Arne-Christian Faisst, CEO Geschäftsbereich Medtech Cendres+Métaux Holding SA, im Interview

Arne-Christian Faisst

Arne-Christian Faisst, CEO Geschäftsbereich Medtech Cendres+Métaux Holding SA. (Foto: zvg)

von Robert Jakob

Moneycab.com: Herr Faisst, für das vergangene Berichtsjahr musste CM einen Betriebsverlust von 25.6 Millionen Franken nach einem zuvor positiven EBIT von 3.5 Millionen ausweisen. Dennoch hat sich der Aktienkurs um rund die Hälfte nach oben geschwungen. Wie passt das zusammen?

Arne-Christian Faisst: Wir haben uns in den letzten drei Jahren in einer strategischen Neuausrichtung befunden, die uns als ein diversifiziertes Unternehmen mit Fokus auf die Medtech- und Uhrenbranche neu positioniert hat. Dieser Wandel ist jetzt mehrheitlich abgeschlossen und zeigt im ersten Quartal des laufenden Geschäftsjahres bereits positive Auswirkungen. Wir haben jedoch aus der Vergangenheit noch Altlasten mit uns herumgeschleppt, die unsere Wettbewerbsfähigkeit negativ beeinflusst haben. Daher haben wir uns zum Ende des letzten Geschäftsjahres dazu entschieden, diese Altlasten zu bereinigen.

Unter dem Namen Vivaxs entwickelt die neue CM-Tochter Diavantis den sogenannten Bone Anchored Port (BAP), der für Dialysepatienten einen direkten Zugang zum Blutkreislauf über ein fest fixiertes Implantat bietet. Werden die Patienten das akzeptieren?

Bei Vivaxs handelt es sich um ein wirklich innovatives Produkt, dass die bisherigen infektionsanfälligen Zugänge mit Nadeln und Kathetern ersetzen kann. Da es ähnlich einem Cochlear Implantat (eine Hörprothese, d. Redaktion) fest am Kopf verankert wird, kann man in Zukunft den Dialysezugang einfach anklicken ohne mehrfach wöchentlich schmerzhafte Nadelpunktierungen vornehmen zu müssen. Das erhöht die Lebensqualität der Patienten entscheidend. Bei den fünf Patienten, die wir bisher mit unseren Entwicklungspartnern vom Inselspital Bern mit der neuen Methode versorgt haben, konnten wir daher neben hervorragenden Dialyseergebnissen auch eine sehr hohe Akzeptanz beobachten. Auch deswegen haben die Behörden der Ausweitung der klinischen Studie auf weitere Zentren zugestimmt.

«Insgesamt dürfte es bis zu einer möglichen Markteinführung noch mindestens 18 Monate dauern.»
Arne-Christian Faisst, CEO Geschäftsbereich Medtech Cendres+Métaux Holding SA

Klinische Tests und die Registrierung durch die amerikanische Gesundheitsbehörde FDA werden über fünf Millionen Franken kosten. Im Gegensatz zu einem Medikamentenkandidaten dürfte das Risiko, dass es mit der Zulassung nicht klappt, so gut wie null sein, oder?

In der Tat sind die ersten klinischen Ergebnisse von Vivaxs sehr ermutigend. Allerdings gehört zu einer erfolgreichen Einführung eines neuen Medtech-Produktes heutzutage weit mehr. Die Anforderungen an die klinischen Studien und an die Dokumentation zur CE-Registrierung steigen kontinuierlich. Ein gutes Produkt zu haben, ist daher nur noch der halbe Weg. Erst die gelungene Zertifizierung und die Verankerung in den Vergütungsrichtlinien der weltweiten Gesundheitssysteme macht eine Innovation heute erfolgreich. Da wir hier noch ganz am Anfang stehen, ist Diavantis für Cendres+Métaux im Moment immer noch ein Hochrisikoprojekt.

Darf man noch in diesem Jahrzehnt mit der Markteinführung rechnen?

Bisher haben wir Vivaxs zusammen mit dem Inselspital erst an fünf Patienten getestet. Auf der Basis der gewonnen Informationen konnten wir den ersten Teil der klinischen Studie mit sehr guten Resultaten abschliessen und nun weitere Zentren in die Erprobung mit einschliessen. Die daraus gewonnen Daten können dann für die CE-Registrierung verwendet werden, mit der wir nicht vor Ende 2018 rechnen. Insgesamt dürfte es bis zu einer möglichen Markteinführung noch mindestens 18 Monate dauern.

Wären die heutigen Gobal Player im Dialysemarkt dann eher ein Konkurrent oder ein Kooperationspartner?

Das Diavantis-Team bringt heute alle Kompetenzen mit, um die Entwicklung, die klinische Studie und auch die Registrierungen in den verschiedenen Märkten erfolgreich zu managen. Der Aufbau einer weltweiten Distribution könnte aber nach unserer Auffassung mit einem Partner, der bereits im Markt etabliert ist, viel schneller und effizienter umgesetzt werden. Wir können uns daher die Kooperation mit einem synergistischen Partner in einer zweiten Phase sehr gut vorstellen.

«Der Aufbau einer weltweiten Distribution könnte aber nach unserer Auffassung mit einem Partner, der bereits im Markt etabliert ist, viel schneller und effizienter umgesetzt werden.»

Wie entwickelt sich Ihr polymerbasierter Werkstoff Pekkton im grossen Markt für Zahnersatz innerhalb Ihrer Medtech-Sparte?

Wir haben dieses Material im Rahmen unserer strategischen Neuausrichtung erfolgreich in unsere dentalen Lösungsangebote integriertund auch die Bemühungen zur Registrierung in verschiedenen Ländern weiter verstärkt. Vor wenigen Wochen haben wir nun die FDA-Zulassung für Amerika erhalten und gleichzeitig auch eine Verkaufsfreigabe für Japan. Mit der Öffnung dieser beiden extrem wichtigen Märkte für Pekkton sind wir der festen Verankerung des Materials in der dentalen Welt einen wesentlichen Schritt näher gekommen.

Letztes Jahr gingen die Umsatze im kleineren der CM-Geschäftsbereich-Bereiche, Luxury + Industries, mit 3 Millionen Franken, am stärksten zurück. Jetzt geht es aber dort Ihren grössten Kunden in der der Schweizer Uhrenindustrie deutlich besser. Was darf man vom neuen Jahr erwarten?

Das Uhrengeschäft hat nach wie vor eine grosse Bedeutung für uns. Wir haben in den letzten beiden Jahren begonnen, immer weitere Teile der Wertschöpfungskette im Zulieferer-Geschäft abzudecken. Neben unseren Schlüsselprodukten aus Edelmetallen haben uns die Akquisitionen der Momoplus AG zur Herstellung von Uhrwerken und der Kauf der PRG Manufacture, der uns die Technologie der Titan- und Stahl-Gehäuseherstellung zugänglich gemacht hat, bedeutende neue Marktsegmente erschlossen. Obwohl wir zur Zeit noch von einer weiteren Konsolidierung in der Uhren-Zulieferbranche ausgehen, bieten sich für uns dadurch sehr gute Chancen, die sich in unseren Auftragsbüchern auch bereits abbilden.

In Ihrer Stammbranche, dem Schmuckgeschäft, gibt es kaum Wachstum. Hat dort der Modeschmuck das Edelmetall definitiv verdrängt?

Für unsere Geschäftsfelder Uhren und Schmuck sind Edelmetalle nach wie vor ein unverzichtbarer Werkstoff, der für hochwertige und langlebige Produkte steht. Dies wird meines Erachtens auch in Zukunft so bleiben. Im Dentalmarkt findet dagegen Schritt für Schritt eine Substitution des Edelmetalls durch andere Werkstoffe statt. Mit unseren Produkten aus Titan oder Keramik, aber auch mit dem Hochleistungspolymer Pekkton sind wir dort aber bereits heute sehr gut gerüstet, um diesen Rückgang zu kompensieren.

Durch die Partnerschaft mit der dänischen Expanite will CA oberflächengehärteten Stahl zum Standard in der Uhrenindustrie machen. Was verspricht sich Cendres et Métaux davon?

Auch diese exklusive Partnerschaft ist vor dem Hintergrund der Erweiterung des Leistungsangebotes innerhalb der Wertschöpfungskette zu verstehen. Das von Expanite entwickelte Verfahren für das Oberflächenhärten von Titan ist weltweit einzigartig, und wir schätzen den Wert dieser innovativen Technologie für unsere Kunden aus der Uhrenbranche sehr hoch ein und sind überzeugt, damit einen wichtigen Bedarf im Uhrenmarkt für die Zukunft abzudecken.

Ihre EBITDA-Marge liegt im Moment bei extrem tiefen 2,1 Prozent. Da kann sie sicher nicht bleiben. Was ist das Ziel?

Da ist richtig. Im Rahmen der Divisionalisierung fokussieren wir sehr konzentriert auf die unterschiedlichen Märkte. Unsere Zielsetzungen orientieren sich daher mittelfristig an den EBITDA-Erwartungen in all den verschiedenen Geschäftsfeldern.

Zur Person:
Arne-C. Faisst verfügt über mehr als zwei Jahrzehnte Erfahrung in führenden Management-Positionen in der Medtech-Branche (für internationale Unternehmen wie Fresenius und Synthes in Europa, Asien und den USA). Als promovierter Biochemiker und exekutive MBA, besitzt er darüber Langzeiterfahrung sowohl in den Bereichen Biochemie, molekulare Zellbiologie und Virologie als auch in Marketing und im Finanzwesen. Vor der Gründung seiner eigenen Firma anfass Life Technologies AG im Jahr 2013 leitete er viele Jahre als Vorstand/CEO und Delegierter des Verwaltungsrates die Mathys Gruppe und war dort massgeblich für den Aufbau und Erfolg des international tätigen Familienunternehmens verantwortlich. Seit 2014 ist er als Mitglied des Verwaltungsrats bei Cendres+Métaux SA tätig und zeichnet seit Ende 2015 als delegierter CEO auch operativ für den Geschäftsbereich Medtech verantwortlich.

Zum Unternehmen:
Cendres+Métaux (auch kurz CM genannt) wurde 1924 in der zweisprachigen Schweizer Uhrenmetropole Biel/Bienne gegründet. Mit der Eröffnung einer kleinen Edelmetallschmelzerei 1885 durch Louis Aufranc, die sich hauptsächlich mit der Aufbereitung edelmetallhaltiger Rückstände aus der Uhrengehäuseindustrie sowie alter Schmuckstücke befasste, nahm CM seinen Anfang. Die zu Asche verbrannten Abfälle (Cendres) und die anfallenden Metalle (métaux) verliehen dem Unternehmen den Firmennamen. Die Aufbereitung von Edelmetall-Schmelzgut und Gekrätz (Zusammengekratzes) bildeten einst die Grundlage der jungen Firma. Die Herstellung und der Vertrieb hochwertiger Edelmetalllegierungen für zahnärztliche und industrielle Zwecke, hatte schon bald die Nachfrage nach weiteren Verarbeitungsschritten zur Folge. Das führte zum Aufbau einer in der Schweiz einzigartigen Kernkompetenz in der Mikromechanik.

Cendres+Métaux
Firmeninformationen bei monetas

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