Aram Shishmanian, CEO World Gold Council
von Christa Spoerle
Moneycab: Mr Shishmanian, betrachtet man die jüngste Entwicklung des Goldpreises, kommen einem da nicht Zweifel an der Rolle des gelben Metalls als sicherer Hafen in Krisenzeiten?
Aram Shishmanian: Wir würden dagegen halten, dass die einzigartige Fähigkeit von Gold, Vermögen zu erhalten, auch in der jüngsten globalen Krise nicht gelitten hat. Es ist ein konstanter Aufbewahrungsort für einige Investoren gerade in jüngster Zeit geblieben. Zudem war es eine sichere Quelle der Liquidität für diejenigen Investoren, die ihre Positionen abdecken mussten. Und man darf nicht vergessen, dass Gold zwar auf das Niveau von letztem Dezember zurück gefallen ist, aber die Börsen einiger Länder im Laufe des Jahres nicht nur ihre Gewinne abgeben mussten, sondern bis zu 20% hinter ihrer letztjährigen Performance zurückliegen.
Auf längere Sicht ist Gold durchaus in der Lage, Marktrisiken abzufedern. Portfolios, die einen kleineren Goldanteil aufweisen zeigen sich robuster und besser geschützt gegen allgemeine Marktrisiken als solche ohne Gold. Die Renditen erweisen sich als wesentlich stabiler. In einer Welt, die von staatlichen Eingriffen, erhöhten Risiken und Unsicherheiten gekennzeichnet ist, bleibt Gold ein wichtiger Wertaufbewahrungswert, der nicht von politischen Eingriffen und steigender Inflation beeinflusst werden kann.
«Wir sehen durchaus künftiges Interesse für Gold durch die aufstrebende Mittelschicht in China und Indien… und den langfristigen Anlagehorizont der Zentralbanken.»
Aram Shishmanian, CEO World Gold Council
Aus welchen Gründen zeigt der Goldpreis derzeit eine schwächere Performance. Tiefere Ölpreise, der festere USD oder die fehlende Inflation?
Die globale Krise war der wichtigste Einflussfaktor für den steigenden Goldpreis. In den USA gefährden schwache Arbeitsmarkt- und Einkommenszahlen die Hoffnungen auf eine Erholung. In der Euro-Zone bleibt die Schuldenkriese ein dauerhaft destabilisierendes Element. Nicht nur Griechenland gehört zu den Sorgenkindern, sondern auch Spanien und andere Staaten zeigen Probleme. In Grossbritannien wurde die stagnierende Wirtschaftsentwicklung nicht von flankierenden Massnahmen angekurbelt. Investoren flüchten daher vor diesen Symptomen einer weltwirtschaftlichen Krise in sichere Vermögenswerte wie US Treasuries, Gold oder Barmittel. Natürlich haben einige Investoren auch Gold verkauft, um Liquidität zu erhalten. Das hat wesentlich zur Fluktuation der Goldpreise beigetragen.
Wir sehen durchaus künftiges Interesse für Gold durch die aufstrebende Mittelschicht in China und Indien, wo Gold als Anlage oder Schmuck eine lange Tradition besitzt, und den langfristigen Anlagehorizont der Zentralbanken.
Wie entwickelt sich denn die Nachfrage nach Gold. Welcher Sektor wächst denn am deutlichsten Investitionen, Schmuck oder Technologie?
Die Goldnachfrage im 2. Quartal 2012 betrug 990 Tonnen, das waren 7% weniger als die 1065,8 Tonnen im Vorjahr. Dieser Rückgang muss als Normalisierung nach dem aussergewöhnlichen Anstieg im vergangenen Jahr betrachtet werden und als Reaktion auf das veränderte wirtschaftliche Umfeld.
Die anhaltende Euro-Schuldenkrise hat die Erwartungen der Investoren an die kapitalerhaltenden Fähigkeiten von Gold eingetrübt, dafür stiegen die Verkäufe von Barren und Münzen im Jahresvergleich um 15% auf 77 Tonnen im zweiten Quartal. Auch die Zentralbanken als ultimative langfristige Anleger haben ihre Goldreserven aufgestockt, um sich gegen Währungsschwankungen abzusichern.
Sind denn Zentralbanken Nettokäufer von Gold?
Ja, der offizielle Sektor kaufte 2010 erstmals mehr Gold, als verkauft wurde. Und dieser Trend hält seither an. Im zweiten Quartal 2012 wurde sogar eine Rekordmenge von 157.5 Tonne gekauft. Dieser Trend dürfte weiter anhalten. Vor allem sollen die Reserven wieder stärker diversifiziert werden, um ein ähnliches Verhältnis zwischen Gold und Devisenreseven herzustellen, wie es früher einmal gegolten hatte. Denn die Devisenreserven steigen tendenziell weiter. Zudem wird versucht, mit den Goldreserven nationales Vermögen zu erhalten.
«Zentralbanken kauften im zweiten Quartal 2012 eine Rekordmenge von 157.5 Tonnen Gold.»
Welche Investitionsformen in Gold werden bevorzugt?
Gold bietet eine umfangreiche und liquide Palette an Anlagemöglichkeiten, sei es direkt oder indirekt. Dazu gehören Goldbarren und Münzen, Goldminenaktien, Gold Fonds, Optionen, goldgedeckte Exchange traded funds, Gold Zertifikate, Goldkonten und natürlich Schmuck. Persönliche Präferenzen, aber Umstände spielen da eine gewichtige Rolle. Die verschiedenen Goldanlagen bieten unterschiedliche Vorteile, je nach Anlagestrategie. Der World Gold Council darf keine Anlageempfehlungen herausgeben, aber auf seiner Website www.gold.org werden alle Möglichkeiten vorgestellt.
In welchen Ländern ist die physische Nachfrage am stärksten?
Im letzten Jahrzehnt zeigte der asiatische Kontinent den grössten Goldappetit. China und Indien führen dort die Liste der stärksten Goldnachfrager an. Diese beiden Länder alleine stellen die Hälfte der gesamten Goldnachfrage dar. Für die asiatischen Konsumenten mit ihrer starken Sparkultur stellt Gold die perfekte Mischung aus Schönheit und Wertaufbereitung dar. Dort sorgen Inflationssorgen und der wachsende Wohlstand dafür, dass Gold sowohl als Schmuck als auch als Anlagemedium weiteren Zuspruch finden wird.
In den westlichen Ländern finden die Investoren wieder zu Gold zurück, in den USA gilt es als Luxusobjekt. Ein starker Nachfrageanstieg ist jüngst in der Türkei und Russland festzustellen. Zu den grösseren Zentralbankenkäufern gehörten die National Bank of Kazakhastan, die ukrainische Zentralbank und die Zentralbanken von Südkorea und den Philippinen.
Wie entwickelt sich das Angebot der Minen und aus dem Recycling?
Das Minenangebot belief sich 2011 auf ungefähr 2800 Tonnen und aus dem Recycling stammten 1700 Tonnen. Die Minenproduktion scheint sich auch weiterhin recht stabil zu entwickeln. Obwohl wir einen leichten Anstieg im letzten Jahrzehnt feststellen konnten, weil die Minen ihre Investitionen in die Erschliessung neuer Minenfelder und die Projektentwicklung erhöht haben. Aber diese Projekte brauchen eine lange Zeit, ehe sie Früchte tragen und grosse Funde gab es praktisch nur ganz wenige. Zudem kostet die Förderung aus neuen Minen üblicherweise mehr als aus alten, vor allem wenn der Goldgehalt geringer und die Förderungsleistung tiefer ausfällt. Daher gehen wir auch in den kommenden Jahren von einem beschränkten Goldangebot aus.
Recycling spielt eine wichtige Rolle am Goldmarkt. Damit können Nachfrageüberhänge beseitigt oder abgefedert werden, ganz im Gegensatz zu den Ölmärkten. In den letzten Jahren stieg das Angebot aus dem Westen merklich ohne jedoch die traditionell starken physischen Märkte in Indien und im Mittleren Osten verdrängen zu können.
Könnten sie bitte Angaben zur Entwicklung der gewichteten Förderungskosten in der Minenindustrie machen?
Ja, es gibt verschiedene Wege, die Kosten der Goldproduktion zu messen. Viele Minenanalysten denken allerdings, dass die ausgewiesenen Kosten der Goldförderung kein ausreichend zutreffendes Bild der Goldgewinnung darstellen. Heute setzen Goldanalysten eher auf die Gesamtkosten («all-in») Kosten. Diese betragen derzeit leicht über 1’000 US-Dollar pro Unze und dürften in den nächsten Jahren weiter zunehmen.
Rechnen Sie mit einem weiteren Nachfrageanstieg in den kommenden Jahren?
Die anhaltende Unsicherheit über das globale Wirtschaftswachstum zusammen mit der Ungewissheit über den Ausgang der Euro-Krise, bedeutet, dass alle Anlagewerte unter zurückhaltender Nachfrage leiden. Davon bleibt auch Gold nicht verschont. Vor allem westliche Anleger zögern mit neuen Käufen, halten sich aber auch mit Verkäufen zurück. Die Marktstimmung wird sich erst aufhellen, wenn mehr Klarheit über den Ausgang der Euro-Schuldenkrise herrscht.
«Die Gesamtkosten der Goldgewinnung betragen derzeit 1’000 USD pro Unze und dürften weiter zunehmen».
Wie dürfte sich Ihrer Meinung der Goldpreis im laufenden Jahr und darüber hinaus tendenziell entwickeln?
Der World Gold Council gibt keine Prognosen zur Entwicklung des Goldpreises ab. Aber die wichtigste Beobachtung ist doch, dass die Schwankungen der Notierungen sehr an die Zeit vor der Lehman Pleite 2008 erinnern. Damals fielen die Notierungen beinahe um ein Drittel, weil Finanzinstitute gezwungen waren, Gold zur Liquiditätsbeschaffung zu verkaufen. Damit wird doch deutlich die Funktion des Goldes als liquide Anlage demonstriert, das als Notgroschen in Krisenzeiten herhalten kann. Nach diesem Rückgang hatte sich der Goldpreis aber deutlich erholt und seit Februar 2009 um mehr als 156% zugelegt.
Welches sind die wichtigsten Goldhandelsplätze für Gold?
China und Indien sind die zwei grössten Goldmärkte der Welt. Eine Studie der London Bullion Association von September 2011 kommt zum Schluss, dass der tägliche ausserbörsliche Goldumsatz weltweit bei 240 Mrd USD liegt.
Könnte Gold wieder eine wichtigere Rolle im Währungssystem spielen?
Wir konnten ja bereits beobachten, dass das Gewicht des Gold als werterhaltendes Anlageinstrument gegenüber den Währungen zugenommen hat. Rekordhohe Staatsverschuldung und gewichtige Ankurbelungsprogramme schüren die unterschwelligen Ängste der Investoren vor künftiger Inflation und vor dem Wertverlust der Währungen. Daher wurde die Rolle des gelben Metalls als wichtiger Puffer gegen Inflation und Dollarverluste deutlich wiederbelebt. Wir erwarten, dass sich dieser Trend weiter fortsetzen wird, wenn sich die Verschuldungslage von «schlecht» zu «katastrophal» entwickelt, vor allem in der Euro-Zone.
Zur Person:
Aram Shishmanian bekleidet seit Januar 2009 die Position de CEO beim World Gold Council. Seit 1976 bekleidete Shishmanian während 27 Jahre wichtige Führungsrollen bei Accenture, zuletzt als Senior Partner. Zudem bekleidete er verschiedene Rollen als Verwaltungspräsident von Chase Cooper und als Verwaltungsratsmitglied von Carthesio und Victoria Plc sowie verschiedenen Non-Profit Organisationen, wie dem International Board for Cass Business School at the City University and Trustee of Marie Curie Cancer Care. Shishmanian besitzt einen BA in Economics und einen MBA.
Zum World Gold Council:
Der World Gold Council ist eine globale Entwicklungsorganisation der Goldminenindustrie. Deren .Ziel ist es, die Nachfrage Gold zu stimulieren und zu erhalten. Der Council hat seinen Sitz in London und verfügt über Büros an sieben verschiedenen Standorten weltweit. Insgesamt werden 100 Mitarbeiter beschäftigt. Der World Gold Council wurde im Jahr 1987 von Goldminenbetreibern gegründet und hat derzeit 20 Mitglieder. Diese Minenunternehmen stehen laut eigenen Angaben derzeit für etwa 60 % der weltweiten jährlichen Goldproduktion. Der World Gold Council hat im Jahre 2003 gemeinsam mit Finanzdienstleistern den ersten börsengehandelten Fonds auf Gold etabliert.