Béatrice Fink.
von Patrick Gunti
Moneycab: Frau Fink, die Y&R Gruppe Schweiz veröffentlicht jährlich die grösste Schweizer Markenstudie BrandAssetTM Valuator. Welches sind die wichtigsten Ergebnisse der neusten Erhebung?
Béatrice Fink: Die BrandAssetTM Valuator Erhebung 2011 zeigt, dass sich viele der Topbrands von 2010 auch 2011 an der Spitze halten konnten. Schweizer Traditionsmarken dominieren die Schweizer Markenwelt, ausländische Marken sind noch wenig unter den topplatzierten Marken zu finden. Für uns und unsere Kunden sind jedoch die Entwicklungen von Marken innerhalb ihres Konkurrenzumfelds fast spannender. Mit dem BrandAssetTM Valuator verfügen wir in der Y&R Gruppe Schweiz über ein Tool, um mannigfaltige Analysen für verschiedenste Branchen und Marken zu erstellen.
Anhand der Resultate von 2011 konnten wir beispielsweise für den Lebensmitteleinzelhandel feststellen, dass die 2010 und bis heute anhaltend starke Fokussierung auf den Preis negative Folgen auf die Differenzierung der einzelnen Marken hatte. Die Retail-Marken gleichen sich aus Sicht der Konsumenten immer mehr an. Im Bankensektor zeigen unsere Daten, dass sich UBS 2011 wieder auffangen konnte und bezüglich Markenstärke wieder zu Credit Suisse aufgeschlossen hat. Aber die kundennahen Kantonalbanken, Postfinance und Raiffeisen werden weiterhin am meisten geschätzt.
Nur gerade fünf ausländische Brands (Coca-Cola, Google, IKEA, Nivea, Lego) schafften es in die Top 20. Hingegen boomen Schweizer Traditionsmarken wie Lindt, Appenzeller, Ricola, Rivella, Cailler oder Toblerone. Was macht diese Marken so beliebt?
Wir Schweizer sind mit diesen Marken aufgewachsen. Wir sind mit ihnen sehr vertraut und schätzen ihre Wertbeständigkeit. Auch haben sich diese Marken mittels Produktinnovationen und guter Kommunikation stetig weiterentwickelt. Diese Kombination hilft, dass sich die Marken einer hohen Wertschätzung und Differenzierung bei den Konsumenten erfreuen.
Gleicht sich das Bild in der Deutschschweiz und der Romandie?
10 der 20 stärksten Marken schaffen es sowohl in der Deutsch- als auch in der Westschweiz unter die Top 20. Dies sind die absoluten Powerbrands der Schweiz. Zwischen Deutsch- und Westschweiz gibt es in der Markenwahrnehmung aber durchaus Unterschiede. Westschweizer schätzen Marken mit einem Romandiebezug wie Nestlé, Caran d’Ache oder Cailler. Bei den Deutschschweizern verhält es sich ähnlich mit typischen Deutschschweizer Marken wie Appenzeller, Lindt oder Rivella.
Ist dieser Markenpatriotismus etwas typisch Schweizerisches oder lässt sich ein ähnliches Verhalten auch in anderen Ländern feststellen?
Markenpatriotismus ist auch in anderen Ländern sehr verbreitet, u.a. auch in Frankreich und Italien. Konsumenten kennen ihre heimischen Marken am besten und vertrauen ihnen.
«Es in der Tat so, dass Konsumenten diese Marken gut kennen und es schätzen, dass sie über die Jahre ihren Werten und ihrer Qualität treu geblieben sind, sich aber trotzdem weiterentwickelt haben.»
Béatrice Fink, Leiterin Strategie Y&R Gruppe Schweiz
In den Top-20 befinden sich ausschliesslich gestandene Marken. Reagieren Konsumenten so auf die Schnelllebigkeit unserer Gesellschaft, auf sich stetig wechselnde Trends und ein sich rasch veränderndes Umfeld?
Viele der gestandenen Marken rangieren schon viele Jahre unter den Top 20. Es ist somit kein neues Phänomen. Aber es in der Tat so, dass Konsumenten diese Marken gut kennen und es schätzen, dass sie über die Jahre ihren Werten und ihrer Qualität treu geblieben sind, sich aber trotzdem weiterentwickelt haben.
Was müssen bekannte und geschätzte Marken tun, um in der Wahrnehmung der Konsumenten einzigartig und spannend zu bleiben?
Marken müssen den Spagat zwischen Wandel und Beständigkeit erfolgreich hinkriegen. Wertbeständigkeit ist für Marken wichtig, um den Konsumenten in einem sich konstant verändernden Umfeld mit schnelllebigen Trends, neuen Technologien und wandelnden Werthaltungen Orientierung und Sicherheit zu bieten. Wandel, Innovation und Differenzierung wiederum sind zentral, damit eine Marke bei den Konsumenten relevant und spannend bleibt. Zusammengefasst: Marken müssen ihren Werten treu bleiben und dennoch mit dem Zeitgeist gehen, um aktuell zu bleiben.
«Marken müssen ihren Werten treu bleiben und dennoch mit dem Zeitgeist gehen, um aktuell zu bleiben.»
Wie kann aus einer beliebten und geschätzten Marke schliesslich eine Kultmarke wie Apple, Coca Cola oder Puma werden?
Eine Kultmarke lässt sich nur bedingt planen. Bei M-Budget beispielsweise war das Ziel bei der Lancierung bestimmt nicht, eine Kultmarke zu kreieren. Bei Apple war dies sicherlich auch nicht der Fall. Apple erreichte jedoch Kultstatus, indem sie ihr Credo „Think different“ konsequent umgesetzt hat. Mit dem iPod, iPhone und iPad wurde bestehendes hinterfragt, neue Standards wurden geschaffen. Coca Cola wiederum schafft es wie keine andere Marke, mit ihrer Kommunikation und ihrem Markenauftritt immer wieder von neuem den Zeitgeist zu treffen, wodurch die Marke aktuell bleibt, ohne dabei ihren Grundwerten untreu zu werden.
Und wie können auf der anderen Seite Newcomer-Marken den Sprung zur etablierten Marke schaffen?
Newcomer-Marken sind für die Kunden zunächst neu, spannend und anders als die anderen Marken, welche sie schon kennen. Aber sie sind den Kunden noch nicht vertraut und können auch noch nicht gut eingeschätzt werden. Hier gilt es für Newcomer-Marken, Vertrautheit und Vertrauen aufzubauen, konstant an der Qualität zu arbeiten und die Werte, für welche die Marke steht, klar und konsistent aber auch unverwechselbar zu kommunizieren.
«Mammut ist seinen Markenwerten und seiner Kernzielgruppe (…) stets treu geblieben, was sich in einer hohen Eigenständigkeit und Glaubwürdigkeit der Marke wiederspiegelt. Gleichzeitig hat sich die Marke durch das Design der Kleidung und durch moderne Kommunikation weiterentwickelt und sich damit einer breiteren Zielgruppe geöffnet.»
Ist die Marke Mammut, die in der Gunst der Konsumenten stark gestiegen ist, ein passendes Beispiel?
Mammut ist seinen Markenwerten und seiner Kernzielgruppe, den Alpinisten und Kletterern, stets treu geblieben, was sich in einer hohen Eigenständigkeit und Glaubwürdigkeit der Marke wiederspiegelt. Gleichzeitig hat sich die Marke durch das Design der Kleidung und durch moderne Kommunikation weiterentwickelt und sich damit einer breiteren Zielgruppe geöffnet. Mammut hat den Sprung von der Nischenmarke zur modernen Outdoor-Marke auch für Nichtprofis geschafft, ohne dabei seinen angestammten Markenfans untreu zu werden.
Aus den Topbrands weggefallen ist unter anderem Nespresso. Hat Sie das in Anbetracht des riesigen Erfolges und der durchaus originellen und beliebten Fernseh-Werbespots mit George Clooney nicht überrascht?
Trotz der international sehr erfolgreichen Kampagne und dem grossen Umsatzerfolg hat der Kaspelkrieg mit Denner Nespresso sicherlich etwas geschadet und sich negativ auf die Markenstärke ausgewirkt. Ein nachhaltiger Schaden droht Nespresso aber nicht, die Marke befindet sich immer noch unter den Top 30 Marken der Schweiz.
Apropos Werbespots: Es fällt auf, dass in den Top 20 viele Marken vertreten sind, die auch mit originellen, witzigen oder selbstironischen Spots auf sich aufmerksam gemacht haben. Haben das Migros-Huhn, Uwe Ochsenknecht auf der Suche nach der Appenzeller Kräuter-Sulz, „wär häts erfunde?“ oder Zweifels „Wir tun alles für die besten Chips“-Kampagne hier die aktuellen Massstäbe gesetzt?
Humor ist, wenn gut eingesetzt und nicht ins Lächerliche abdriftend, ein gutes Mittel um den Konsumenten ein positives Markenerlebnis zu vermitteln. Eine witzige Kampagne macht eine Marke einzigartig und bleibt dem Konsumenten länger und besser in Erinnerung.
Wie beeinflussen Social Media heute die Entwicklung der erfolgreichsten Marken und welche Möglichkeiten sehen Sie da noch in Zukunft?
Unsere Studie „Media Use Index“, welche das Mediennutzungs- und Informationsverhalten untersucht, zeigt, dass die Mehrheit der Schweizer bei Kaufentscheiden stark auf Empfehlungen von Freunden und Familie vertraut. Social Media ermöglichen es Konsumenten, die Begeisterung für eine Marke nicht nur einer Person, sondern ihrem gesamten Freundes- und Bekanntenkreis mitzuteilen und so deren Kaufverhalten zu beeinflussen. Marken müssen sich diesen sogenannten F-Factor (F steht für Friends, Family und Follower) unbedingt zu Nutze machen. Die Entwicklungen in Social Media schreiten rasant voran. Wie schon in den USA, werden auch hier „Social Loyalty Programs“ sicherlich bald eingeführt, welche nicht mehr nur den Umsatz, sondern auch die Weiterempfehlung der Marke über Facebook, Twitter & Co belohnen. Des Weiteren wird die Kombination von Social Media und Localisation über Mobile immer wichtiger.
«Social Media ermöglichen es Konsumenten, die Begeisterung für eine Marke nicht nur einer Person, sondern ihrem gesamten Freundes- und Bekanntenkreis mitzuteilen und so deren Kaufverhalten zu beeinflussen.»
Nochmals zurück zu Apple – der wertvollsten Marke der Welt. Sie sehen die Marke an einem kritischen Punkt. Weshalb?
Apple befindet sich aktuell am Peak. Die Markenstärken von Apple und seinen Subbrands iPod, iPhone und iPad sind so hoch wie noch nie. Aber wir sehen heute erste Zeichen der Schwäche. Die Marke hat 2011 gegenüber 2010 stark an Einzigartigkeit, Originalität und Glamour eingebüsst. Die Marke ist zu mainstream geworden, die Trendvorreiter in der Bevölkerung wenden sich immer mehr von der Marke ab. Eine Rolle spielt dabei sicherlich auch, dass Apple durch sein abgeschottetes System immer mehr polarisiert. Die Konkurrenz ist Apple dicht auf den Socken, Apple ist vom Herausforderer zum Gejagten geworden.
Wie schätzen Sie die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Schweizer Führungsnachwuchses ein?
Schweizer Arbeitnehmer geniessen international einen guten Ruf. Die hohe Bildungsqualität, gute Fremdsprachenkenntnisse und der grosse Einsatzwille werden wertgeschätzt. Diese Qualität hat aber auch ihren Preis, die Lohnvorstellungen von Schweizer Arbeitnehmern sind oftmals höher als bei Mitarbeitenden aus anderen Ländern.
Wie wichtig ist Diversity für Ihr Unternehmen und welche Massnahmen sind in Ihrem Unternehmen zum Thema geplant oder schon umgesetzt?
Diversity ist in unserem Unternehmen ein Thema, das beachtet wird. Wir haben zwei Frauen auf Ebene der erweiterten Geschäftsleitung, das entspricht rund 20%. Bei Anstellungen und Beförderungen gelten für Männer und Frauen die gleichen Bedingungen und Selektionskriterien. Die Hektik und Unvorhersehbarkeit des Werbealltags ist allerdings für Frauen mit Kindern schwierig zu managen, weshalb es auf Kaderstufe leider nicht viele Frauen gibt.
Frau Fink, herzlichen Dank für das Interview.
Zur Person:
Béatrice Fink (Jg. 1970) ist seit September 2010 Head of Strategy und Mitglied der Geschäftsleitung der Young & Rubicam Gruppe in der Schweiz. Weiter leitet sie die Einheit Y&R-Consulting, welche Unternehmen in Fragen der strategischen Markenführung berät. Den Grundstein für ihr strategisches Know-how erarbeitete sie sich in ihrer achtjährigen Beratungstätigkeit als Senior Manager bei Arthur Andersen Business Consulting. Danach folgten sieben Jahre als Head of Strategic Development und Mitglied der Direktion bei Helsana. Béatrice Fink studierte Betriebswirtschaftslehre an der Universität St. Gallen und verfügt über einen Master of Science der London Business School.