ab: Einerseits am 17. Juni über die HEV-Initiative „Eigene vier Wände durch Bausparen“, andererseits am 11. März die Bauspar-Initiative der Schweizerischen Gesellschaft zur Förderung des Bausparens. Wie zuversichtlich sind Sie, dass die Initiativen nicht das gleiche Schicksal erleiden, wie 1999 die HEV-Initiative „Wohneigentum für alle“?
„Wohneigentum für alle“ forderte verschiedene steuerliche Massnahmen. Die Initiative befasste sich insbesondere mit dem umstrittenen Thema Eigenmietwert. Das Bausparen kommt in den Vorlagen vom 11. März und 17. Juni nun erstmals alleine zur Abstimmung. Wir rechnen uns deshalb gute Chancen aus.
Der HEV spricht sich gegen die Zweitwohnungsinitiative aus, die ebenfalls am 11. März zur Abstimmung gelangt. Sie sei zu starr und zu radikal. Wie möchte der HEV das Problem der „kalten Betten“ angehen?
Durch eine strikte Umsetzung des neuen Artikels 8, Absatz 2 und 3 im Raumplanungsgesetz, welche seit letztem Sommer, die Kantone zu Massnahmen in diesem Bereich verpflichtet. Das Problem sollen und müssen die Kantone und Gemeinden vor Ort lösen.
Zum Abschluss möchte ich Sie bitten, die nachfolgenden drei Sätze zu vervollständigen:
My Home is – my dream
Mein grösster Erfolg – meine Familie und Gott dankbar zu sein, dass es der Schweiz gut geht.
In 10 Jahren – bin ich pensioniert und habe vielleicht mein Theologiestudium abgeschlossen.
Herr Gmür, ganz herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Ansgar Gmür wurde am 29. November 1953 in Amden SG geboren. Nach der Lehre als Chemielaborant bei Sandoz holte er die Matura auf dem zweiten Bildungsweg nach um anschliessend Ökonomie zu studieren.
Nach dem Studium war er Controller bei Roche und besuchte die Controller-Akademie in München. Anschliessend war er als Sekretär des SGV in Bern tätig. Von 1987-1992 war Ansgar Gmür Vizedirektor beim Verband der Arbeitgeber der Textilindustrie. Zwischen 1992 und 2000 war er als Direktor des Verbandes der Schw. Zellstoff-, Papier- und Kartonindustrie tätig. Im Mai 2000 trat er die Stelle als Direktor des Hauseigentümerverbandes Schweiz an, der nun weit über 310‘000 Mitglieder zählt. Als Chefredaktor ist Ansgar Gmür verantwortlich für die Zeitung „Der Hauseigentümer“ mit einer Auflage von über 300‘000 und einer beglaubigten Leserschaft von fast 600‘000 Personen.
Ansgar Gmür ist verheiratet und Vater von drei erwachsenen Töchtern